Ausstellung:Der Fantast

Rudolf L. Reiter stellt regelmäßig seine Werke im Museum Erding aus. Noch bis Sonntag zeigt er in der Sonderausstellung "Die Romantische Moderne - Wanderung der Seelen durch Bildwelten" sieben besondere Ölgemälde

Von Gianna Niewel, Erding

Dass man ihn wegsperren solle, haben ihm seine Kritiker gesagt. Ein Gestörter sei er, weil an er an die Unsterblichkeit der Seele glaubt, ein Spinner. Beileibe aber nicht: ein Künstler. Rudolf L. Reiter sitzt im Museum Erding, kariertes Hemd, graue Mütze. Er sagt von sich: "Ich bin ein Romantiker, ein Fantast." Der 71-Jährige hat sein Kunststudium nach drei Monaten abgebrochen, um den Vater in dessen Druckerei zu unterstützen. "Irgendwann hat die Kunst mich ein zweites Mal gefunden", sagt Reiter. Er schätzt, dass er mehr als 4600 Bilder gemalt hat, die wurden unter anderem in New York gezeigt, in Washington, in Oslo und in seiner Heimatstadt - in Erding. Seit Jahren präsentiert das Museum immer wechselnd einzelne Werke seiner Sammlung. An diesem Wochenende sind nun sieben ausgesuchte Ölgemälde zu sehen. "Die Romantische Moderne - Wanderung der Seelen durch Bildwelten" heißt die Ausstellung, die am Freitagabend eröffnet wurde und noch bis Sonntagabend läuft.

Ausstellung: Rudolf L. Reiter ist in Erding geboren und lebt hier. Seine Werke hat er unter anderem schon in den USA und Skandinavien ausgestellt.

Rudolf L. Reiter ist in Erding geboren und lebt hier. Seine Werke hat er unter anderem schon in den USA und Skandinavien ausgestellt.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Ölbilder tragen Titel wie "Sehnsucht" oder "Abenddämmerung", Reiter hat drei Monate bis zu einem halben Jahr an ihnen gemalt. Um Struktur auf die überwiegend 1,60 Meter langen und 1,20 Meter breiten Leinwände sowie das Triptychon zu bringen, hat er zusätzlich Salz in die noch nassen Farben gemischt. Reiter selbst ordnet die Werke der informellen Kunst zu. "Informell, das bedeutet auf besondere Art abstrakt, die Bilder sind getrieben von der Auflösung jedweder Formen und Prinzipien." Bei der realistischen Malerei etwa habe man eine genaue Vorlage, ein bereits vorhandenes Bild, von dem der Künstler dann ein Abbild fertig. Er hingegen male durch Eingebung. Seine künstlerischen Vorbilder, das seien Caspar David Friedrich, Joseph Beuys und Novalis.

Ausstellung: "Die Romantische Moderne - Wanderung der Seelen durch Bildwelten" heißt die derzeitige Sonderausstellung.

"Die Romantische Moderne - Wanderung der Seelen durch Bildwelten" heißt die derzeitige Sonderausstellung.

(Foto: Renate Schmidt)

Einige der Bilder in der Ausstellung kommen ohne die Darstellung konkreter Personen aus. Wenn Reiter Menschen zeichnet, sind die allesamt klein und wirken im Vergleich mit der Natur - häufig: dem Meer - fast ohnmächtig. Damit möchte Reiter ausdrücken, dass der Mensch ehrfürchtiger vor der Schöpfung sein solle. Der Betrachter der Bilder sieht die Personen immer von hinten, er blickt mit ihnen in die Weite, die "nur vermeintlich Leere ist". So soll sich der Betrachter in die abgebildete Figur einfühlen können, um für den Moment deren Unbedeutsamkeit zu fühlen. Der Dichter Novalis schreibt in "Hymnen an die Nacht": "Unendliches Leben / Wogt mächtig in mir / Ich schaue von oben / Herunter nach dir." Ihm erscheine es fast, als habe Novalis für ihn geschrieben, sagt Reiter. "Wenn ich den Leuten das erkläre, ist die Reaktion der meisten: Der spinnt." Ja, sagt Reiter, er fühle sich als Künstler durchaus unverstanden .

Ausstellung: Sie ist noch bis einschließlich Sonntag im Museum Erding zu sehen.

Sie ist noch bis einschließlich Sonntag im Museum Erding zu sehen.

(Foto: Renate Schmidt)

Hiermit ist er in guter Gesellschaft, denn die Romantiker galten zu Lebzeiten gemeinhin als verkannte Genies. Erst kürzlich habe er einen Film geschaut über das Leben und Arbeiten des Engländers William Turner. Auch zu ihm hätten die Kuratoren der Londoner Museen gesagt, dass er lediglich schmiere und wische und ganz unsäglich mit Farben pansche. "Just als der Film vorbei war, klingelte das Telefon: Ein Journalist wollte über mein Verständnis von Tod und Wiedergeburt schreiben", sagt Reiter. Anfang des Monats ist der Artikel über ihn erschienen im Magazin "Visionen - Die schönsten Seiten der Spiritualität." Sieben Seiten, große Bilder. Auch die Werke aus der Ausstellung werden thematisiert.

Seine Zweifel an der Gesellschaft im Allgemeinen und dem Menschen im Speziellen, das sei das Leitmotiv eines verkappten Romantikers. Und somit das Thema, das er unbewusst in jedem seiner Werke verankert. Deshalb überwiege auch eine bestimmte Farbe: "Blau steht für Unendlichkeit, für das Göttliche, auf das ich vertraue. Gleichzeitig symbolisiert die Farbe das Wasser und somit die Quelle unseres Lebens."

Eines der Bilder, es heißt "Metamorphose", fällt auf, weil es als einziges eben nicht blau ist, die Farben sind gelblich bis grün. Wieso das? Reiter lacht. "Man sucht in meinem Malen vergeblich eine Ratio, den Verstand. Die Bilder entstehen aus sich selbst heraus, ich bin nur derjenige, der in den Farbtopf langt." Häufig erwache er nach Stunden der Versunkenheit aus diesem künstlerischen Schöpfungsakt und frage sich: "Was hab' ich eigentlich da gemacht?" Bis er ein Bild tatsächlich als vollendet empfindet, da seien in der Vergangenheit schon einmal zehn Jahre vergangen. Erst dann sei ihm die Eingebung gekommen: "Nein! Stop! Kein Tropfen mehr, kein Sprenkler." Wenn ein Künstler einen solchen Impuls verspüre, höre er auf, weil er dann sicher wisse, dass sein Werk fertig ist.

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