Entschädigung von Stadtsparkasse:Vorschnell aussortiert

16.000 Euro Entschädigung - das muss die Stadtsparkasse einem Schwerbehinderten zahlen, der wegen seiner Behinderung als Bewerber ausgeschlossen wurde.

Astrid Becker

Die Stadtsparkasse gilt gemeinhin als sehr sozial engagiert. Sie unterstützt mit ihren Stiftungen kulturelle Projekte ebenso wie bedürftige und benachteiligte Menschen. Doch der Fall eines 37-jährigen Schwerbehinderten lässt die Bank nun in einem weniger sozialen Licht erscheinen.

Entschädigung von Stadtsparkasse: Wegen seiner Behinderung sei er bei der Münchner Stadtsparkasse vom Bewerbungsverfahren ausgeschlossen worden, klagt ein Mann an.

Wegen seiner Behinderung sei er bei der Münchner Stadtsparkasse vom Bewerbungsverfahren ausgeschlossen worden, klagt ein Mann an.

(Foto: Foto: dpa)

Der Mann hatte sich bei der Stadtsparkasse als Bankkaufmann beworben, war aber trotz entsprechender Ausbildung, langjähriger Berufserfahrung und guter Arbeitszeugnisse nicht als möglicher Kandidat für die Stelle zugelassen worden. Er zog daraufhin vor das Arbeitsgericht, das die "Bank der Stadt" nun dazu verurteilte, dem Münchner Schadensersatz und eine Entschädigung zu zahlen.

Trotz sehr guter Qualifikationen ausgeschlossen

Thomas S. (Name geändert) hatte von 1995 an bei der Dresdner Bank gelernt und nach seiner dreijährigen Ausbildung dort weitere neun Jahre unter anderem als Finanzberater gearbeitet. 2001 erkrankte S., der bereits 1994 am Herzen operiert werden musste und unter erheblichen Rückenproblemen litt, zudem noch an "Akne inversa", einer chronischen Hauterkrankung, die bei ihm vor allem unter den Achseln und im Leistenbereich auftritt und über die Jahre hinweg immer größere Schmerzen verursacht. Die bislang relativ unerforschte Krankheit gilt unter Ärzten als nicht sichtbare Behinderung - weshalb Thomas S. vor vier Jahren eine Schwerbehinderung mit einem Grad von 50 Prozent bescheinigt wurde.

Seinen Beruf übte er trotz seiner Krankheit weiter aus - in einer Zeit, in der sein Arbeitgeber von der Allianz übernommen wurde und in den Folgejahren mit erheblichem Personalabbau von sich reden machte. Auch im Juni 2006 kündigte die Bank einen weiteren Stellenabbau an. Das Institut bot seinen Mitarbeitern Abfindungen an, Thomas S. akzeptierte und erfüllte sich Ende 2007 einen Traum: "Ich wollte mich immer mit einer Künstler- und Konzertagentur selbständig machen - und die Abfindung verschaffte mir das dafür nötige Kapital."

"Leider können wir Ihre Bewerbung nicht berücksichtigen"

Ein Jahr später war der Traum jedoch wieder vorbei, und Thomas S. beschloss, in seinen alten Beruf zurückzukehren. Er schickte Ende 2008 drei Bewerbungen los: eine Initiativbewerbung an die Kreissparkasse München-Starnberg, eine Bewerbung auf eine freie Stelle bei der Raiffeisenbank München-Nord sowie eine an die Stadtsparkasse, die zu dieser Zeit gleich eine Reihe offener Stellen in verschiedenen Bereichen angeboten hatte.

Innerhalb weniger Tage bekam er kurz und knapp gehaltene Absagen: "Leider können wir Ihre Bewerbung nicht berücksichtigen." Thomas S. hatte in seinen Anschreiben auf seine Schwerbehinderung hingewiesen: "Ich wäre rechtlich dazu nicht verpflichtet gewesen, aber ich hätte es unfair gefunden, das zu verheimlichen und erst dann, wenn ich die Stelle habe, darauf hinzuweisen."

Dass die Absagen so postwendend bei ihm eintrafen, konnte sich Thomas S. nur mit seiner Behinderung erklären. Er schaltete den Arbeitsrechtler Fritz Maier von der Münchner Kanzlei Maier, Steinberg und Pfülb ein. Auch der sah in dem Vorgehen der drei Banken einen klaren "Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung eines Schwerbehinderten", wie es im Juristendeutsch heißt. Thomas S. verklagte daraufhin alle drei Institute.

Nach dem Gleichbehandlungsgesetz reichen dafür bereits Indizien aus, die auf eine Benachteiligung schließen lassen. Die Beweise, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen vorliegt, muss die beklagte Partei erbringen. Der Raiffeisenbank gelang dies: Sie hatte die Stelle am Abend vor Eingang der Bewerbung von Thomas S. vergeben. Mit der Kreissparkasse einigte sich der Münchner auf einen Vergleich.

Auch nach dem Urteil keine Einsicht bei den Banken

Die Stadtsparkasse hingegen verwahrte sich gegen den Vorwurf der Diskriminierung. Ihre Anwälte von der Kanzlei SKW Schwarz lehnten eine gütliche Einigung und einen außergerichtlichen Vergleich ab. Deshalb kam es nun zum Urteilsspruch. Anwalt Maier hatte argumentiert, die Stadtsparkasse habe ganz offensichtlich negativ auf die Schwerbehinderung von Thomas S. reagiert.

Er wirft der Bank vor, sie habe nicht, wie bei Bewerbungen von Behinderten vorgeschrieben, den Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung des Unternehmens ausreichend angehört beziehungsweise habe sie sich geweigert, die Mitwirkung dieser Gremien offenzulegen. Außerdem hätte die Stadtsparkasse nach Auffassung von Rechtsanwalt Maier Thomas S. zum Vorstellungsgespräch einladen müssen.

Der Gesetzgeber schreibe öffentlichen Arbeitgebern vor - und als solche sei die Stadtsparkasse zu verstehen -, dass eine Einladung von schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch nur entbehrlich sei, "wenn die fachliche Eignung fehlt", so Maiers Argumentation.

Diese fachliche Eignung sieht die Stadtsparkasse bei Thomas S. trotz seiner Ausbildung und seiner langjährigen Beschäftigung bei der Dresdner Bank jedoch nicht als gegeben. Der Bewerber sei nicht berücksichtigt worden, weil ihm die Qualifikation für die ausgeschriebene Stelle des Bankkaufmanns fehle, heißt es in der Klageerwiderung. Die Ausschreibung habe sich an Bewerber gerichtet, "die begeisterungsfähig und akquisitionsstark und befähigt sind, aktiv auf Kunden zuzugehen".

Nicht akquisitionsstark

Weil sich Thomas S. bei der Dresdner Bank auf eigenen Wunsch von der Position des Finanzberaters in das Backoffice versetzen habe lassen, "musste die Beklagte zwingend davon ausgehen, dass der Kläger entgegen den geforderten Qualifikationsvoraussetzungen nicht akquisitionsstark und darüber hinaus nicht befähigt ist, aktiv auf Kunden zuzugehen".

Zudem könne er keine kontinuierliche Beschäftigung in der Bankwirtschaft nachweisen - so habe er sich zuletzt mit einer Künstler- und Konzertagentur selbständig gemacht. Die Schwerbehindertenvertretung der Bank sei im Übrigen zum Zeitpunkt der Entscheidung "urlaubsbedingt und dienstreisebedingt abwesend" gewesen.

Diese Argumentation konnte das Arbeitsgericht nicht überzeugen. Es verurteilte die Stadtsparkasse dazu, Thomas S. 6364,99 Euro Schadensersatz sowie 10.500 Euro Entschädigung zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die Bank selbst sieht dennoch weiterhin keine Benachteiligung von Thomas S. Weil bislang weder das Urteil noch dessen Begründung in schriftlicher Form vorliegen, lehnt die Stadtsparkasse vorerst weitere Stellungnahmen zu dem Fall ab.

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