Es soll um typische Kommunalthemen wie Abwasser oder Müll gehen, um Gesundheit, Bildung und berufliche Qualifikation: München will der türkischen Stadt Mardin, die nur 20 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt ist, bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise helfen. Am Mittwoch führte eine Delegation aus der heillos überfüllten Stadt, die im Südwesten der Türkei und somit im Kurdengebiet liegt, erste Gespräche mit den Münchner Fachreferaten.
Es gehe zunächst um eine Bedarfsanalyse, erklärte Bürgermeister Josef Schmid (CSU). "Wir sind dabei, eine Partnerschaft mit der Region Mardin zu begründen." Politisch könnte das durchaus heikel werden: Leman Kiraz, die Generalsekretärin der Großverwaltung Mardin, sparte nicht mit Kritik an der Politik der türkischen Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan, die viele Bemühungen der Kommune konterkariere. "Die Türkei will Europa mit Flüchtlingen bedrohen", betonte sie am Dienstag in der Grütznerstube des Rathauses. Politik machen also, was nicht unbedingt für ein Interesse an einer echten Lösung spreche. Eigentlich hatte die Mardiner Oberbürgermeisterin Akyol Akay die Delegation anführen wollen. Sie habe jedoch wegen der Ausrufung des Ausnahmezustands in ihrer Region nicht kommen können, bedauerte Schmid.
Mit seinem Engagement ist München die erste deutsche Stadt, die an einem neuen Projekt des Bundesentwicklungshilfeministeriums teilnimmt: Unterstützung von Kommunen im Ausland, die viele Flüchtlinge aufgenommen haben - durch deutsche Kommunen mit entsprechendem Know-how und Geld. "München leuchtet bei der Aufnahme von Flüchtlingen", schwärmte Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) mit Verweis auf das bisher Geleistete. Jetzt gehe die Stadt erneut voran, um bei der Bewältigung der größten humanitären Herausforderung seit Jahrzehnten zu helfen. Die Zeit sei reif für Entwicklungspartnerschaften, deutsche Kommunen müssten weg von der reinen "Rotweinpartnerschaft mit Frankreich" (wie sie München mit Bordeaux unterhält). Müller hofft insbesondere auf Zusammenarbeit im Bereich Schulen und Krankenhäuser - und auf die Wirtschaft, die sich in puncto Ausbildung engagieren könne.
Die Stadt Mardin hat circa 140 000 Einwohner, der Großraum erreicht 800 000. Dazu kommen 200 000 Flüchtlinge aus Syrien und noch einmal 200 000 Binnenflüchtlinge, vor allem Kurden. Flüchtlinge ist man gewohnt in Mardin, seit Jahrzehnten schon, berichtet Kiraz. Aber die Möglichkeiten seien nun einmal begrenzt - zumal in einer Zeit, in der die Regierung in Ankara Kontrolleure in verdächtige Kommunen schicke. Es gebe gleich mehrere akute Probleme: den Syrien-Konflikt, den Islamischen Staat, der Konflikt zwischen Türken und Kurden sowie die politische Situation nach dem Putsch gegen Erdoğan. Die Rückkehr von Kurden in ihre ursprüngliche Heimat sei oftmals gar nicht erwünscht. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer dankte Kiraz für ihre Offenheit und ihren "außerordentlichen Mut". Bei der Partnerschaft mit Mardin gehe es nicht um eine Taktik, Flüchtlinge von Europa fernzuhalten, sondern um "echte kreative Hilfe", damit Flüchtlinge in der Nähe ihrer Heimat bleiben können.
Schmid, der als Wirtschaftsreferent für internationale Zusammenarbeit zuständig ist, will die Bekämpfung von Fluchtursachen zum Schwerpunkt der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit machen. Im Dezember nehme eine Koordinierungsstelle die Arbeit auf. Wir groß das Engagement in Mardin tatsächlich ausfällt, hänge vom Bedarf ab - auf jeden Fall solle der Bund mit Fördergeldern beitragen. Ein weiteres Projekt gibt es in der tunesischen Stadt Kasserine, wo München Bürgerbeteiligung und damit die Demokratisierung vorantreiben will.