Englschalking:Neue Wohnanlage verschwindet hinter zwölf Meter hoher Lärmschutzwand aus Beton

Englschalking: Die zwölf Meter hohe Betonwand stört die freie Sicht.

Die zwölf Meter hohe Betonwand stört die freie Sicht.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • An der Ecke Brodersen-/Barlowstraße entsteht eine neue Wohnanlage. Eine transparente Mauer sollte den Lärm von der nahen S-Bahn-Strecke abschirmen.
  • Nun gibt es Ärger deswegen: Die zwölf Meter hohe Wand ist großteils aus Beton gebaut.
  • Lokalpolitiker fordern nun den Abriss.

Von Ulrike Steinbacher, Englschalking

Bei der Wohnanlage, die derzeit an der Ecke Brodersen- und Barlowstraße errichtet wird, hat es mit so ziemlich jedem Aspekt Ärger gegeben - mit der Lage, der Größe, der Höhe und dem zusätzlichen Verkehr. Vollkommen unstrittig war aber, dass die Lärmschutzwand hin zum S-Bahnhof aus transparentem Material errichtet wird. Das hatten die Bürger vehement gefordert, und die Stadtverwaltung hatte einen entsprechenden Passus in den Bebauungsplan geschrieben. Schließlich ist es niemandem zuzumuten, auf eine zwölf Meter hohe solide Mauer zu blicken.

Genau das aber werden die Englschalkinger künftig tun, denn: Die Lärmschutzwand besteht größtenteils aus Beton, in den lediglich transparente Elemente eingearbeitet werden - "Schießscharten" sagte Xaver Finkenzeller (CSU) im Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen. Das Gremium forderte auf Antrag der CSU einstimmig den sofortigen Abriss.

"Gigantismus hoch drei" hatte ein Nachbar aus der Einfamilienhaus-Siedlung an der Barlowstraße schon geschimpft, als das Planungsreferat das Projekt 2013 bei einer BA-Sondersitzung vorstellte. Wo früher eine Autowerkstatt mit großen Hallen lag, entstehen derzeit vier L-förmige Gebäude, die sich um Wohnhöfe gruppieren. Die Häuser - zum Teil drei, zum Teil vier Stockwerke plus zurückgesetztes Terrassengeschoss - werden bis zu 16 Meter hoch. 30 der 140 Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen werden im geförderten Wohnungsbau errichtet. Im südlichen Block sind Büros und Läden vorgesehen.

Eine gut zwölf Meter hohe Lärmschutzwand schirmt die Wohnanlage von der direkt angrenzenden Bahntrasse ab. Dort verkehrt nicht nur die Flughafen-S-Bahn, dort rattert auch der gesamte Güterverkehr zwischen Mühldorf oder Rosenheim und dem Rangierbahnhof entlang. Die Wand sollte zwar die Ohren schützen, den Augen aber den freien Blick in die Landschaft nicht verstellen, forderten die Nachbarn nachdrücklich. Laut CSU-Antrag ist im Bebauungsplan auch tatsächlich von "transparenter Ausführung der Lärmschutzwand" die Rede.

In Wirklichkeit aber entsteht neben dem Grünstreifen am westlichen S-Bahnsteig jetzt eine solide Betonmauer mit schmalen Aussparungen. Frank Otto (SPD) wies darauf hin, dass der Transparenz-Passus im Lauf des Verfahrens aus dem Bebauungsplan-Text verschwunden sei. In der endgültigen Fassung sei er nicht mehr enthalten: "Daher konnte der Bauherr was anderes machen."

Im Bezirksausschuss war die Empörung groß. Zusätzlich zum Abriss forderten die Mitglieder Aufklärung über die Veränderung des Textes, Vertreter der Stadt sollen dazu bei einem Ortstermin Rede und Antwort stehen. "Wie geht man eigentlich mit dem Bürgerwillen um?", fragte Xaver Finkenzeller. Man könne nicht dauernd Versprechungen machen und sie dann "klammheimlich" brechen. Petra Cockrell (CSU) war entsetzt über den Mangel an Qualität in der Stadtplanung: "Das muss doch jemandem auffallen." Den Blick auf die Betonwand würden vermutlich vor allem die Bewohner ertragen müssen, die die geförderten Apartments beziehen. "Da kann ich nur sagen, toll gemacht, liebe Stadt", so Petra Cockrell.

Die Bezirksausschussvorsitzende Angelika Pilz-Strasser (Grüne) sprach von einer "Monstrosität" und kritisierte, dass weder der BA noch die Anwohner informiert worden seien. Robert Brannekämper (CSU) wies darauf hin, dass die Wand überflüssig werde, sobald die Bahntrasse in einen Tunnel verlegt und die Oberfläche begrünt wird. "Dann sitzen die Leute da im Park neben dieser entsetzlichen Mauer", warf Pilz-Strasser ein. Den Tunnel sieht der BA übrigens als Voraussetzung für die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM), also den geplanten Bau des neuen Viertels für 30 000 Bewohner östlich der Gleise. Mit Blick darauf ist Xaver Finkenzeller schon heute himmelangst: "Was verspricht man uns da alles, und was wird da gebrochen."

Englschalking: Der Ausblick wird den Menschen im Neubaugebiet versperrt.

Der Ausblick wird den Menschen im Neubaugebiet versperrt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
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