Anne-Frank-Gymnasium:Fassungslos bis heute

Anne-Frank-Gymnasium: Der Holocaust-Überlebende Abba Naor hielt am Anne-Frank-Gymnasium Erding vor Schülern der neunten Jahrgangsstufe einen Vortrag über sein Leben als junger Mensch.

Der Holocaust-Überlebende Abba Naor hielt am Anne-Frank-Gymnasium Erding vor Schülern der neunten Jahrgangsstufe einen Vortrag über sein Leben als junger Mensch.

(Foto: Renate Schmidt)

Der Holocaust-Überlebende Abba Naor zu Besuch in Erding

Von Kim Mildner, Erding

Die Aula des Anne-Frank-Gymnasium ist an diesem Vormittag gut gefüllt gewesen. Etwa hundert Schüler der neunten Klassen folgten Abba Naors Worten. Der 89-jährige Holocaust-Überlebende erzählte in Erding aus seinem Leben. Geboren wurde er am 28. Mai 1928 in der litauischen Stadt Kaunas. 1941 errichteten die Nationalsozialisten dort ein Ghetto, in dem 30 000 Juden lebten. Schon mit 13 Jahren sei er fast täglich mit dem Tod konfrontiert worden, sagte er: "Wenn jemand gehängt wurde, war das keine große Sache für uns."

Als das Ghetto im Sommer 1943 in ein Konzentrationslager umgewandelt wurde, brachte man die meisten Kinder nach Auschwitz. Doch 200 Kinder, darunter Abba Naor und sein jüngerer Bruder, wurden versteckt. Noch immer sei er fassungslos, sagte er: "Jeder hat ein Recht auf Leben, egal welche Hautfarbe oder Religion." In einem Vernichtungslager der Nazis sah Abba Naor am 26. Juli 1944 seine Mutter und seinen Bruder zum letzten Mal. Sie wurden nach Auschwitz gebracht und vergast. Wenige Tage zuvor, am 20. Juli 1944, scheiterte das Stauffenberg-Attentat auf Adolf Hitler. "Wäre dieses Attentat gelungen, hätten meine Mutter und mein Bruder überlebt", sagte Naor. In einem Außenlager von Dachau arbeitete er als Heizer in einer Dampflokomotive. So habe er heißes Wasser gehabt, sagte er, um sich waschen können. Ein Jahr nach der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau traf Naor seinen Vater in München wieder.

"Wie haben Sie es geschafft, Ihre Vergangenheit zu verarbeiten", möchte eine Schülerin wissen. Naor, der lange nicht über seine Vergangenheit gesprochen hat, ist froh, wie er sagte, dass sich andere Menschen für sein Schicksal interessieren. "Das gibt mir Kraft." Als der Gong zum Schulschluss ertönte, hatten noch längst nicht alle Gymnasiasten ihre Fragen gestellt. An Abba Naors Tisch bildete sich eine lange Schlange. Einige Schüler kauften sein Buch "Ich sang für die SS", das Abba Naor mit dem SZ-Journalisten und früheren Leiter der Lokalredaktion Erding, Helmut Zeller, verfasst hat, andere ließen sich ein Autogramm in ihr Schulheft geben. Viel Zeit blieb nicht, denn der 89-Jährige muss weiter, er hatte weitere Termine.

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