Amtsgericht:Aufkleber vor Gericht

Prozess über gefälschte TÜV-Plaketten in Ebersberg

Fast überallhin auf sein Auto darf man Aufkleber kleben. Manch einer möchte allen anderen Verkehrsteilnehmern ja gerne zeigen, dass er im Urlaub mit der Fähre auf Korsika war oder dass sein Kind Mario heißt. Wie gesagt, fast überall, die Scheiben und die Blinker und Scheinwerfer sollten frei bleiben. Und dann gibt es noch so eine Stelle, bei der es brenzlig werden kann, wenn man sie überklebt: Die TÜV-Plakette, das verschwindend kleine und doch so wichtige Ding auf den Kennzeichen. Und ganz besonders blöd ist es, wenn man diese Plakette mit einer anderen Plakette überklebt. Denn das kann zu hohen Geldstrafen oder sogar zu einer Gefängnisstrafe führen.

Genau so könnte es für ein Betrüger-Pärchen kommen, das eine größere Anzahl gefälschter Plaketten an den Mann brachte. Die Staatsanwaltschaft wirft der 25-Jährigen aus dem nördlichen Landkreis vor, sie habe falsche Plaketten hergestellt und dann an Dritte weitergegeben. Ferner soll sie gemäß eines gemeinsamen Tatplanes mit ihrem Lebensgefährten ihr Auto umgemeldet haben, sodass die Fälschung an der Plakette nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar war. Dazu kommt noch, dass die beiden, nachdem die Polizei ihnen auf die Schliche gekommen war, bei der Dienststelle in Poing eine Falschaussage ablegten. Die Liste der angeklagten Tatbestände war so lang, dass die Rechtsreferendarin, die anstelle des verspäteten Staatsanwalts die Klageschrift verlas, sich mehrmals verhaspelte. Aufgekommen war dieser Fall der Urkundenfälschung, weil die Polizei bei einer Kontrolle Unstimmigkeiten zwischen den Angaben auf der TÜV-Plakette und dem Vermerk im Fahrzeugschein festgestellt hatte.

Wie so oft bei Gericht zog sich der Prozess deswegen sehr in die Länge, weil die Richterin, der Staatsanwalt und die beiden Verteidiger naturgemäß nicht viel über TÜV-Plaketten wussten. So mussten zwei Zeugen erst einmal viele Verständnisfragen klären. Ein geladener Mitarbeiter des TÜV Süd erklärte, dass es sogenannte TB-Stempel für die Prüfstellen und ÜO-Stempel für den Außendienst gebe. Wenn ein solcher Stempel kaputtgehe, würde er entsorgt, sobald ein neuer produziert worden sei und in der Prüfstelle einträfe. Zum Fundus eben dieses TÜV-Mitarbeiters habe der Originalstempel gehört, von dem die Angeklagte ein gefälschtes Duplikat erzeugt hatte. Die Abdrücke auf dem Nummernschild sind nach Angaben des TÜV Süd bei ÜO und TB identisch. Für diese Stempel gibt es spezielle Produktionsmaschinen in einer Münchner Firma, bei der die Angeklagte arbeitete. Über die Stanzmaschinen, die Gummis für die Stempel und alles andere, was für die Produktion von Plakettenstempeln nötig ist, gab der Firmenchef bereitwillig Auskunft.

Bei einer Durchsuchung ihres Arbeitsplatzes und der Wohnung des angeklagten Pärchens konnten der betreffende Stempel sowie einige weitere, noch nicht aufgeklebte Plaketten sichergestellt werden. Bei dem Stempel handelte es sich nicht etwa um ein vom TÜV aussortiertes altes Exemplar, sondern wirklich um eine Fälschung. Das sei daran erkennbar gewesen, dass es sich um ein "Classic"-Exemplar gehandelt habe, so der Firmenchef, wohingegen der TÜV ausschließlich Stempel der Produktionsklasse "Light" bestelle. Zudem fand die Polizei auf dem privaten Rechner und auf dem Firmen-PC der Angeklagten die Spuren von Suchverläufen im Internet, die den Verdacht auf Urkundenfälschung erhärteten. Sie hatte recherchiert, wie man TÜV-Plaketten erfolgreich reproduziert.

Weil die Prozessbeteiligten diese und noch weitere Wissenslücken auch anhand ausführlicher Bildbetrachtungen und Aktenverlesungen füllen mussten, dauerte die Verhandlung insgesamt so lange, dass ein zweiter Termin anberaumt werden musste. Endgültig klären konnte das Gericht am ersten Prozesstag nur, dass die Frau die Plaketten produziert hatte und nicht ihr Lebensgefährte, wie der zuvor angegeben hatte. Nach Aussage des Firmenchefs sei es für ihn nämlich unmöglich gewesen, ohne Akkreditierung in das Gebäude zu gelangen und zu drucken.

Auf den Ausgang des Prozesses kann man gespannt sein. Der Prozess wird am heutigen Mittwoch, 12. Oktober, um 09.15 in Saal 1 des Amtsgerichts Ebersberg fortgesetzt.

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