Amtsgericht Erding:Hanebüchene Geschichte endet ohne Urteil

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Richterin Wawerla bleibt nach völlig widersprüchlichen Zeugenaussagen nur die Einstellung des Verfahren über

Von Thomas Daller, Erding

Zeugenaussagen vor Gericht oder bei der Vernehmung durch die Polizei sind häufig sehr widersprüchlich, besonders wenn Straftaten unter dem Einfluss von Alkohol begangen wurden. Bei einem Fall von gefährlicher Körperverletzung tischten die zwei Hauptbelastungszeugen jedoch so hanebüchene Geschichten auf, dass Richterin Michaela Wawerla den Fall schließlich einstellte.

Es ging um eine Schlägerei in der Disko Musikpark in Erding, die bereits in der Halloweennacht 2015 stattgefunden haben soll. Angeklagt waren ein Onkel und sein Neffe, die gemeinsam einen anderen Diskothekenbesucher brutal mit Fäusten niedergestreckt haben sollen. Die beiden bestritten jedoch die Anschuldigung vehement. Laut ihrer Schilderung habe ein Freund des angeblichen Opfers Ärger verursacht, weil er ihnen beim Tanzen mehrmals gegen die Füße getreten sei und sie mit dem Ellbogen getroffen habe. Sie hätten den offenbar betrunkenen Tänzer gepackt, um mit ihm zur Security zu gehen, um dessen Verhalten zu beanstanden. Daraufhin habe das angebliche Opfer den Onkel am Arm gepackt, um seinen Freund zu befreien. Er habe dann seinen Arm losgerissen, sagte der Angeklagte, und das Opfer mit der flachen Hand weggeschubst. Er sei aber nicht hingefallen, sondern habe den Schubs an einem Tisch abgefangen, wo er sich festgehalten habe. Als sie dann mit dem Tänzer bei der Security gewesen seien, sei dieser Mann plötzlich mit blutendem Gesicht aufgetaucht und habe sie der Körperverletzung beschuldigt.

Das Opfer, ein Mechaniker aus Forstinning, schilderte eine andere Version: Die beiden hätten ihn zur Seite gedrängt und mit Fäusten geschlagen, bis er benebelt am Boden zusammengebrochen sei. Allerdings wies sein Erinnerungsvermögen Lücken auf, da er "nicht mehr ganz nüchtern" gewesen sei. Das gleiche galt für seinen Spezl, den Tänzer, der zur Tatzeit knapp 2,5 Promille hatte. Er sprach nicht nur von Faustschlägen, sondern dass die beiden das am Boden liegende Opfer auch noch mit Füßen getreten hätten.

Die Rechtsanwälte der beiden Angeklagten hielten den beiden Zeugen jedoch vor, dass ihre Aussage bei der Polizei nicht ins Bild passen würden: Das Opfer habe vier Angreifer beschrieben; drei Deutsche und ein außergewöhnlich großer Ausländer. Daraufhin ließen sie ihre Mandanten, zwei eher kleine Kosovaren aufstehen, um das zu verdeutlichen. Auch die Aussagen, ihre Mandanten hätten nach der Schlägerei Blut am T-Shirt und an den Schuhen gehabt, lasse sich nicht verifizieren: Die Polizei, die den Fall aufgenommen hatte, hatte die beiden Angeklagten nach Kampfspuren untersucht und keine festgestellt. Außerdem seien die beiden an dem Abend nüchtern gewesen und hätten keinerlei Vorstrafen. Es fehle auch ein richtiges Motiv, weil der Tänzer doch der eigentliche Aggressor gewesen sei.

Etwas Licht in die verworrene Angelegenheit brachte eine unbeteiligte Zeugin, die an jenen Tisch gesessen hatte, gegen den das Opfer geprallt war: Der Mann sei beim Rückwärtsgehen ohne Fremdeinwirkung gestolpert, habe sich am Tisch festgehalten und ihn umgerissen, dabei sei er in die Scherben der Gläser gefallen. Erst dann seien die beiden Angeklagten gekommen und einer davon habe ihm einen einzigen Schlag verpasst. Welcher der beiden das war, konnte sie jedoch auch nicht sagen.

Richterin Wawerla schlug der Staatsanwaltschaft vor, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen. Bei einem Freispruch hätte sie "Bauchschmerzen", aber eine Einstellung wäre vertretbar. Die beiden Verteidiger forderten jedoch eine Einstellung ohne Geldauflage. Man könne nicht argumentieren, einer der beiden müsse es wohl gewesen sein und die Geldstrafe bleibe sozusagen "in der Familie". Nach einem kurzen hin und her gab die Staatsanwaltschaft nach und die beiden Angeklagten konnten ohne Urteil und Auflage den Gerichtssaal verlassen.

© SZ vom 24.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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