Eiswerkstatt in München:Professor für Gelato

Giorgio Ballabeni

Der Chef und sein Labor: Giorgio Ballabeni eröffnet eine Filiale, in der man sich die Kunst des Eismachens beibringen lassen kann.

(Foto: Stephan Rumpf)

Giorgio Ballabeni weiß, worauf es bei gutem Eis ankommt. Als der Gelatiere 2006 sein erstes Geschäft in München startete, wurde er von Kollegen ausgelacht. Jetzt eröffnet er eine Lehr-Werkstatt.

Von Philipp Crone

Giorgio Ballabeni lächelt zur Zeit wieder sein italienisches Lächeln. Der 55-jährige Gelatiere hat dieses Schmunzeln, das irgendwo zwischen kindlicher Begeisterung und einem sehr starkem Selbstbewusstsein rangiert: eine Prise Lebensfreude, dazu etwas Stolz, gemischt mit viel Selbstsicherheit und einem winzigen Schuss Arroganz. So wirkt der Italiener nach acht höchst erfolgreichen Jahren als Eismacher in München.

Und so steht er da, der Giorgio, Professor für Gelato, Sterne-Eismacher, in weißen Plastikschuhen, mit beiger Hose, weißem Kittel und weißgrauem Bart, und erzählt von seiner neuen Errungenschaft, einer Eis-Werkstatt. Das "next big thing" der Branche. In der Seidlstraße 28 am Stiglmaierplatz. Damit will er das Gelato endgültig zu einer Delikatesse machen.

"Impuls-Eis von der Tankstelle"

Ballabeni hat ein Gespür für Zeit. Das ist bei der Eis-Herstellung genauso wichtig wie beim Erkennen von Trends. Als er im Jahr 2006 in der Theresienstraße sein erstes Geschäft eröffnete, war Eis in München vor allem eines: "Das sogenannte Impuls-Eis von der Tankstelle". Man kaufte es, wenn man spontan darauf Lust hatte. "Heute gibt es außerdem das Meditativ-Eis", sagt Ballabeni. Geplanter Genuss. Die Kunden, nicht nur in seinen Geschäften, sondern auch in anderen der jüngeren Eis-Manufakturen, setzen den Besuch auf die Tagesordnung. "Heute kommen manchmal abends Männer in Smoking und Frauen in Abendkleidern, die sich mit dem Taxi herfahren lassen, um nach der Oper noch ein Eis zu essen."

Und einige Restaurants in der Nähe würden schon die Dessertkarte eindampfen, sagt Ballabeni, weil ohnehin der Nachtisch in gekühlter Kugelform gegenüber vom Museum Brandhorst eingenommen wird. Eis ist kein klebriges Süßzeug mehr aus Papphüllen, es ist ein sommerliches Kultobjekt, das man langsam löffelt. Ähnlich wie beim italienischen caffé oder beim schottischen Whisky gibt es Aficionados, die statt über die Nachreifung im Sherry-Fass oder den richtigen Mahlgrad der Bohne nun über Konsistenz und die Zutaten von Ballabenis Eisbällen sprechen - und immer häufiger auch über ihre Kreationen daheim.

"Vor zehn Jahren gab es in München genau eine Eismaschine im Laden zu kaufen, heute sind es unzählige Modelle, von 60 bis 900 000 Euro." Es ist also jetzt die richtige Zeit, um Eiskurse anzubieten. Deshalb heißt das Geschäft in der Seidlstraße, das auch Tagesbar und Eisdiele ist: Werkstatt. Dort kann man pro Person und Abend für 100 Euro das Handwerk lernen, und seine eigene Maschine mitbringen. Weinverkostungen und Kaffee-Kurse kennt jeder, jetzt geht's zum Gelato-Seminar. Wobei sein Eis die Nummer eins sei, sagt Ballabeni, italienisch lächelnd. Allerdings kann er diese Behauptung auch begründen. Wieder geht es um die richtige Zeit.

In Ballabenis Werkstatt stehen ein halbes Dutzend Eismaschinen nebeneinander in einem weiß gefliesten Nebenraum, den man über eine Glasschiebetür betritt. Sie sehen aus wie Toplader-Waschmaschinen, nur dass sie mit Flüssigkeit statt mit Stoffen gefüllt werden. Das Geheimnis für gutes Eis sind zum einen natürlich die Zutaten, aber vor allem die cremig zarte Konsistenz. "Je schneller das Eis friert, desto kleiner werden die Eiskristalle", sagt Ballabeni, "desto geschmeidiger ist das Eis."

Anfangs lachten Kollegen ihn aus

Die Maschinen sind computergesteuert, überwachen den Zustand des Eises und passen daraufhin permanent die Bearbeitung an. Im Kessel drehen sich Messer, die das Eis vermischen. Sensoren melden kontinuierlich den Widerstand, den diese Messer überwinden müssen, der Computer berechnet daraus die Konsistenz. Zudem sind außen am Kessel spiralförmige Kühlschlangen angebracht, die die Flüssigkeit kühlen, bis sie zu Eis wird.

Auch an den Schlangen sind Sensoren angebracht, die melden, wie gut die Kälteübertragung funktioniert. Im Laufe des Prozesses wird immer weniger Kälte übertragen, weil im Gefäß die Flüssigkeit irgendwann zu Eis wird. Klingt technisch? Interessiert die Eis-Experten aber, sagt Ballabeni, genauso wie die Geschichten rund um das kalte Genussmittel.

Also erzählt er, wie er am Anfang von Kollegen ausgelacht wurde, weil er nur zwölf Eissorten angeboten hat. "Wichtig ist heute die Qualität, nicht mehr die große Auswahl." Den Kunden ist die Qualität offenbar so wichtig, dass sie sich seit Jahren auch in die Schlangen vor den ballabenischen Eisdielen stellen. Dabei gibt es eher selten neue Sorten, der 55-Jährige aus Padua steht auf Konstanz.

Ballabeni

Ein Blick in die Ballabeni Eis-Werkstatt in der Seidlstrasse.

(Foto: Stephan Rumpf)

So kann er sich auch die Anekdoten zu den Sorten leichter merken. "Die wollen die Leute hören, zum Beispiel die Nutella- oder die Vanille-Geschichte. Nutella sollte ja eigentlich eine Tafelschokolade werden, blieb aber durch einen Fehler bei den Zutaten flüssig." Und bei Vanille sei es so gewesen, dass eigentlich Milcheis hergestellt werden sollte, "allerdings hat jemand aus Versehen Vanille und Eigelb in die Eiswanne geschüttet."

Alte Sorten und neueste Technik

Geschichten gibt es beim Seminar gratis, genauso wie Ballabenis Meinung zur aktuellen Sortenmode. "Die salzig süßen Sachen wie Salzkaramell aus Frankreich, das ist nicht so meins." Seins sind alte Sorten und neueste Technik. Zusammen mit einer italienischen Firma hat Ballabeni eine Eismaschine entwickelt, die Behälter und Maschine in einem ist. In seiner Werkstatt sind die Eistöpfe, aus denen die Mitarbeiter schöpfen, gleichzeitig Maschinen. So soll die Ware noch frischer sein. Ballabenis Sohn Alberto, 25, bedient die zugehörigen iPads im futuristisch eingerichteten Eislabor. Chromblitzende Kühlschränke, weiße Fliesen, in der Tagesbar viel Holz.

Dass sich Ballabeni an der Ecke Seidlstraße und Karlstraße an einen nicht so frequentierten Ort wagt, macht ihm keine Sorgen. Das italienische Selbstbewusstsein und die Gewissheit, dass seine Eisfans in München noch immer gekommen sind, hat sich längst verfestigt. Nicht zuletzt, weil auch beim Eis gilt: Der Wirt macht den Erfolg. Und der ist nicht nur an der Kühlmaschine Profi, sondern auch im Umgang mit den Münchnern. "Die haben ein Talent, zu erkennen, was gut ist", sagt Giorgio Ballabeni - und lächelt breit.

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