Berufsschule feiert Jubiläum:Gefragt bis nach China

Die Berufsschule Erding feiert ihr 150-jähriges Bestehen. Von vielen Seiten wird ihre Bedeutung hervorgehoben. Das Modell gilt als wichtiger Grund, weshalb die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland so gering ist

Von Max Ferstl, Erding

Am Mittwoch hat Dieter Link, Schulleiter der Berufsschule Erding, etwas Interessantes in der Zeitung gelesen: Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hat in einer umfangreichen Studie herausgefunden, dass gut ausgebildete Arbeitskräfte, also Talente, wichtiger für das langfristige Wirtschaftswachstum sind als Kapital. Welche Rolle die Berufsschule Erding dabei spielt, erklärt das WEF zwar nicht explizit. Link fand trotzdem, dass er durchaus stolz sein darf: "Wo wir doch hier seit 150 Jahren diese Talente ausbilden". Er fand auch: "Das muss gefeiert werden." Gefeiert wurde das 150. Jubiläum dann am Donnerstag im Gastronomie-Raum der Berufsschule.

"Die Berufsschule ist ein Erfolgsmodell", bestätigte Herbert Püls, Ministerialdirektor im Bayerischen Kultusministerium. Das gelte für Erding im Speziellen, aber auch allgemein. Püls, der kurzfristig Staatssekretär Georg Eisenreich vertrat, verglich Deutschland mit den übrigen Ländern in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die anderen Länder hätten mit hoher Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen - Deutschland nicht. "Was macht Deutschland besser? Die Berufsschulausbildung." Also die Möglichkeit, sich berufliches Wissen nicht nur in einem Betrieb, sondern an Schulen anzueignen.

Um dieses System werde Deutschland von anderen Ländern beneidet, sagte Püls, "nicht nur China", das schon seit Längerem gesteigertes Interesse zeigt. Dorthin sind vor einigen Jahren zwei Lehrer der Berufsschule Erding gereist, um über ihre reiche Erfahrung über die duale Ausbildung in Deutschland zu berichten.

150 Jahre, das klingt nach einer langen Zeit. "Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Berufsschule eine ganz junge Schulart ist", fand Festredner Josef Erhard, ehemaliger Amtschef des Kultusministeriums. Anders als die allgemeinbildenden Schulen, wo Schüler seit der Antike lernen, entwickelten sich Berufsschulen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts heraus. Die Industrialisierung schritt rasant fort, der technische Fortschritt veränderte viele Berufe, der Bedarf an ausgebildeten Fachkräften stieg. Am 28. September 1867, drei Jahre nach der "Königlichen Verordnung zur Umwandlung der Sonn- und Feiertagsschulen in eine gewerbliche Fortbildungsschule", besuchten in Erding 37 Schüler den ersten Kurs der "Gewerblichen Fortbildungsschule" - der Gründungstag der Berufsschule Erding.

Doch wie überall im Land verliefen in Erding die Anfänge schleppend. Die Schülerzahlen waren gering, die erste hauptamtliche Angestellte, der "Realienlehrer Eder", wurde nach nur ein paar Jahren an eine Realschule versetzt. Nur "sehr mühsam" hätte sich die Berufsschule etabliert, erzählte Erhard.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Schulform einen Aufschwung, Ende der Fünfzigerjahre stellte der Landkreis einen Bauplatz für ein neues Schulgebäude zur Verfügung: an der Freisinger Straße, dem heutigen Sitz.

Berufsschule feiert Jubiläum: Wenn Dobrindt oder Scheuer in Berlin in eine Kamera sprechen, dann hat Josef Erhard Sorge, "was sie jetzt wieder sagen werden".

Wenn Dobrindt oder Scheuer in Berlin in eine Kamera sprechen, dann hat Josef Erhard Sorge, "was sie jetzt wieder sagen werden".

(Foto: Renate Schmidt)

Auch die Schülerzahlen schnellten nach oben, rund 2400 waren es im vergangenen Schuljahr. Längst gelte die Berufsschule als "zweite gleichberechtigte Säule" im Schulwesen, sagte Erhard. In ihrem Jubiläumsjahr hat sich die Erdinger Schule einige Projekte einfallen lassen. Zum Beispiel haben die Schüler im Hauptgebäude eine Ausstellung aufgebaut. Wie in der Schule gibt es nützliches und eher unnützes Wissen. Man erfährt zum Beispiel von einer Vitrine mit vielen Bällen, dass 1867, im Jahr der Schulgründung, in den englischen Profiligen 6373 Tore fielen. Schlüssiger wirkt da der Rekordversuch, den fünf Klassen Ende Juni unternahmen: 150 Stunden Unterricht am Stück, im Schichtbetrieb. Fürs Guinness-Buch der Rekorde reichte das zwar nicht, aber das Rekord-Institut für Deutschland meldete sich.

Für andere Leistungen gab es zwar keinen Eintrag in ein Rekordbuch, aber warmes Lob bei der Jubiläumsfeier: Die Berufsschule stemmte im Schuljahr 2016/17 insgesamt 13 Klassen mit Asylbewerbern, acht sind es im aktuellen Jahr. Zum Vergleich: 2014 ga b es nur eine Klasse. Schulleiter Dieter Link sprach von einer "hochanspruchsvollen Aufgabe", die sich nur mit engagierten Mitarbeitern und Lehrern bewältigen ließ. Und Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) erinnerte sich, wie er Link gefragt hatte, ob er Flüchtlinge in der Turnhalle unterbringen könne: "Er hat nur gesagt: Wird nicht einfach, aber wir stehen dazu."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: