Abschied der Bundeswehr aus Erding:Wehmut auf allen Seiten

Das symbolische Ende des Standortes: Zwei Abordnungen der noch am Fliegerhorst stationierten Einheiten marschieren nach einem Appell durch den Schönen Turm. Bis alle Militärs Erding verlassen haben, wird es aber noch dauern

Von Antonia Steiger, Erding

Wer jahrzehntelang in der Einflugschneise des Fliegerhorstes gewohnt hat, steht dem Bundeswehrstandort Erding kritisch gegenüber. Wie wohl auch diejenigen, die vor vielen Jahren gegen die Stationierung der Tornados demonstriert haben. Doch sie repräsentieren nicht die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit: Viele Erdinger beobachten den Abzug der Bundeswehr mit Wehmut. Am Samstagabend säumten Hunderte den Schrannenplatz während eines militärischen Appells, der dem 60. Jahrestag der Übergabe des Fliegerhorstes aus den Händen der Amerikaner an die Bundeswehr gewidmet war. Er war auch eine Abschiedszeremonie. Von Anfang 2018 an wird es Zug um Zug leerer auf dem Militärgelände. 2021 sollen die letzten Einheiten abgezogen sein.

Die Soldaten gehören zu Erding.

Erding als Garnisonsstadt - damit setzten sich am Samstag mehrere Redner auseinander: OB Max Gotz (CSU) und Fliegerhorstkommandeur Stefan Schmid-Schickhardt beim Empfang in der Stadthalle, Generalmajor Lutz Kohlhaus und Staatsminister Marcel Huber (CSU) beim Appell. Alle betonten, wie gut die Integration der Soldaten im Leben der Kleinstadt gelungen sei, wie sehr sich die Bundeswehrangehörigen und die zivilen Mitarbeitern hier wohl gefühlt hätten - und auch welch großen Beitrag sie geleistet hätten für ein gut funktionierendes Miteinander. In Erding wirkten sie in Politik, Sport und Gesellschaft. Die Soldaten gehörten zum Stadtbild, sie engagierten sich in Vereinen. Und vor allem leisteten und leisten sie einen sozialen Beitrag mit der einzigartigen "Aktion Erbse" in der Vorweihnachtszeit, bei der seit Jahren regelmäßig mehr als 50 000 Euro für soziale Zwecke zusammenkommen.

Keine kritischen Worte hörte man von den Redner über die Bundeswehrreform. Den Soldaten jedoch, die am Samstag bei der Ausstellung auf dem Schrannenplatz den Besuchern die Feinheiten eines Schleudersitzes erklärten oder im Frauenkircherl mit Kennern über Luftbildaufnahmen fachsimpelten, entfuhren hin und wieder einige Worte, die ihre Unzufriedenheit über die personelle und materielle Ausrüstung erkennen ließen. Der Schrannenplatz wurde am Samstag zu einem großen Treffpunkt, auch für ehemalige Angehörige des Fliegerhorstes. Man fotografierte den Starfighter, man fotografierte vor allem sich selbst vor dem Starfighter.

Die Luftwaffe ist am stärksten gefordert.

Ganze Ehemaligenrunden fanden sich in Erding ein, um von alten Zeiten zu schwärmen. Dass die Reform der Bundeswehr und die Straffung ihrer Kapazitäten, Kompetenzen und Strukturen unausweichlich waren, das betonte Generalmajor Kohlhaus am Abend am Schrannenplatz bei seiner Rede vor den Soldaten, die zum militärischen Appell angetreten waren. Er sagte aber auch, dass die Bemühungen und Investitionen wieder verstärkt werden müssten, um die Bundeswehr und vor allem die Luftwaffe als diejenige Teilstreitmacht, die in der unsicheren Weltlage am stärksten gefordert sei, für die wachsenden Herausforderungen fit zu machen.

So wie die Soldaten und zivilen Angehörigen zum Leben in der Garnisonsstadt Erding dazugehört haben - und noch dazugehören -, so sei die Arbeit am Fliegerhorst bei der Instandsetzung aller Arten von Luftfahrtzeugen auch ein unverzichtbarer Beitrag gewesen für die Arbeit der Bundeswehr und damit für ein Leben in Demokratie, Frieden und Freiheit, sagte Marcel Huber. "Auf die in Erding" sei stets Verlass gewesen, darin sei man sich bei Luftwaffe und Marine immer einig gewesen, sagte Schmid-Schickhardt beim Empfang in der Stadthalle. Man werde die Tradition in Manching fortsetzen und nicht vergessen, dass die Wurzeln für diese Arbeit in Erding gelegt worden seien.

Eine glanzvolle Geschichte

Mit mehr als 5000 Soldaten hatte der Fliegerhorst Erding zu den großen Standorten Deutschlands gehört. Zeitweise wurden Tornado-Piloten in Erding ausgebildet, bis heute werden Teile des Tornados in Erding instandgesetzt, früher galt dies auch für den Starfighter F 140 und seine Komponenten. Aber auch die Logistische Fachschule, das Flugabwehrraketenkommando 5 und das immer noch in Erding angesiedelte Materialdepot, das Ende 2018 aufgelöst wird, prägten die Geschichte des Fliegerhorstes. An die gegenseitige Wertschätzung, die die Erdinger Bürger und die Soldaten - "die Bürger in Uniform" - , verbinde, erinnerte Max Gotz. Es gebe viele Familien, in denen ein Angehöriger am Fliegerhorst gearbeitet habe, dem damals größten Arbeitgeber in der Region: als Pilot, in der Lackiererei oder in der Standortverwaltung. Aus dieser Verbundenheit heraus äußerte er einen Wunsch: dass der Starfighter, der am Eingang des Fliegerhorstes steht, in Erding bleiben darf. Das sei ja eigentlich "nahezu unmöglich", sagte Gotz. "Aber vielleicht geht es ja doch."

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