Bauern verzweifeln über die Getreideernte:"Die Nerven liegen blank"

Viel Regen, wenig Sonne: Weil Lohnunternehmen nicht alle Bauern bedienen können, wenn sich ein Ernte-Zeitfenster öffnet, verrottet der Weizen auf den Feldern.

Sarah Ehrmann

ErdingDie Getreidebauern im Landkreis Erding fürchten um ihre Weizenernte. Die Gründe: Trockenheit in der Wachstumsphase im Mai, Regen und Wind jetzt in der Erntezeit. In runden Vertiefungen liegt der reife Winterweizen an den Feldboden gedrückt, zwischen den Halmen staut sich die Nässe. "Wenn es nicht bald trocken und warm wird, müssen die Bauern um die Hälfte ihres Ertrags fürchten", glaubt der Landwirt Martin Weindl aus dem Moosinninger Ortsteil Eichenried.

Bernhard Ertl vom Maschinenring in Erding, der den Verleih von landwirtschaftlichen Maschinen koordiniert, kennt die Sorgen seiner Kollegen. Weil es immer nur wenige Tage trocken war, bevor der nächste Regen einsetzte, waren die Zeitfenster für die Ernte heuer enorm kurz. Die Lohnunternehmen, die traditionell die Ernte mit dem Mähdrescher übernehmen, hätten in der vergangenen Woche zwar bis in die frühen Morgenstunden gearbeitet, doch der Mähdrescher hätte überall gleichzeitig sein müssen, sagt Ertl. Bei 30 Lohnunternehmen und 13 000 Hektar Winterweizen im Landkreis war es logistisch nicht möglich, alle Felder ab zu ernten. Etwa ein Drittel bis die Hälfte der reifen Feldfrüchte sei bisher erst geerntet, sagt Josef Schächtel vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Erding.

Verzweifelt bis wütend hätten einige Bauern beim Maschinenring angerufen und wollten die Lohnunternehmen haftbar machen, mit denen sie normalerweise gut zusammenarbeiten, erzählt Ertl. "Wenn das Getreide des Nachbarn rechtzeitig gedroschen wird und das eigene nicht - das tut furchtbar weh." Zumal die Erträge in diesem Jahr eigentlich gut wären. "Alle sind nervös, die Nerven liegen blank", sagt Ertl. "Die Stimmung unter den Bauern wird immer aggressiver."

Die Sorge der Landwirte ist verständlich: Jeden Tag, den der Winterweizen noch auf den Feldern steht, sinkt die Qualität. Gerät das Korn in "Keimstimmung", verändert sich seine Enzymaktivität und es ist nicht mehr für die Lebensmittelherstellung, sondern nur noch als Tierfutter oder für die Produktion von Biogas zu verwenden. Das kann den Preis von etwa 20 Euro je Doppelzentner um bis um die Hälfte drücken.

Auf nassem Boden, mit feuchtem, matschigem Getreide arbeiten aber die Mähdrescher nicht, weil der Ährenheber das Getreide nicht greifen kann und das feuchte Korn die Dreschtrommel verklebt. Zudem hinterlassen solche überstürzten Erntemanöver enorme Strukturschäden am Boden. Das versuchen die Bauern zu vermeiden, wie Landwirt Martin Weindl sagt: "Wir schauen auf unsere Böden, das ist unsere Existenz." Würde das Getreide jetzt geerntet werden, müsste der Feuchtigkeitsanteil im Korn durch heizölbetriebene Trockenmaschinen von 24 auf 14,5 Prozent gesenkt werden. Das verursacht zusätzliche Kosten. Doch die Bauern sind in der Bredouille. Sie müssen einerseits die Auflagen der Mühlen erfüllen und andererseits vorplanen. Noch im August muss der Raps auf die Felder kommen - bis dahin sollten die Weizenkörner, die nach der Ernte auf den Feldern liegengeblieben sind, gekeimt haben und untergepflügt sein.

Am Sonntag regnete es wieder. Wäre Weindl am Samstag auf sein Feld gegangen, hätte er noch ein leises Knistern gehört, als die Fruchtstände in der Sonne trockneten. Das ist ein gutes Zeichen. Doch wenn er zur Probe in ein Korn beißt, verzieht er das Gesicht: "Das muss krachen", sagt er, "sonst können Sie es nicht ernten." Sollte die Ernte nicht gut ausfallen, hofft er auf seine Maisfelder. Die gedeihen durch den Wechsel aus Sonne und Regen gut.

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