Einzelhandel:Wie sich Münchner Designer gegen riesige Modeketten behaupten

Einzelhandel: "Phil & Lui" haben sie ihr eigenes Modelabel genannt, Philipp Seidl und Caroline Klein in ihrem Laden an der Belgradstraße.

"Phil & Lui" haben sie ihr eigenes Modelabel genannt, Philipp Seidl und Caroline Klein in ihrem Laden an der Belgradstraße.

(Foto: Stephan Rumpf)

Einer Kundin zu erzählen, dass ein rostbrauner Rock gut zu einem blauen Pullover passt, reicht heute nicht mehr aus. Um zu überleben, setzen viele Ladeninhaber auf Kooperationen.

Von Franziska Gerlach

Diese Kaschmirschals zum Beispiel, die sich in Pastelltönen aneinander schmiegen. "Die sind von unserer Freundin aus München, Verena von Eschenbach", sagt Caroline Klein. Sie sitzt an einem massiven Holztisch und tätschelt ihn beinahe zärtlich. Den Tisch habe eine Freundin vom Ammersee gefertigt. Und das Olivenöl, der Kaffee und die Kekse, die es in ihrem Laden an der Belgradstraße zu kaufen gibt, die - man ahnt es schon - stammen ebenfalls von Freunden. Die meisten kommen aus München, oder zumindest aus Bayern.

Die junge Frau mit den sommerblonden Haaren spricht so begeistert von den handgefertigten Produkten in ihrem Laden, dass ihr eigenes für einen Augenblick in den Hintergrund tritt: "Phil & Lui", also Philipp Seidl und Caroline Klein, machen lässige Unisex-Mode mit Waschungen, die sofort an einen kalifornischen Surfer denken lassen. 2014 gründeten sie ihr Label, gefertigt wird nach umweltfreundlichen Kriterien in Portugal. Im Februar haben sie nun in Schwabing ihren ersten, eigenen Laden eröffnet.

Concept Store ist die richtige Bezeichnung für das, was Klein und Seidl - auch privat ein Paar - geschaffen haben. Ihr Sortiment aus regionalen Produkten ist ein gutes Beispiel dafür, wie Münchner Labels und Unternehmen kooperieren können. Ein Modemacher nimmt andere Marken in seinen Laden auf, oder Kreative schließen sich zusammen, weil sie gemeinsam mehr Aufmerksamkeit erwecken können. Zumal in einer Stadt, in der die besten Verkaufsflächen meist an diejenigen mit dem größten Budget gehen: die Filialisten.

Ein Ende der Filialisierung ist nicht in Sicht. Zuletzt ereilte München die Nachricht, dass der schwedische Textilkonzern Hennes & Mauritz mit seinem neuen Konzept "Arket" eine Fläche an der Weinstraße beziehen wird. Die britischen Labels "Topshop" und "Topman", die ihre Expansion auf deutschem Boden bislang zurückhaltend verfolgt haben, eröffneten am Donnerstag im Untergeschoss der Galeria Kaufhof am Marienplatz ein Geschäft. Das immer gleiche Vierergespann aus Zara, Mango, H&M und Pimkie vereinheitlicht die deutschen Fußgängerzonen.

Allerdings: "Es gibt keine Entwicklung ohne Gegenentwicklung", sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln. Und deshalb entstehen in diesen Tagen eben auch Ladenkonzepte wie jenes von Phil & Lui, die auf Nähe und Regionalität setzen. Hudetz spricht von "gezielten Einkaufsvorgängen", für die der Kunde auch bereit sei, weitere Wege in Kauf zu nehmen. "Es geht um das Erlebnis, es geht um Storys, es geht um das Gesamtkonzept."

Nicht alles, was sich Concept Store nennt, ist auch einer

Einer Kundin zu erzählen, dass ein rostbrauner Rock gut zu einem blauen Pullover passt, reicht heute nicht mehr aus. Laura Bohnenberger weiß das. In ihrem Bean Store an der Theresienstraße trifft das Regionale auf international etablierte Marken. Bohnenberger führt Waren von annähernd 20 lokalen Herstellern, Papier, Keramik, Handtaschen, Naturkosmetik. Sie ist eine von denen, die Kooperationen suchen - zuletzt bot sie Mode im Container Collective an, der kreativen Schiffscontaineranlage am Ostbahnhof. Dieses "Miteinander", wie sie das nennt, sei gerade sehr gegenwärtig in München, es präge gewissermaßen die Stimmung der Stadt.

Doch nicht alles, was sich Concept Store nennt, ist auch einer. Einfach nur viele Marken anzubieten, das reicht nicht. Der offiziellen Definition zufolge geht es darum, eine bestimmte Zielgruppe zu bedienen. Caroline Streck etwa konzentriert sich auf Wohnaccessoires für Kinder. Auch sie führt neben Marken aus Frankreich oder Dänemark noch die Babyprodukte einer Münchnerin. Seit Mai gibt es den Peanut Store an der Sedanstraße, er ist aus einem Online-Geschäft hervorgegangen. Ein Concept Store, sagt die Inhaberin, definiere sich auch über den Geschmack seines Betreibers, der die Produkte oft mühsam zusammensucht. Das bedeute auch, manchen Marken Absagen zu erteilen. "Auch wenn sich damit Geld machen lässt."

Was sich in München beobachten lässt, hat mit den perfekt gestylten Pendants der großen Marken wenig gemein. Für Stephanie Kahnau ist Transparenz in der Herstellung ein Kriterium, auch sie kennt die Macher ihrer Partnermarken. "Ich weiß, wie die Werkstätten aussehen, und wer konkret dahinter steht", sagt die Modedesignerin. Ein gutes Jahr lang hat sie jetzt einen kleinen Laden im Ruffinihaus betrieben, das städtische Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft hatte ihn kostenfrei vergeben.

Trotzdem teilte Kahnau den Raum mit anderen Kreativen aus München und der Umgebung. Gestartet mit neun, führte sie am Ende neben ihrer eigenen Kollektion 20 regionale Produkte. Für sie ein Vorteil: Wer nämlich ganz Unterschiedliches anbietet, der lockt auch ganz unterschiedliche Kunden an. Und weil es gut gelaufen ist am Rindermarkt, will Kahnau in diesem Sommer "so etwas Ähnliches" an der Inneren Wiener Straße eröffnen. Diesmal fällt natürlich Miete an. Momentan überlegt sie, Atelierplätze an andere Kreative zu vermieten, so eine Art "Work & Buy" könne dort entstehen. Ein Ort, an dem man sieht, wie Design überhaupt entsteht.

"Mode", sagt Caroline, "ist Teil eines Lebenskonzeptes"

Ob sich Konzepte wie diese im großen Stil verwirklichen lassen in einer Stadt, in der freie, bezahlbare Flächen Mangelware sind? Fraglich. Dass es hier Menschen gibt, die lokale Akzente setzen möchten, ist zumindest tröstlich. Denn so etwas tut München gut. Vielleicht ist es auch einfach so, dass die Basis automatisch zusammenrückt, wenn der Druck zunimmt. "Alleine schafft man es in der globalisierten Welt nicht gegen die Großen", sagt Melissa Knorr vom Label Me & May.

Sie und ihre Geschäftspartnerin Mathilde Feuillet haben nun den ersten Vorstoß in die Münchner Innenstadt gewagt, an der Hackenstraße betreiben sie einen kleinen Laden. Zwar nur für einige Monate, aber immerhin. Auch sie haben sich andere Marken dazu geholt, manche aus München, andere aus Frankreich, immerhin haben sie sich dem französischen Stil verschrieben. Und ja, gibt Knorr offen zu, die anderen Marken beteiligten sich auch etwas an den Mietkosten. "Damit das Risiko für uns nicht so hoch ist."

Im Fall von Phil & Lui war es der Zufall, der sie zu ihrem Geschäft gebracht hat. Denn eigentlich, sagen sie, wollten sie nur einen Raum, in dem sie ihre Ware lagern können. Da aber die Hausverwaltung, die mehrere Häuser an der Straße unterhält, diese ohnehin habe beleben wollen, machten sie einen Laden daraus. Einen Teil der Fläche vermieten sie nun als Showroom an ein Taschenlabel. Dort werden nun die Kollektionen von 2018 gezeigt. Kaufen kann man die Taschen genauso wie die anderen Sachen. "Mode", sagt Caroline Klein ein wenig philosophisch, "ist Teil eines Lebenskonzeptes." Da hat sich die Frage, ob sie die im Laden angebotenen Produkte - den Kaffee, die Kekse, die Kaschmirschals - auch selbst verwenden würde, auch schon erledigt.

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