Berufsschule Erding:Fit für Europa

Berufsschule Erding: Es gab viel Lob für die jungen Leute, die in Eigenregie ein Bistro eröffnet haben. Auch der Service war vorzüglich, im Bild Daniela Schranner

Es gab viel Lob für die jungen Leute, die in Eigenregie ein Bistro eröffnet haben. Auch der Service war vorzüglich, im Bild Daniela Schranner

(Foto: Renate Schmidt)

Die Schüler der Gastronomieklasse an der Erdinger Berufsschule müssen zeigen, dass sie Projektmanagement nicht nur theoretisch beherrschen. Im Bistro Dix funktioniert alles einwandfrei

Von Wolfgang Rescher, Erding

Herzlich Willkommen im Bistro Dix. Die Servicekräfte sind äußert zuvorkommend und arbeiten zügig, aber genau. Die Portionen sind lecker und nicht zu klein. Und das zu unschlagbaren Preisen. Nichts zu bemerken von der Servicewüste Deutschland. Würde die Idylle nicht regelmäßig vom Schulgong unterbrochen, könnte man glatt vergessen, dass es sich um ein Projekt von Berufsschülern handelt. Am vergangenen Mittwoch betrieb die Gastronomieklasse EHM10 der Berufsschule Erding für einen Tag ein Bistro. Ein ganzes Schuljahr hatten die drei Jungs und sieben Mädchen, um das Projekt auf die Beine zu stellen.

Das Personal arbeitet zügig, aber nicht hektisch

Wenn man das Gastronomiezentrum betritt und sich rechts hält, befindet man sich im Übungsrestaurant. Die einzigen Unterschiede zu einem normalen Restaurant sind etwas größere Abstände zwischen den Tischen und eine zurückhaltende Dekoration. Gleich hinter der Tür empfängt eine junge Dame die Gäste mit ausgesuchter Höflichkeit und führt sie zu ihrem Platz. Dort angekommen vergeht nur kurze Zeit bis eine Servicekraft an den Tisch tritt, nach Wünschen fragt und eine Speisekarte hinterlässt. Im Hintergrund läuft leise eine erfrischend abwechslungsreiche Musik. Das Essen kommt schnell und ist liebevoll angerichtet. Da das Personal zügig, aber nicht hektisch arbeitet, verbreitet sich eine entspannte Atmosphäre.

Im Rahmen der Zusatzqualifikation "Europäisches Hotelmanagement" (EHM) müssen die Auszubildenden zur Hotelfachfrau und -mann im ersten Lehrjahr in Eigenregie den Betrieb eines Bistros planen und umsetzen. "Ich finde es gut, dass sich die Lehrer nicht so viel einmischen", sagt die 18-jährige Sophia Auer. "Dadurch haben wir gelernt, wie wichtig Teamarbeit ist." Von der Auswahl der Dekoration und die Speisekarte über das Erstellen einer Homepage bis hin zum Verteilen der Arbeit wird alles von der Gruppe entschieden. Auch am großen Tag selbst sind die Lehrer nur zur Aufsicht vor Ort.

Projektmanagement im Praxistest

So werden auch alle Gerichte selbst zubereitet. Und die können sich sehen lassen: pochiertes Ei, verschiedene Quiche, Lachsfilet mit hausgemachten Nudeln, um nur einige zu nennen. "Es ist toll, wie motiviert die jungen Leute hier sind", sagt Küchenmeister und Kochlehrer Norbert Lindlbauer. "Ich hatte das Gefühl, dass sie eher in die Küche wollten als in den Service." Beeindruckend ist auch die Professionalität, mit der die künftigen Hotelfachleute am Werke sind. Das Kochen ist an sich nur ein Nebenfach in ihrem Lehrplan.

"Es ist halt mal was anderes", sagt die 18-jährige Küchenverantwortliche der Klasse, Kristina Frank. "Aber wir haben uns alle fair und demokratisch geeinigt. Und das obwohl während des Jahres immer wieder Leute gegangen oder dazugekommen sind." Maria Bäumel, Fachbetreuerin für den Bereich Gastronomie, erklärt die Bedeutung des Projektes: "Wir können die Schüler nicht in Projektmanagement ausbilden und alles nur theoretisch machen", sagt sie. Deshalb wurde das Bistro-Projekt von Anfang an in den Lehrplan integriert.

Zusatzausbildung mit vielen Vorteilen

Die Erdinger Berufsschule bietet die Zusatzqualifikation seit drei Jahren an. Bäumel sagt: "Die Zusatzausbildung hat viele Vorteile. Zuerst einmal dürfen die Schüler als zweite Fremdsprache Französisch erlernen. Zweitens machen sie im zweiten Lehrjahr ein dreiwöchiges Praktikum in Frankreich." Da dieses Praktikum zum Großteil von der Europäischen Union finanziert wird, beläuft sich der Selbstkostenanteil für die Azubis auf etwa 150 bis 200 Euro. Abgeschlossen wird die Qualifikation mit einer eigenen IHK-Prüfung.

Für die Ausbildungsbetriebe gäbe es demnach keine zusätzlichen Belastungen. Außerdem kann die Lehrzeit mit dem Zusatzmodul nicht verkürzt werden. "Abgesehen von den zwei Wochen Fehlzeit während des Austausches findet die gesamte EHM-Ausbildung während der Schulzeit statt", sagt die Fachbetreuerin. Selbst die zusätzlichen Prüfungskosten von ungefähr 350 Euro müssten die Betriebe formal nicht übernehmen. Allerdings empfiehlt die Berufsschule die Übernahme als Motivationsinstrument bei guten Leistungen der Auszubildenden.

Sprachunterricht kommt für die jungen Leute noch dazu

Doch ganz einfach ist es für die Lehrlinge nicht. Neben ihrem normalen Stundenplan belegen die Lehrlinge weitere vier Fächer und den Sprachunterricht. Später allerdings haben die Absolventen bessere Möglichkeiten, eine Stelle im Ausland zu bekommen. "Wenn man eh schon für drei Jahre in der Ausbildung ist, kann man das schon mitnehmen" sagt Sophia Auer.

Einfach ist es auch für die Berufsschule nicht. Wurden noch vor wenigen Jahren bis zu 600 Schüler ausgebildet, sind es heute nur noch etwa 300. Das Problem sei nicht der mangelnde Ausbildungswille der Betriebe. "Es fehlt an jungen, motivierten Menschen, die in der Gastronomie arbeiten wollen", sagt Bäumel. Ein Problem, das auch in anderen Branchen bekannt ist.

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