Angefangen hat es in Dorfen:Der Aussteiger

Starnberg Berufsschule Ex-Neonazi Felix Benneckenstein

Freundlich und sicher tritt der ehemalige Neonazi Felix Benneckenstein bei seinen Vorträgen in Schulen auf.

(Foto: Nila Thiel)

Felix Benneckenstein schildert in Starnberg, wie er in die Neonazi-Szene geriet - und sich lossagte

Von Michael Berzl, Starnberg

Die Nazi-Zeit ist für Felix Benneckenstein gerade vorbei, als er in Starnberg auf die Berufsschule geht, um Bürokaufmann zu werden. Da ist er Mitte 20 und hat bewegte Jahre inklusive Gefängnisaufenthalt hinter sich: vom strammen Nationalsozialisten zum Aussteiger und nun zum Mitarbeiter der Aussteigerhilfe Bayern. In dieser Funktion war er nun wieder in der Starnberger Berufsschule, berichtete vor angehenden Kinderpflegerinnen von seinem Werdegang, wie er in Dorfen im Landkreis Erding in die rechte Szene geriet, welche verquasten Ideologien dort verbreitet werden und wie er sich daraus befreite.

Es war eine spannende Unterrichtsstunde für die Schülerinnen, die 90 Minuten lang gebannt zuhörten. Kein Wunder, denn der 31-jährige Aussteiger ist ein geübter Redner. Am Tag zuvor war er in Würzburg, nächste Woche ist er in Regensburg gebucht. Seit einigen Jahren tourt er durch ganz Bayern, um mit seiner Lebensgeschichte als abschreckendem Beispiel vor einem Abdriften in die Neonazi-Szene zu warnen. Bei ihm hatte es als Teenager bei den "Sauf-Dorfnazis", wie er sie nennt, in Dorfen angefangen. Er hat sich immer mehr radikalisiert, hat die Ideologie verinnerlicht, die den Holocaust leugnet, die Schreckensherrschaft unter Hitler zum Vorbild hat und politische Gegner terrorisiert. Als Liedermacher "Flex" ist er bei Veranstaltungen aufgetreten und hat eine CD aufgenommen. Er hat Kundgebungen und Demonstrationen zusammen mit seinen Gesinnungsfreunden organisiert.

In der rechten Szene kennt er sich gut aus und kann sich auch an Ron Appelt von der Neonazi-Kameradschaft "Freundeskreis Gilching" noch erinnern, der 2009 als Bundestagskandidat der NPD diverse öffentliche Auftritte im Landkreis Starnberg hatte: "Nicht die hellste Leuchte." Von der Sorte gab es mehr, doch Benneckenstein fühlte sich dort aufgehoben und freute sich über das Lob und die Anerkennung seiner damaligen Gesinnungsfreunden.

Und heute fragt er sich: "Wie kann das passieren?" Zumal in dem Umfeld, aus dem er stammt. Er sei in einer weltoffenen Familie aufgewachsen, erzählt der Ex-Nazi den Starnberger Berufsschülern, die gerade in dem Alter sind, in dem er nach rechts abgedriftet war. Sein kleiner Bruder hat das Down-Syndrom, seine Mutter leidet unter Epilepsie. Man mag sich nicht vorstellen, was die Anhänger des Herrenmenschentums mit ihnen angestellt hätten. Felix Benneckenstein gelang es irgendwie, diesen Gedanken auszublenden.

Benneckenstein verliert sich zwar beim Erzählen oft in Details. Als es spannend wird und er zu dem Zeitpunkt kommt, in dem er sich zum Ausstieg entschloss, sind eineinhalb Stunden schon fast vorüber; für die Fragen der Schüler bleibt kaum mehr Zeit. Aber er spricht druckreif, ohne zu stocken. "Ein kluger Kopf", wie sich seine damalige Religionslehrerin Anja Jedlitschka erinnert. Durch das Buch seiner Frau Heidi Benneckenstein "Ein deutsches Mädchen" wurde die Lehrerin auf ihren ehemaligen Schüler aufmerksam und engagierte ihn über den Verein "Exit Deutschland". Das Honorar von 600 Euro übernimmt das Jugendamt, weil es sich um Präventionsarbeit handelt.

Für die ehemaligen Kameraden ist Benneckenstein nun ein Verräter. Entsprechend vorsichtig ist der 31-jährige Familienvater. "Wenn ich mit der S-Bahn fahre, schaue in schon, was ein paar Reihen weiter los ist." Felix Benneckenstein wohnt mit seiner Frau Heidi und seinem zehn Monate alten Sohn im Großraum München. Wo genau, soll nicht in der Zeitung stehen. In der Nazi-Szene scheint es sich schon herumzusprechen. Im Briefkasten lag schon einmal eine tote Ratte.

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