Bauen wird immer komplizierter:Komplexe Materie

"Die Entbürokratisierung ist völlig gescheitert": Privaten Bauherren und Bauämter müssen immer mehr Vorschriften beachten. Das macht auch im Landkreis Erding das Bauen immer teurer

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Suche bezahlbare Wohnung" ist ein Wunsch, den man auch im Landkreis Erding oft hört. Doch die Nachfrage ist groß. Größer als das Angebot. Das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW schätzt, dass in Deutschland 400 000 Wohnungen jährlich notwendig wären, aber gegenwärtig nur rund 270 000 fertig gestellt werden. Kritik kam jüngst beim Wohnungsbau-Tag von den Kommunen, Immobilienunternehmen und Bundesarchitektenkammer an den vielen Vorschriften im Baurecht. Sie würden ein schnelles Bauen verzögern und zudem teurer machen. Laut einer Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen sind die Neubaukosten weger der erhöhten Anforderungen in der Planungsphase von 2000 bis 2014 um rund 40 Prozent gestiegen, der Lebenserhaltungsindex nur um 25 Prozent. Die Tendenz zu immer mehr Vorschriften kann Franz Wandinger, Bauamtsleiter der Stadt Dorfen, nur bestätigen: "Bei der Bauleitplanung ist die Entbürokratisierung völlig gescheitert", sagt er.

Wie die privaten Bauherren müssten die Bauämter immer mehr Vorschriften beachten. Zum Beispiel müssten bei Bebauungsplänen heute Umweltberichte erstellt werden. "Das kostet alles Zeit und Geld." Während früher einmal Bebauungspläne auf eine Seite passten, würden sie jetzt den Platz von mehreren Aktenordnern einnehmen. "Auch dass wir die Stellungnahmen von bis zu 50 Stellen einholen müssen, ist ein immenser zeitlicher Aufwand", sagt Wandinger. Und diese würde dann seiner Meinung nach mit "unangemessenen Einwänden" nur dem Verfahren Steine in den Weg legen. "Wir sind über berechtigte Hinweise dankbar, aber oft wird über das Ziel hinaus geschossen und die Planungshoheit der Kommune missachtet."

Bauen wird immer komplizierter: Wer wie hier im Thermengarten in Erding bauen will, muss Zeit und Geld haben.

Wer wie hier im Thermengarten in Erding bauen will, muss Zeit und Geld haben.

(Foto: Bauersachs)

117 private Bauanträge wurden 2015 von der Stadt Erding genehmigt. Im Vorjahr sind es nur 71 gewesen. Auch im restlichen Landkreis gab es eine Steigerung um rund zehn Prozent auf etwa 900 Genehmigungen. Doch der Immobilienmarkt zeigt, dass dies nicht ausreicht. Sind die Unterlagen vollständig und keine weiteren Fachbehörden mehr einzuschalten, kann der Antrag zum Beispiel in der Stadt Erding binnen drei bis vier Monaten genehmigt werden. Doch das ist eher die Ausnahme, denn 90 Prozent der Bauanträge gehen unvollständig im Rathaus ein, wie Pressesprecher Christian Wanninger sagt. Einer der Gründe: Es müssen immer mehr Vorschriften von den Bauherren und Architekten eingehalten werden. "Die Standards und Komplexität haben zugenommen", bestätigt Wanninger. Aber die meisten Verzögerungen kämen durch unvollständige Unterlagen, nicht durch das Bauamt.

Anton Grasser bringt es aus der Sicht der Bauunternehmen auf einen einfachen Nenner: "Je einfacher Bauen wird, umso lieber wäre es den Bauunternehmern. Und umso schneller ging es, was ja nicht heißt, dass deshalb anspruchsloser gebaut wird." Aber in Deutschland habe man die Neigung, alles komplizierter zu machen und überall die Sicherheitsvorschriften zu erhöhen. "Heute brauchen sie für alles ein Fachgutachten. Für die Statik, Schallschutz, Vermessung und so weiter. Das ist für kleinere Gebäude vom Einfamilienhaus bis hin zum Reihenhaus schon der Irrsinn."

Bauen wird immer komplizierter: Untersuchungen zeigen, dass erhöhte Anforderungen in der Planungsphase die Baukosten für Häuser seit 2000 um rund 40 Prozent steigen haben lassen.

Untersuchungen zeigen, dass erhöhte Anforderungen in der Planungsphase die Baukosten für Häuser seit 2000 um rund 40 Prozent steigen haben lassen.

(Foto: Peter Bauersachs)

Auch Robert Decker von der gleichnamigen Immobiliengesellschaft sieht in den immer mehr werdenden Vorschriften zeitliche und finanzielle Probleme. "Nehmen wir die neue Energieeinsparverordnung. Die wurde zum 1. Januar um 25 Prozent verschärft. Da geht es nicht mehr um ein oder zwei Zentimeter mehr Dämmung, sondern das ist nur mit dem Einsatz von mehr Technik zu erreichen. Ein Niedrigenergiehaus von vor zehn Jahren ist heute ein alter Hut." Auf die Kommunen und auch privaten Bauherren würde immer mehr Verordnungen zukommen. "Schauen Sie sich einen alten Bebauungsplan an. Da reichte früher eine Seite als Begründung, heute stecken die Verwaltungen in einem stetigen Abwägungsverfahren. Das dauert." Und auch bei privaten Bauvorhaben müssten immer mehr Auflagen erfüllt werden. "Früher hat man ein Haus gebaut, heute müssen sie dazu noch einen qualifizierten Freiflächengestaltungsplan vorlegen." Den Genehmigungsbehörden könne man oft gar keinen Vorwurf machen: "Die stecken in einem Korsett von Vorschriften", sagt Decker.

Im Bauministerium in Berlin wurde inzwischen eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der Normen und technische Regeln auf den Prüfstand kommen - mit Blick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Eine Studie des Bochumer Instituts für Wohnungswesen und Immobilienwirtschaft zeigt, dass mehr als ein Drittel der Kostensteigerung beim Wohnungsbau wegen gesetzlicher Vorschriften und Anforderungen anfällt. Vorschriften zu Brand- und Schallschutz oder zu Stellplätzen verteuern das Bauen. Allein die Verschärfung der Anforderungen für energiesparendes Bauen sei für mehr als 15 Prozent der Kostensteigerung verantwortlich.

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