Am Rätschenbach 12:Eine Fundgrube für Archäologen

Scherben, Münzen und Knochen geben Hinweise auf die Erdinger Stadtgeschichte

Von Sebastian Fischer, Erding

Die Geschichte der Stadt Erding ist im Erdgeschoss gestapelt, in roten und grauen Plastikkisten. Marc Miltz nimmt eine Keramikscherbe zur Hand, streicht über ihre Rundungen und erklärt, was sie bedeuten: dass dies die Scherbe eines Gefäßes aus dem 13. Jahrhundert ist. Laut Miltz, der die Ausgrabungen im Haus Am Rätschenbach 12 in den vergangenen Wochen geleitet hat, gehören die Scherben zu den wichtigsten seiner Funde. Der Erdinger Museumsleiter Harald Krause hat am Mittwoch bei der Begehung der Baustelle die historische Dimension der Scherben noch einmal verdeutlicht. Aus der Zeit um die Stadtgründung 1228 gebe es kaum Schriftquellen, sagte er: "Da hat die Stadtgeschichte ein Loch."

Archäologische Funde

Nichts verzögert, aber neue Erkenntnisse gewonnen: Harald Krause, Leiter des Stadtmuseums, ist zufrieden mit den Ausgrabungen am Rätschenbach.

(Foto: Renate Schmidt)

Dass überhaupt gebaut wird Am Rätschenbach 12, ist für sich schon beinahe historisches Ereignis. Bis 2007 war das denkmalgeschützte Haus mit seinem charakteristischen Erker in der ältesten Straße Erdings bewohnt, danach wurde die Sanierung immer wieder geplant. "Barockjuwel" tauften die Stadträte das Gebäude aus dem 17. Jahrhundert. Doch dessen Nutzung war lange umstritten. Nun sind für die Sanierung 1,8 Millionen Euro genehmigt. Der Stadtrat diskutiert unter anderem, ob dort ein Kulturbürgerhaus entstehen soll. Laut Architekt Udo Rieger sollen noch im Spätherbst dieses Jahres neue Bodenplatten aus Stahlbeton eingebaut werden, um die rissige Fassade neu zu stützen.

Archäologische Funde

Funde wie die Münzen von 1532 (unten) und 1623 (oben) wandern ins Museum.

(Foto: Renate Schmidt)

Vor vier Wochen haben die 60 Zentimeter tiefen Ausgrabungen begonnen, in dieser Woche werden noch die Daten aufgenommen, dann sind sie abgeschlossen. Krause klingt stolz, wenn er davon erzählt: Bis zu fünf ehrenamtliche Helfer des Archäologischen Arbeitskreises am Museum und des Archäologischen Vereins Erding unterstützten täglich die Grabungsfirma. "Vorbildlich", sei das abgelaufen: "Die Archäologen haben nichts verzögert."

Dafür haben sie viele Indizien für die Erschließung der Stadtgeschichte gesammelt. So fanden die Forscher die Keramikscherben in einer Erdschicht, in der sie auch auf Überreste eines Ofens stießen. Dies weist daraufhin, dass das Grundstück in seiner ersten von insgesamt drei Nutzungsphasen ein Handwerker-Areal war. Zunächst wurde mit Lehm und Holz gebaut, auf trockenem Grund - was einmal mehr zeige, wie sich die Stadt in ihre natürliche Umgebung zwischen Sempt und Fehlbach eingepasst hat, erklärte Krause. Die erste Außenwand aus Ziegelstein entstand um das Jahr 1500, sie wurde im Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648 zerstört. Dass die nächste Ziegelmauer wie vermutet nach dem Krieg im 17. Jahrhundert gebaut wurde, bestätigte der Fund einer Münze: ein Silberkreuzer, 1623 geprägt. Beim Stadtbrand 1680 brannte das Haus danach nur zur Hälfte ab.

Die Funde sind zumeist Abfälle, doch gerade das macht sie für die Forschung so interessant. Auch die Überreste von Tierknochen fanden die Archäologen. Mithilfe der Keramikfunde in denselben Planierschichten können Aussagen über die Essgewohnheiten der Erdinger im Mittelalter gemacht werden. Genug für eine Doktorarbeit, sagt Krause: Eine Arbeit, die das Loch in Erdings früher Geschichte schließen helfen könnte.

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