Kloster Algasing:Vor ungewisser Zukunft

Der Brüderschwund macht Algasing zu schaffen. Mit der Klosternacht will Frater Bernhard jungen Menschen die Arbeit in den Einrichtungen und das mönchische Leben zeigen.

Von Jan-Hendrik Maier, Algasing

Kloster Algasing: Der Haupteingang des Klosters mit der Kirche

Der Haupteingang des Klosters mit der Kirche

(Foto: Renate Schmidt)

Wer Dorfen in nordöstlicher Richtung verlässt, passiert nach etwa sechs Kilometern auf der linken Seite ein Hinweisschild: "Algasing". Folgt man der Abzweigung, eröffnet sich der Blick auf eine Klosterkirche der Barmherzigen Brüder. Auf der rechten Seite des mit Gras bewachsenen Vorplatzes ist ein Wohn- und Pflegeheim angeschlossen, links der Laden der hauseigenen Werkstatt. Im Seitenflügel des Haupthauses, hinter einer unscheinbaren Glastür mit Metallrahmen, beginnt der Konvent. Drei Ordensbrüder haben in diesen der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Räumen ihren Altersruhesitz gefunden: Prior Bernhard Binder, Frater Meinrad Ebner und Frater Timotheus Rohrmoser. Sie alle sind jenseits der 70 und stehen den 232 Menschen, die in Algasing leben, als Ansprechpartner in Alltagsfragen zur Seite. Die Bewohner werden von etwa 270 Mitarbeitern betreut.

Die Bäume blühen, der Duft von Frühling liegt in der Luft. Die Gebäude der insgesamt 22 Wohngruppen formieren sich zu einem kleinen Dorf. Es gibt einen Teich mit vier Fontänen und eine Terrasse sowie einen Maibaum. Jedes Haus hat eine Grünfläche. Im hinteren Teil des Geländes befindet sich eine Sportanlage mit Fußballplatz, Tischtennisplatte und einem überdimensionalen Feld für "Mensch ärgere dich nicht". Am Samstag, 13. Juni, richten die Algasinger ein Fußballturnier aus. Ehrengast ist der ehemalige Profi der Münchener Löwen und des Hamburger SV, Jimmy Hartwig. Einige Schritte entfernt liegt das hauseigene Hallenbad. Jeden Dienstag nutzt es der Kindergarten aus dem benachbarten Eibach. Die Jungen und Mädchen treffen sich regelmäßig mit den Bewohnern. "So lernen sie von klein auf den natürlichen Umgang mit behinderten Menschen", sagt die Algasinger Pressesprecherin Susanne Eder. Ferner gibt es eine Förderstätte mit 30 Plätzen für Menschen mit geistiger Behinderung.

Auch Flüchtlinger aus Eritrea arbeiten mit

Wer kann, geht einem geregeltem Tagesablauf nach und arbeitet in der Behindertenwerkstatt. 120 Bewohner montieren Fußbodenheizungen, verpacken Fensterbretter und Kosmetika oder weben Teppiche, die im Werkstattladen verkauft werden. Als Einrichtung der Barmherzigen Brüder ist Algasing der Hospitalität verpflichtet - "christliche Gastfreundschaft und die bedingungslose Zuwendung an Hilfesuchende", erklärt Frater Bernhard. Seit dem 26. März verrichten daher zwölf Flüchtlinge aus Eritrea gemeinnützige Arbeit in der Werkstatt und helfen bei der Parkpflege mit. "Mein Eindruck ist, dass die Bewohner sehr stolz sind, den Flüchtlingen ihr Zuhause zu zeigen und mit der Sprache helfen zu können", sagt Eder.

Frater Bernhard nimmt als Ordensvertreter im Direktorium Einfluss auf die Einrichtung und organisiert mit dem indischen Pater Augustine Annikkattu die Seelsorge. Frater Meinrad, der Mesner, und Frater Timotheus gestalten die Liturgie, schaffen ein spirituelles Flair.

Mit der Klosternacht am Samstag will Frater Bernhard jungen Menschen die Arbeit in den Einrichtungen und das mönchische Leben zeigen. Die Hilfe für Kranke und Behinderte ist Teil des Grundverständnisses der Brüder. In der Praxis wird während des Noviziats ein Sozialberuf erlernt. Nur wenige Fratres sind Theologen und in der Bayerischen Ordensprovinz gibt es lediglich zwei geweihte Priester. "Den Wert der Hospitalität sollten auch die weltlichen Mitarbeiter teilen", sagt Frater Bernhard. Mehr als 8000 der weltweit 50 000 Beschäftigten arbeiten hier in der Provinz. Die Tendenz ist steigend.

In Bayern gibt es 27 Fratres

Die geistliche Zukunft in Algasing ist hingegen ungewiss. "Wir sind froh, einen Konvent vor Ort zu haben, denn der Brüderschwund ist Fakt", sagt Eder. Derzeit gibt es in der bayerischen Provinz noch 27 Fratres, insgesamt sind es 1099. "Der Nachwuchs ist nicht ausreichend, aber glücklicherweise entscheiden sich einige Männer für das Leben im Orden. Das ist besser als nichts", sagt Frater Karl Wiench aus München. Ein Heilerziehungspfleger lebt derzeit für sechs Monate als Postulant mit der Gemeinschaft in Bayern. Entschließt er sich zu bleiben, folgt das Noviziat. In etwa zehn Jahren würde er sich an die Ordensprovinz, nicht aber an ein bestimmtes Kloster, binden. Nach Angaben des Generalsekretariats in Rom zählte der Orden im vergangenen Jahr 44 Novizen im Durchschnittsalter von 29 Jahren. Für Frater Bernhard, der als Novizenmeister in Graz diente, ist materieller Wohlstand - nach dem Fall des Eisernen Vorhangs - ein möglicher Grund für die geringen Nachwuchszahlen. "Es gibt keinen pauschalen Grund für den Weg ins Kloster", sagt Frater Karl. Wer sich für das zölibatäre Leben entscheide, wolle "überspitzt gesagt" frei von Familie und individuellem Besitz sein, um Gott und dem Nächsten zu dienen. "Hinzu kommen persönliche Umstände und die Überzeugung, Gott möchte dich im Kloster sehen. Es braucht den Willen, seine Zeit dem Gebet zu widmen. Dieses Lebensverständnis ist nicht für jeden gemacht", sagt Frater Bernhard.

Die Barmherzigen Brüder leben gemäß der Benediktinerregel "Ora et labora". Die Algasinger Kommunität legt zusätzlich alle vier Jahre eine Lebensordnung fest. Darin heißt es: "Wir achten auf ein ausgewogenes Maß an Gebet, Arbeit und Erholung." Der Tagesablauf folgt im gesamten Orden einem regelmäßigen Muster: Morgens, mittags und abends wird gemeinsam gebetet und gegessen. Dazwischen arbeiten die Brüder entweder in den Einrichtungen, zum Beispiel als Krankenpfleger oder an administrativer Stelle im Orden. Der Tag endet mit der Feier einer Messe.

Bleibt da Zeit für persönlichen Freiraum? "Ja", sagt Frater Bernhard. Jeder Bruder sei aufgerufen, täglich eine stille Stunde in Gebet und Meditation zu verbringen. Er selbst geht jeden Morgen schwimmen.

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