Biogas in Erding:Branche im Umbruch

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Nach vielen erfolgreichen Jahren blicken die Erdinger Betreiber von Biogasanlagen skeptisch in die Zukunft. Bei Dorfen wollen sie mit der symbolischen Abschaltung eines Kraftwerks nun ein Zeichen Richtung Berlin senden

Von Mathias Weber, Erding

Helene Barth greift zu drastischen Worten: Die Energiewende dürfe "nicht abgewürgt" werden, die Politik würde sie im schlimmsten Fall" bald zu Grabe tragen". Helene Barth, die mit ihrem Mann in Erding eine Biogasanlage betreibt und als Fachreferentin im Fachverband Biogas arbeitet, sorgt sich um die Zukunft dieser auch im Landkreis Erding beliebten Form von erneuerbarer Energie. Mit der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG), die derzeit in Berlin beraten wird und im kommenden Jahr verabschiedet werden soll, so glauben Barth und die Biogas-Lobby, sei der langfristige Betrieb von Biogasanlagen gefährdet - und dadurch auch viele Betriebe. Um auf die derzeitigen Sorgen der Biogasbetreiber aufmerksam zu machen, ist am kommenden Mittwoch, 25. Mai, eine so genannte Warnminute auf einem Betrieb bei Dorfen geplant. Unter dem Motto "5 vor 12" wird um 11.55 Uhr die Biogasanlage Reger in Kleinkatzbach symbolisch stillgelegt und eine Kundgebung abgehalten. Der Erdinger Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz (CSU) hat sich angekündigt, ebenso der stellvertretende Landrat Jakob Schwimmer (CSU) sowie Vertreter von Bauernverbänden und aus der Kommunalpolitik; auch werden bis zu 100 Biogasbetreiber aus der Region erwartet. Helene Barth schätzt, dass es im Landkreis zwischen 75 und 80 Biogasanlagen verschiedener Größe gibt. Die Biogasanlage in Kleinkatzlbach wird von Gerhard Reger und seiner Frau betrieben. Ein richtiger Bauer ist er nicht mehr, sondern, so kann man das sagen, ein kleiner Kraftwerksbetreiber: Seine Anlage erzeugt 330 Kilowatt Strom im Jahr, gerade baut er Kapazitäten für weitere 200 Kilowatt auf. Er verkauft den produzierten Strom direkt an einen Händler, die erneuerbare Wärme, die entsteht, wird in ein kleines Nahwärmenetz eingespeist. 50 Häuser um seinen Hof herum werden so beheizt.

Gerhard Reger sagt: "Ich lebe vom Biogas". Und er lebt auch von den staatlichen Subventionen: 20 Cent pro Kilowattstunde bekommt er als garantierte Vergütung, genauso viel wie Helene Barth, die eine kleinere Anlage betreibt. Beide aber treibt die Novelle des EEG-Gesetzes um: Zwar kann Reger, so ist es vorgesehen, noch bis zum Jahr 2024 mit den bisherigen Vergütungssätzen rechnen; dann aber, wenn seine Anlage 20 Jahre alt wird, muss er den Plänen des Wirtschaftsministeriums zufolge umstellen. Er wird an Ausschreibungen mitmachen müssen, um die staatliche Vergütung zu bekommen - wer günstig Strom produziert, bekommt die Vergütung. Dass große Biogasbetriebe mit vielen Feldern in Norddeutschland günstiger produzieren können als die eher kleineren Anlagen, liegt für Gerhard Reger auf der Hand. Ausnahmen von dieser Ausschreibungsregelung soll es aber für kleine Betriebe geben, etwa den von Helene Barth, die nicht mehr als 75 Kilowatt produziert.

Ein weiteres Problem: Schon im EEG von 2014 sei die Absicht erkennbar gewesen, die Biomasse im Energiemix zurückzudrängen, heißt es von den Fachverbänden. Derzeit weiß tatsächlich niemand, was mit den Anlagen passieren soll, die bald, nach 20 Jahren, aus der Förderung herausfallen. Spätestens 2021, wenn das EEG 20 wird, könne es zu einem "massiven Einbruch" der Stromerzeugung aus Biomasse kommen, da es sich nicht lohne, alte Anlagen zu ersetzen. Über eine Anschlussregelung, wie mit diesen Anlagen weiter zu verfahren sei, sei im Wirtschaftsministerium nicht wirklich nachgedacht worden, heißt es bei den Verbänden. Viele Biogasbetreiber hätten daher schon jetzt aufgegeben, mit Blick auf eine sehr unsichere Zukunft. Der Biogasberaterin Helene Barth ist allerdings kein so ein Fall im Landkreis Erding bekannt. Die Länder Thüringen, Rheinland-Pfalz und Bayern haben mittlerweile eine Initiative in den Bundesrat eingebracht und eine klare Perspektive für neue und bestehende Bioenergieanlagen gefordert - was die Erdinger Biogasbetreiber begrüßen. Auch wenn es noch bis Oktober Einspruchsmöglichkeiten zur EEG-Novelle gibt und sich noch viel tun kann: Die Stimmung in der Biogas-Branche ist am Boden, man fürchtet, dass das bisher Erreichte in den kommenden Jahren auf's Spiel gesetzt wird - einerseits wirtschaftlich und auch das, was für die Umwelt im Sinne des Klimawandels geschafft wurde. Etwas mehr als acht Prozent der produzierten Stroms in Deutschland kommt aus Biogas - auch mit der Aktion in Kleinkatzbach wollen die Betreiber zeigen, dass es in Zukunft nicht weniger werden soll.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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