Auf der Suche nach Wildblumen:Letzte Rückzugsräume

Zweite Biotop-Kartierung im Landkreis: Manche Altbestände haben sich zum Teil extrem verschlechtert. Ein Lichtblick sind die Ausgleichsflächen, von denen manche eine herausragende ökologische Qualität aufweisen

Von Thomas Daller, Landkreis

Es gibt sie noch im Landkreis, seltene Wildblumen wie die Pracht-Nelke oder den Lungen-Enzian. Das hat eine Biotop-Kartierung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) ergeben. Aber diese nährstoffarmen, grundwassergeprägten Moorflächen, auf denen sie wachsen, sind "letzte Rückzugsräume in einer von intensiver Nutzung geprägten Landschaft", lautet ein Fazit der Kartierung. Auch bei den untersuchten Altbiotopen hat sich "im Allgemeinen deren Qualität im Hinblick auf Artenvielfalt und Nährstoffverhältnisse zum Teil extrem verschlechtert", lautet die Einschätzung der Unteren Naturschutzbehörde.

Auf landwirtschaftlich genutzten Wiesen im Landkreis sieht man fast überall das gleiche Bild. Außer Gräsern wächst dort viel Löwenzahn, ein Indikator für nährstoffreichen und somit stark gedüngten Boden. Gülle und Mineraldünger haben viele Wildblumenarten verdrängt, die nährstoffarme Standorte bevorzugen. Im gesamten Einzugsgebiet der Stadt Dorfen beispielsweise, mit knapp 100 Quadratkilometern immerhin eine der größten Flächengemeinden Bayerns, gibt es nach Angaben des Naturfotografen Andreas Hartl nur noch eine einzige Wiese, auf der eine natürliche Artenvielfalt von Wildblumen erhalten geblieben ist.

LBV -Prachtnelke

Die Pracht-Nelke gehört zu den seltenen Wildblumen, die im Landkreis gefunden wurden.

(Foto: Landesbund für Vogelschutz)

Zumindest in den Biotopen im Landkreis sieht es nicht ganz so schlecht aus. Das Landesamt für Umwelt hat diese naturnahen Hecken, Röhrichtbestände, extensiv genutzten Wiesen, nährstoffarmen Magerrasen, Niedermoore und Pfeifengraswiesen untersucht und spricht von "vielgestaltigen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen im Landkreis". Vor allem die Streuwiesen- und Niedermoorreste im Erdinger Moos seien von sehr hoher Bedeutung für viele gefährdete Arten.

Von 2013 bis 2015 haben Experten des LfU mit dem Landratsamt Erding zum zweiten Mal die Naturschätze kartiert. Auf 3,1 Prozent der Landkreisfläche wurden dabei mehr als tausend Biotope mit einer Gesamtfläche von 2700 Hektar erfasst. Mit den Ergebnissen der Kartierung erhalten Naturschutzbehörden, Planungsbüros und Wissenschaftler eine wichtige Arbeitsgrundlage für Landschafts- und Grünordnungspläne oder im Vertragsnaturschutz.

Seltene Arten wie den Kantigen Lauch, die Pracht-Nelke oder den Lungen-Enzian fanden die Kartierer insbesondere im Viehlaßmoos südlich von Gaden. Auch Magerrasen auf den trockenen Schotterbänken entlang der Isar böten weiteren gefährdeten Arten eine Heimat wie beispielsweise dem Fliegen-Ragwurz oder dem Deutschen Backenklee, der dort sein beinahe einziges Vorkommen in Bayern habe. Außerhalb des Erdinger Mooses belege die Biotopkartierung weitere wertvolle Standorte, insbesondere entlang der Bachtäler von Strogn, Sempt, Schwillach oder Isen.

Renaturiertes Elinger Filz, 2013

Die Rückzugsräume für Wildblümen, zu denen auch der der Lungen-Enzian gehört, werden immer weniger.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die erste Inventur liegt bereits 25 Jahre zurück. Unmittelbare Vergleiche zur Erstkartierung seien aufgrund "unterschiedlicher flächenmäßiger und methodischer Ansätze nicht möglich", geht aus einer Anfrage an die Untere Naturschutzbehörde hervor. So sei der Nordwesten des Landkreises aufgrund der aktuellen intensiven Untersuchungen zur dritten Start- und Landebahn vorläufig ausgeklammert worden. Auch einige flächenmäßig umfangreiche FFH-Gebiete seien nicht berücksichtigt worden. Biotop-Verluste und Neuzugänge halten sich nach Einschätzung der Unteren Naturschutzbehörde die Waage. Die meisten Altbiotope habe die Kartierung wieder bestätigt, "allerdings hat sich im Allgemeinen deren Qualität im Hinblick auf Artenvielfalt und Nährstoffverhältnisse zum Teil extrem verschlechtert".

Ein Lichtblick sind die Ausgleichsmaßnahmen: Ein Großteil dieser Ausgleichsflächen erfülle mittlerweile die Qualitätsanforderungen an die Erfassung in der Biotopkartierung. "Gerade Ausgleichsflächen mit bereits längeren Entwicklungszeiten zum Beispiel zum Bau des Flughafens weisen zum Teil ganz herausragende ökologische Qualität und Artenvielfalt auf."

Biotoppflege findet nach Angaben der Unteren Naturschutzbehörde vor allem in so genannten Offenlandbiotopen statt. Dabei handelt es sich um Niedermoorreste, Kalkflachmoore, Streuwiesen und Kalkmagerrasen. Der Landkreis Erding unternehme jährlich mit Hilfe staatlicher Fördermittel erhebliche finanzielle und personelle Anstrengungern zur nachhaltigen Pflege dieser Flächen. Dies entspreche auch der Folgerung des Schlussberichts, der für den Qualitätsverlust der betreffenden Biotopflächen "umso entscheidender die angepasste Pflege der Restbiotope" fordere.

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