Energieversorgung:Stadtwerke planen Gaskraftwerk in Unterföhring

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Weil das Kraftwerk München Nord auch Steinkohle verfeuert, will ein Bürgerbegehren erreichen, dass der entsprechende Block bald abgeschaltet wird.

(Foto: Imago)
  • Die Grünen ändern ihre bisherige Position und wollen sich dem Bürgerbegehren "Raus aus der Steinkohle" anschließen, das für Herbst geplant ist und eine Abschaltung des Kohlekraftwerks in Unterföhring zum Ziel hat.
  • Die Wende herbeigeführt haben die Stadtwerke, indem sie kürzlich ins Spiel brachten, in Unterföhring ein Gaskraftwerk zu bauen.
  • Allerdings sind bei der Planung eines neuen Kraftwerks noch einige Probleme zu lösen.

Von Heiner Effern

Die Stadtwerke München (SWM) prüfen, in Unterföhring ein neues Gaskraftwerk zu bauen. Dieses könnte nach Informationen der Süddeutschen Zeitung den Steinkohleblock im Heizkraftwerk Nord am gleichen Standort ersetzen, falls der Bürgerentscheid "Raus aus der Steinkohle" im Herbst eine Mehrheit findet.

Die Chancen dafür werden sich diese Woche deutlich erhöhen: Die Grünen werden sich nach eigenen Aussagen der Forderung anschließen, den Steinkohleblock bis zum 31. Dezember 2022 abzuschalten. Das würde die Schlagkraft des Bündnisses in den Wochen vor der Abstimmung massiv erhöhen.

Bisher lehnten die Grünen die Initiative "Raus aus der Steinkohle" ab, sie sahen keine vernünftigen Alternativen für den Strom und die Wärme, die im Steinkohleblock erzeugt werden. Die Idee des von der ÖDP angeführten Anti-Steinkohle-Bündnisses, die Lücke schnell mit Geothermie und Heizwerken zu schließen, finden sie nach wie vor ökologisch und ökonomisch unrealistisch.

Doch ausgerechnet die Stadtwerke selbst führten die Wende bei den Grünen herbei, indem sie bei einer Aufsichtsratsitzung Mitte Juli das Gaskraftwerk in Unterföhring ins Spiel brachten. "Das ist die ideale Lösung, das verändert die Lage total", sagt Grünen-Stadträtin Sabine Krieger.

Der Unterföhringer Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer bestätigt, dass es Gespräche mit den SWM gegeben hat. Die Pläne für ein Gaskraftwerk seien nicht neu, nun aber bei den Stadtwerken wieder aus der Schublade aufgetaucht. Sehr zur Freude Kemmelmeyers: "Alles, was den Status quo mit dem Steinkohleblock ändert, ist für uns positiv. Das Beste wäre, wenn der ganz weg wäre." Platz für ein Gaskraftwerk hätten die Stadtwerke in Unterföhring genug, sagt der Bürgermeister.

Die SWM bemühen sich, keine verfrühte Euphorie aufkommen zu lassen. Sie bestätigen zwar, dass ein neues Kraftwerk eine Option ist, wenn sie den Steinkohleblock abschalten müssen. Allerdings hat die erfolgte Prüfung offenbar ergeben, dass dieser Lösung massive Probleme entgegenstehen. Das Kraftwerk müsste fertig sein, wenn der alte Block vom Netz geht. Zudem rentiert sich ein Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk nur, wenn Zuschüsse vom Bund fließen.

Diese basieren auf dem Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung, das jedoch in absehbarer Zeit auslaufen wird. Ob seine Laufzeit möglicherweise verlängert wird, entscheidet sich nach der Bundestagswahl und ist natürlich abhängig davon, welche Parteien die Regierung bilden werden. Wollten die Stadtwerke diese Förderung erhalten, müsste das Gaskraftwerk bis 2022 am Netz sein. Das halten die SWM aber für schlicht "unrealistisch", wie sie mitteilen. Es sei unklar, ob der Bau eines neuen Kraftwerks "quasi auf der grünen Wiese" am Standort des Kraftwerks Nord überhaupt genehmigungsfähig sei.

Sollten sie eine Genehmigung bekommen, erwarten die SWM "großen Protest aus Unterföhring und angrenzenden Münchner Stadtvierteln". Darauf deuteten die Erfahrungen bei der Erneuerung der Gasturbinen im Heizkraftwerk Freimann hin. Im Gegensatz zum Unterföhringer Bürgermeister halten die Stadtwerke den Bau eines Gaskraftwerks für kaum vermittelbar. Zumindest könnten aber "Protest oder Klagen gegen das Vorhaben den Planungs- und Genehmigungsprozess" verzögern. Das nötige Verfahren würde sich ohnehin über mehrere Jahre hinziehen.

Ob die Stadtwerke die Option Gaskraftwerk auf eigene Initiative oder auf Wunsch des Aufsichtsrats geprüft haben, blieb am Dienstag offen. Dominik Krause, Fraktionsvize der Grünen, zeigte sich "verwundert, dass die SWM erst jetzt, nach jahrelanger Diskussion, den Vorschlag zum Bau eines Gaskraftwerks auf den Tisch legen". Mit der Präsentation der Idee im Aufsichtsrat haben die SWM jedenfalls eine Spirale in Gang gesetzt - und den Druck auf sich selbst erhöht, eine Lösung für das schnelle Abschalten des Steinkohleblocks zu finden. "Die Gründe, die gegen einen so frühen Ausstieg sprachen, sind gegenstandslos", sagt Stadträtin Krieger, die auch im Aufsichtsrat sitzt.

Das Gaskraftwerk könnte der Stadt auch noch über den Ausstieg aus der Steinkohle hinaus nützen, da man es perspektivisch auch mit erneuerbaren Energien betreiben könne. Die Grünen hoffen auf die Power-to-Gas-Technologie, bei der überschüssige Energie aus Wind oder Sonne in Methangas umgewandelt wird. Fallen Wind und Sonne aus, kann das Gas in einem Kraftwerk in Energie und Wärme umgewandelt werden.

Spannend wird nun, ob sich auch bisher ablehnende Verbände wie der Bund Naturschutz der Forderung nach einem schnellen Steinkohle-Ausstieg anschließen. Die Unterstützung der Grünen könnte für das Bürgerbegehren gerade zur rechten Zeit kommen: Etwa 30 Prozent der im Rathaus bereits eingereichten Unterschriften sollen ungültig sein, was keine ungewöhnliche Quote ist. Sollten schnell noch weitere nachgereicht werden müssen, könnte grüner Rückenwind nicht schaden.

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