Anti-Rassismus-Tag:Nicht lustig

Am Anne-Frank-Gymnasium werden Schüler gegen Diskriminierungen aller Art sensibilisiert. Mit einem Figurentheaterstück und im Gespräch mit dem Zeitzeugen Ernst Grube

Von Nadja Gabrych, Erding

Wenn die Kinder den Clown ausbuhen, ist die Botschaft angekommen, wenn sie beim Theaterstück "nicht lustig" des Freien Ensemble Augsburg wütend werden, läuft alles richtig. Jedes Jahr setzten sich die Schülerinnen und Schüler der fünften Klassen beim Anti-Rassismus-Tag im Anne-Frank-Gymnasium (AFG) mit Diskriminierung, Ausgrenzung und Intoleranz auseinandern. Auch Ernst Grube, Zeitzeuge des Naziregimes und Schirmherr des Arbeitskreises "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" besucht an diesem Tag die Schule. Im ruhigen Gespräch lässt er die Schüler an seiner Kindheit und seinen Erfahrungen teilhaben - und spricht mit ihnen über das kluge Theaterstück und was man daraus lernen kann.

Als Schule ohne Rassismus, aber mit Courage hat sich das Anne-Frank-Gymnasium verpflichtet, seinen Schülern mehr als nur Fachunterricht anzubieten. Ein wichtiges Ziel ist, das vorurteilsfreie Miteinander zu stärken und den Umgang mit kritischen Situationen im Alltag zu lehren. Das wird zum Beispiel in Rollenspielen und Gruppenarbeiten umgesetzt. Beim Anti-Rassismus-Projekt werden die Kinder der fünften Klassen von älteren Schülern des Arbeitskreises begleitet und betreut. Sie helfen den Jüngeren Begriffe wie Rassismus und Diskriminierung zu klären und zu verstehen. Dabei lernen auch die Schüler des Arbeitskreises, indem sie in neue Rollen schlüpfen, viel dazu.

Anti-Rassismus-Tag: Der Clown isst dem fleißigen Schmied sein Essen weg. Mit ihrem Figurentheaterstück "nicht lustig" zeigen Judith und Carsten Gardner den Fünftklässlern, dass auch der scheinbar lustigste Clown ziemlich fies sein kann.

Der Clown isst dem fleißigen Schmied sein Essen weg. Mit ihrem Figurentheaterstück "nicht lustig" zeigen Judith und Carsten Gardner den Fünftklässlern, dass auch der scheinbar lustigste Clown ziemlich fies sein kann.

(Foto: Renate Schmidt)

Seit 2007 führt das Freie Ensemble Augsburg sein Figurentheaterstück "nicht lustig" auf. Judith und Carsten Gardner von der Augsburger Puppenkiste haben das Stück eigens für den Arbeitskreis geschrieben. Auch in diesem Jahr eröffneten sie den Anti-Rassismus-Tag und führten die Fünftklässler so an das schwierige, aber wichtige Thema heran. In der Geschichte sind ein Schmied und ein Clown die Hauptpersonen. Zunächst erlangt der Clown die Sympathie der Schüler mit Witz, Konfetti und Clownsnasen. Doch als er anfängt, dem Schmied erst seine Arbeit und dann auch sein Essen weg zu nehmen, ebbt der Applaus für den Clown ab. Der Schmied, dargestellt durch eine Handpuppe, verliert durch den Clown nicht nur seine Lebensfreude, sondern auch seine Lebensgrundlage. Am Ende lässt der Clown sogar den Schmied selbst unter einer Box verschwinden.

Die jungen Zuschauer reagierten auf das bösartige Verhalten des Clowns mehr und mehr mit Buhrufen und waren offensichtlich irritiert. Jens Gertitschke, Mitglied des Arbeitskreises, bezeichnet die Aufführung als "Stück das zum Diskutieren und Nachdenken" anrege. Auch Schulleiterin Helma Wenzl ist immer wieder angetan. Es sei "jedes Jahr anders, wann der Stimmungsumbruch" bei den Schülern einsetze. Einige fänden den Clown gegen Ende "nicht mehr so witzig", während "andere denken sie müssen klatschen", wenn der Clown erscheint.

Anti-Rassismus-Tag: Gespannt hörten die Schüler Ernst Grube zu. Seit Jahren kommt der Shoa-Überlebende zum Anti-Rassismus-Projekt nach Erding.

Gespannt hörten die Schüler Ernst Grube zu. Seit Jahren kommt der Shoa-Überlebende zum Anti-Rassismus-Projekt nach Erding.

(Foto: Renate Schmidt)

Im Filmraum konnten anschießend jeweils zwei fünfte Klassen mit Ernst Grube, Zeitzeuge und Schirmherr des Tages, reden und ihm Fragen stellen. Der Shoa-Überlebende möchte mit den Kindern "über das Stück, meine Kindheit und meine Person als Zeitzeuge reden". Zusammen mit ihnen geht er die Handlung des Stücks noch mal durch. Dabei macht sich seine jahrelange Präsenz im Arbeitskreis bemerkbar. Grube ist im Umgang mit Schülern sehr geübt und weiß offensichtlich genau, mit welchen Fragen er sie zum Mitmachen animieren kann. Die Menge lauscht gespannt seiner Geschichte und es wird zunehmend ruhiger im Saal. Grube nimmt sich für die Beantwortung der Fragen reichlich Zeit. Es geht schließlich lange darum, wie sich der Schmied gegen das Verhalten des Clowns hätte zur Wehr setzen können. Bei der Diskussion dieser Frage kommt schließlich ein Vorschlag immer öfters auf: Mit der Hilfe von anderen und dem Rückhalt einer Gruppe.

Seit 2001 darf das Gymnasium den Namen "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" im Schulprofil führen. Nachdem sich mehr als 70 Prozent der Schulgemeinschaft bei einer Unterschriftensammlung mit ihrem Namen für eine Teilnahme an dem bundesweiten Projekt aussprachen, erlangte das Gymnasium den Titel durch die Aktion Courage. Seitdem finden regelmäßig am AFG Veranstaltungen und Aktionstage statt, die die Schüler frühzeitig gegen Diskriminierungen aller Art sensibilisieren sollen.

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