Eklat auf dem Nockherberg:Wie wollen Sie derbleckt werden?

Manche Politiker haben erst über die Fastenpredigt gelacht, zwei Tage später waren sie dann plötzlich empört. Dem Nockherberg schaden sie damit sehr.

Wolfgang Görl

Nun ist also Michael Lerchenberg seinen Job als Bußprediger auf dem Nockherberg los, er hat die Kutte an den Nagel gehängt, nachdem der Druck zu groß geworden war. Inzwischen dürfte die Wirkung des hochprozentigen Salvator-Bieres soweit nachgelassen haben, dass es möglich ist, nüchtern Bilanz zu ziehen. Was ist eigentlich passiert?

Lerchenberg hat in Gestalt des Bruders Barnabas eine zornige Predigt gehalten, die den gescholtenen Politikern keine Gelegenheit gab, amüsiert über die eigenen Schlitzohrigkeit zu lachen, etwa nach dem Motto "Hund samma scho". Wie die zahllosen Solidaritätsbekundungen im Internet zeigen, hat er vielen Menschen aus der Seele gesprochen.

Wahr ist aber auch: In einer Passage haben Lerchenberg und sein Koautor Christian Springer eine große Dummheit begangen. Bei der satirischen Abrechnung mit Westerwelles Hartz-IV-Gerede die Schreckensvision eines Konzentrationslagers heraufzubeschwören, war schlichtweg töricht. Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden, hat dagegen protestiert, woraufhin Lerchenberg und Springer zutiefst bedauerten, "die Gefühle anderer verletzt zu haben".

Damit hätte man es bewenden lassen können. Schließlich geschah die Entgleisung nicht bei einem Staatsakt, sondern während eines Freibiergelages zum Wohle der Paulaner-Brauerei. Doch es gibt Politiker, denen kein Anlass zu gering ist, sich in Szene zu setzen.

Kaum war Knoblochs Protestnote publik, waren auch der deutsche Außenminister und die bayerische Landtagspräsidentin empört, und dann sprangen - um nur die Auffälligsten zu nennen - der bayerische Innenminister (wegen der Polizeikritik) und die bayerische Sozialministerin (wegen generellen Missfallens) auf den Zug der Beleidigten auf. Man wundert sich, dass nicht noch die Bundeskanzlerin und der UNO-Generalsekretär zu der hochbrisanten Staatsaffäre Stellung bezogen.

Ganz besonders eindrucksvoll ist, wie sich Sozialministerin Christine Haderthauer aufplusterte, freilich erst zwei Tage später. Während der Salvatorprobe konnte man sowohl im Saal als auch im Fernsehen beobachten, wie Haderthauer gut gelaunt die Barnabas-Rede verfolgte, und beim anschließenden TV-Interview äußerte sie sich durchaus amüsiert, so wie die anderen Politiker auch.

In den folgenden Tagen hat sie wohl spitzgekriegt, dass sich der Wind gedreht hat, und es auch für sie an der Zeit wäre, empört zu sein. Folglich verkündete die Ministerin, sie werde den Nockherberg solange boykottieren, bis die Fastenpredigt zur ursprünglich humorvollen Form zurückgefunden hat.

Da wird der Paulaner-Brauerei wohl nichts anderes übrig bleiben, als Haderthauer beim nächsten Mal zu fragen: "Gnä' Frau, wie möchten Sie gern derbleckt werden?"

Im Video: Salvator-Probe 2010: Strauß selig spielt Bohlen, und alle finden's wunderbar. Nur Stoiber wundert sich.

Weitere Videos finden Sie hier

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: