Besuch in der Bürgersprechstunde:Unter vier Augen mit der Ministerin

Besuch in der Bürgersprechstunde: Die meisten Bürger, die in die Sprechstunde kommen, sind anfangs nervös. Das gibt sich meistens im Gespräch - wie auch bei dieser Frau, die sich Sorgen um die Wasserqualität macht.

Die meisten Bürger, die in die Sprechstunde kommen, sind anfangs nervös. Das gibt sich meistens im Gespräch - wie auch bei dieser Frau, die sich Sorgen um die Wasserqualität macht.

(Foto: Renate Schmidt)

Wenn die Ulrike Scharf in Erding Bürgersprechstunde hat, dann geht es sehr oft um ganz persönliche Dinge. Oder um die Gülle und das Grundwasser. Manchmal geht es sogar um den Fasching.

Von Wolfgang Schmidt, Erding

Gleich hinter der Eingangstür hängt ein ziemlich großes und buntes CSU-Plakat, auf dem sich Ulrike Scharf bei denen bedankt, die sie in den Landtag gewählt haben. Gleich daneben sieht man ein schlichtes Kruzifix. Schmückendes Beiwerk ist Mangelware im Erdinger Bürgerbüro der bayerischen Umweltministerin, sieht man von dem großen Bild ab, das die Eingangstür über Scharfs Arbeitsraum schmückt. An diesem Freitag ist Bürgersprechstunde in der Langen Zeile 6, zu der sich auch die Süddeutsche Zeitung angemeldet hat.

Die Frau Ministerin befinde sich noch in einer Besprechung, sagt Beate Wagner. Die 49-Jährige sitzt halbtags in Scharfs Vorzimmer, zur Besetzung gehört auch noch Markus Ehm, der heute aber frei hat. Den Job hat sie seit der Büroeröffnung im September 2013. Beate Wagner sagt, Ziel sei es, jeden Monat eine Bürgersprechstunde abzuhalten. Das klappt nicht ganz, die Umweltministerin ist ja auch im großen Bayernland ständig unterwegs. Beate Wagner hat nachgeschaut: Sechs Sprechtage gab es 2015, an denen 33 Fälle behandelt wurden. Eine telefonische Anmeldung ist auch erforderlich, aber es werde niemand weggeschickt, der an der Tür stehe, sagt Wagner.

Die Tür von Scharfs Büro öffnet sich. Heraus tritt Erdings Polizeichef Anton Altmann. Später wird die Umweltministerin sagen, dass dieser Besuch keinen konkreten Hintergrund gehabt habe, der Austausch mit der Polizei sei ihr einfach immer wichtig. Mittlerweile ist eine Frau eingetroffen, die zur Bürgersprechstunde will. Sie ist etwas nervös und will ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Auch über ihr Anliegen will sie mit dem Mann von der Zeitung nicht sprechen. Vielleicht später, sagt sie dann doch noch. Vielleicht nach dem Gespräch mit der Ministerin.

Die Unterhaltung "war sehr interessant"

Eine weitere Person trifft ein. Bei ihm handelt es sich um Thomas Marzahn. Der promovierte Jurist ist der Pressechef des Umweltministeriums. Mitgebracht hat er eine unscheinbare Mappe, in der sich aber derartig wichtiges Material befinden muss, dass er vom Münchner Rosenkavalierplatz in die Lange Zeile gereist ist. Er sagt, er nutze die Gelegenheit, zwischen zwei Terminen mit der Ministerin den Inhalt der Mappe abzuarbeiten und "persönlich zu klären". Marzahn ist seit 2008 im Ministerium und natürlich will er keinen Vergleich ziehen zwischen seiner jetzigen Chefin und deren Vorgänger Marcel Huber. Das verbiete sich schon deshalb, sagt der Jurist, weil sich der Zuschnitt des Ressorts geändert habe.

Das Gespräch mit Ulrike Scharf hat die Frau inzwischen etwas aufgetaut. Ihren Namen sagt sie lieber immer noch nicht, sie spricht aber über ihr Problem. Sie hat Angst um die Wasserqualität, bei der Masse von Gülle, die die Bauern auf den Feldern ausbrächten. Nicht nur das Grundwasser werde vergiftet, sondern auch die Obstbäume mit dem vielen Spritzen gegen das Ungeziefer. Diese Sorgen, sagt sie, habe sie eine ganze Zeitlang mit sich herumgeschleppt. Jetzt habe sie sich ein Herz genommen und sei hier hergekommen. Und die Unterhaltung mit der bayerischen Umweltministerin "war sehr interessant".

Die meisten haben ein ganz klares Anliegen

Ulrike Scharf kann sich jetzt etwas Zeit für die SZ nehmen. Das Gespräch mit Erdings Polizeichef Altmann? Nun, das sei ein ganz normaler Vorgang. Sie habe sich erkundigen wollen, wie die Situation der Polizeiinspektion in Erding ist, jetzt, da es den Warteraum Asyl gibt. Schließlich ist Scharf ja auch die gewählte Wahlkreisabgeordnete. Sie sagt: "Ich bin auch schon einmal eine ganze Nachtschicht mit einer Streife mitgefahren, um ein Gespür dafür zu kriegen, welche Aufgaben die Polizei bei uns wahrnimmt." Das liegt aber schon einige Zeit zurück, das war vor der Flüchtlingskrise. Heute habe sie die "halbe Stunde nutzen wollen", um zu erfahren, was es an neuen Aufgaben zu bewältigen gilt.

Die meisten Menschen, die zu ihr kommen, haben ein ganz klares Anliegen aus ihrem persönlichen oder aus dem gesellschaftlichen Bereich. Es geht etwa um die Fahrkarte für einen Behinderten, damit er die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen kann oder um Kindergeldzahlungen, die die Behörden abgelehnt haben. Häufig sind es auch Bauvorhaben, die nicht genehmigt wurden. Berührt hat Ulrike Scharf der Fall eines jungen Mannes, der Kfz-Mechaniker werden wollte, aber dreimal die Prüfung nicht geschafft hat. Erst danach ist er damit herausgerückt, dass er Legastheniker ist. Bei ihm, sagt Scharf, "war es also kein Wissens-, sondern ein Zeitproblem". Sein Chef lobte ihn als leidenschaftlichen Mechaniker und durch ihren Einsatz durfte die Prüfung ausnahmsweise noch einmal wiederholt werden. Jetzt hat die Firma eine gute Fachkraft und der junge Mann seinen Traumberuf. Was sie in der Sprechstunde tue, sagt Scharf, könne man ein bisschen vergleichen mit der Petitionsmöglichkeit, die der Landtag biete. Aber natürlich seien ihr die Hände gebunden, wenn geltendes Recht dagegen stehe - das träfe öfter auf enttäuschte Bauwerber zu. Beschimpfungen habe sie deswegen aber noch nie erlebt.

Zum Schluss ist sogar zu erfahren, wohin der zweite Termin die CSU-Politikerin führen wird: zum Frankenfasching in Veitshöchheim. Das bedeutet eine dreistündige Autofahrt in Richtung Norden. Ihre Funktion dort? "Ich bin dort als Gast, als Teilnehmer" - Ulrike Scharf ist von der Frage überrascht. Und selbstverständlich wird sie in Verkleidung kommen. In welcher, will sie nicht verraten: "Das bleibt ein Geheimnis", sagt sie. Durch die Übertragung im BR war das Geheimnis der Umweltministerin allerdings schon gelüftet, bevor diese Zeilen erscheinen konnten.

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