Elektromobilität:Mit dem Strom fahren

Die Stadt will die Anschaffung von Elektroautos mit bis zu 4000 Euro fördern - um auch das Ziel der Bundesregierung zu unterstützen, nach deren Plänen es bis 2020 etwa 17 500 solcher Fahrzeuge in München geben müsste. Lärm und Abgase würden reduziert, Kritik gibt es trotzdem

Von Marco Völklein

Für Thomas Nindl kommt das städtische Förderprogramm definitiv zu spät. Eigentlich wollte der Fuhrpark-Verantwortliche des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) schon im Laufe dieses Frühjahrs einen Teil seiner Altenpflegekräfte mit E-Smarts ausrücken lassen. Acht Stück hatte er bestellt, "weil ich glaube, dass Elektrofahrzeuge in diesem Umfeld absolut sinnvoll eingesetzt werden können", sagt Nindl. Dann aber stornierte Daimler die Bestellung. "Nun bekomme ich immerhin drei." Ein Teil der ASB-Pflegekräfte wird also bald mit E-Smarts losdüsen. Auch ohne dass die Stadt die Anschaffung finanziell unterstützt.

Bislang aber ist Nindl mit seiner E-Auto-Euphorie eher allein. Gerade einmal 1067 von stadtweit 740 400 zugelassenen Fahrzeugen sind derzeit mit reinem Elektroantrieb unterwegs (siehe Kasten). Das soll sich aber ändern: Denn bis zum Jahr 2020, so das Ziel der Bundesregierung, sollen eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen unterwegs sein. Bricht man die Zahl auf München herunter, müssten dann 17 500 E-Autos durch München stromern. Davon allerdings ist die Stadt noch meilenweit entfernt. Vor allem die hohen Kaufpreise schrecken viele Nutzer ab. Deshalb will die Stadt nun ein wenig nachhelfen - mit diversen Förderansätzen.

2500 Euro soll ein Unternehmer erhalten, wenn er einen gewerblich genutzten Pkw anschafft. 4000 Euro Kaufprämie will die Stadt zahlen, wenn ein Taxiunternehmer auf ein E-Auto umsteigt oder ein Handwerker sich einen elektrisch angetriebenen Lieferwagen beschafft. Auch E-Roller und Lastenfahrräder mit Elektrounterstützung will die Stadt fördern. "Ohne solche Kaufanreize", glaubt Umweltreferent Joachim Lorenz, "läuft die Sache nicht".

Die Stadt setzt auf den E-Antrieb, um gleich mehrere Probleme in den Griff zu bekommen. Weil E-Autos leiser sind als Verbrenner, könnten so die Lärmwerte an großen Straßen leichter eingehalten werden, hofft Lorenz. Zudem steht die Stadt auch wegen der hohen Konzentration an Luftschadstoffen in der Kritik. Ein Gericht hatte die Stadt bereits 2012 dazu verdonnert, "einschneidendere Maßnahmen" gegen den Autoverkehr zu ergreifen. Bislang allerdings scheuen CSU und SPD im Rathaus davor zurück. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) setzt daher darauf, mit mehr E-Autos auf den Straßen auch die Schadstoffemissionen zu senken. Was zumindest dann voll möglich ist, wenn der Strom für die Stromer zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stammt.

Zwischenstop der eRUDA auf dem Kirchplatz

Die Industrie hat umgestellt und bietet E-Modelle bereits serienmäßig an. Einige davon auf ihrer Rallye um den Ammersee auf dem Starnberger Kirchplatz.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Vertreter der beiden großen Rathausfraktionen überboten sich zuletzt mit Anträgen und Forderungen zur E-Mobilität. Selbst als klar war, dass diverse Referate der Stadt bereits an einem umfangreichen Förderprogramm werkeln, reichte die SPD Anfang April noch ein ganzes Antragspaket im Rathaus ein: So sollte aus Sicht der Genossen die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) eine komplette Buslinie mit E-Fahrzeugen betreiben oder einen Teil ihrer geplanten Mietradflotte mit Pedelecs bestücken. Dass im geplanten Förderprogramm genau dies vorgesehen ist, wussten viele Stadträte (auch die der SPD) allerdings seit Wochen. Entsprechend kühl fiel die Reaktion des Koalitionspartners aus: "Es freut mich, dass die SPD das Thema Elektromobilität entdeckt hat", ätzte CSU-Bürgermeister Josef Schmid in Richtung Koalitionspartner. Schließlich habe die Vorgängerregierung unter Rot-Grün "jahrelang Initiativen zur E-Mobilität blockiert".

Damit soll nun Schluss sein - wobei sich das städtische Förderprogramm zunächst nur auf gewerbliche Fahrzeugnutzer bezieht. Ursprünglich hatte die Stadt mal geplant, auch Privatleuten einen Zuschuss zu gewähren, wenn sie sich ein E-Auto leisten wollten. Doch davon sind die Verkehrsplaner wieder abgekommen. Denn sie hoffen, mit Flottenbetreibern einen größeren umweltpolitischen Effekt zu erreichen. Denn Fahrzeuge von Taxiunternehmen, Liefer- und Kurierdiensten oder Altenpflegefirmen sind ständig auf Achse. Werden diese aus einer Batterie vorangetrieben statt mit Diesel oder Benzin, dürften die gewünschten Effekte bei der Minderung des Lärms und der Schadstoffemissionen größer sein als bei privaten Pkw. Zumal sich die hohen Anschaffungskosten für die Stromer bei einer hohen Laufleistung auch rascher amortisieren lassen, wie eine Studie des Freiburger Öko-Instituts zeigt. Demnach können vor allem Pkw und leichte Nutzfahrzeuge schon heute wirtschaftlich betrieben werden. Das hofft auch ASB-Mann Nindl. Bei Bussen und schweren Lkw sieht es dagegen anders aus - da schlagen nach wie vor die hohen Kosten für die großen Batteriepakete ins Kontor. Andere Städte wie etwa Heidelberg allerdings unterstützen auch Privat-Leute beim Kauf: "Der Umstieg auf Fahrzeuge mit alternativem Antrieb mindert die Belastung durch den motorisierten Individualverkehr", sagt Nina Flosdorff von der Stadt Heidelberg. Vor allem die Lärm- und Abgasemissionen verringerten sich deutlich. "Ob die Autos privat oder gewerblich genutzt werden, ist dabei egal."

Bei aller Euphorie gibt es aber auch kritische Stimmen. So würden auch Autos mit Elektroantrieb weiterhin Unmengen an Platz in der Stadt benötigen - zum Fahren auf breiten Straßen wie auch zum Parken, kritisiert Christian Grundmann vom Umweltschutzverein Green City. Das viele Blech stünde nach wie vor in der Stadt herum - egal, ob nun ein Benzin- oder ein Elektromotor darunter verborgen ist. Zumal man immer schauen müsse, woher der Strom für die E-Autos komme. Nur mit Strom aus 100 Prozent ökologischen Quellen seien die Klima- und Abgasvorteile des E-Antriebs voll zu erreichen. Doch selbst dann sei die Energiebilanz von E-Autos unterm Strich kaum besser als die von Verbrennern, ergänzt Oliver Schwedes, Professor für Integrierte Verkehrsplanung an der Technischen Universität Berlin - unter anderem, weil die Stromer Seltene Erden für die Produktion der Batterien benötigten. "Und leiser sind E-Autos auch nur bis zu einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern", sagt Schwedes. Dann überwögen die Abrollgeräusche. "Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in der Stadt bringt mehr Lärmschutz als jedes Elektroauto."

967 Elektro-Pkw

Noch sind Autos mit E-Antrieb in München unterrepräsentiert: So zählte die Zulassungsstelle zum 31. März exakt 967 Pkw mit reinem Elektroantrieb; hinzu kamen 2489 Autos mit Benzin-Hybrid-Motor und 206 mit Diesel-Hybrid - bei insgesamt 690 000 zugelassenen Personenkraftwagen. Bei den Lastwagen sieht es kaum besser aus: Von den insgesamt 50 400 zugelassenen Lkw hatten nur 100 einen reinen E-Motor unterm Blech, hinzu kamen fünf mit Diesel-Hybrid-Antrieb. mvö

Die Mehrheit im Münchner Kommunalparlament dürfte sich durch solche Argumente nicht davon abbringen lassen, das umfangreiche Förderprogramm auf einer Sitzung diverser Stadtratsausschüsse am 6. Mai zu verabschieden. Kommende Woche reist der Umweltausschuss zudem nach Oslo, um sich dort Anregungen zu holen. Die norwegische Metropole gilt als "Welthauptstadt der Elektromobilität". In der Region mit etwa einer Million Einwohnern sind derzeit mehr als 12 000 E-Fahrzeuge zugelassen - so viele wie in der gesamten Bundesrepublik. Oslo hat zudem 900 Ladesäulen auf öffentlichem Grund errichtet - zum kostenfreien Aufladen.

Ähnlich wie nun in München geplant fördert auch Oslo den Kauf von E-Autos. So fällt dann etwa die Mehrwertsteuer von derzeit 25 Prozent weg, auch von Zulassungsgebühren, Mautzahlungen und Parkgebühren sind die Besitzer von E-Autos befreit. Zudem ist es ihnen erlaubt, mit ihren Stromern die städtischen Busspuren zu benutzen. Das allerdings lehnen die Politiker in München ab: Denn die Busse senden ein Signal aus, sobald sie sich auf der Busspur einer Kreuzung mit Ampel nähern - und schalten so selbst das Signal auf Grün. E-Autos verfügen über diese Technik nicht. Sie würden, fürchtet unter anderem die MVG, die Busspuren verstopfen - und damit die "besonders umweltbewussten Fahrgäste ausbremsen".

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