Einsatz in Afrika:"Für die Schwestern dort war das nie so schlimm wie für mich"

Einsatz in Afrika: Aus den Gummistiefeln könne man nach einer Behandlung den eigenen Schweiß kippen, erzählt Sabine Hasenöhrl, die nun wieder zurück ist aus Afrika.

Aus den Gummistiefeln könne man nach einer Behandlung den eigenen Schweiß kippen, erzählt Sabine Hasenöhrl, die nun wieder zurück ist aus Afrika.

(Foto: privat)

Ihren Urlaub verbrachte die Krankenschwester Sabine Hasenöhrl wiederholt in Sierra Leone, um an Ebola erkrankte Kinder zu versorgen - sie macht das gerne. Nur einmal hatte sie Angst.

Von Theresa Parstorfer

Sabine Hasenöhrl lacht viel und wirkt sehr gefestigt, sehr ausgeglichen. Mit ihren 1,58 Metern, den blauen Augen, blonden Haaren und zierlichen Fingern, an denen sie mehrere Silberringe trägt, ist sie auch nicht gerade eine einschüchternde Erscheinung. "Ich bin niemand, der schnell rumschreit oder sich aufregt", sagt sie. Außer es geht um Kinderleben.

Die 31-jährige Krankenschwester, die normalerweise auf der Kinderkrebsstation der Schwabinger Kinderklinik arbeitet, hat nun schon zweimal unbezahlten Urlaub genommen, um mit der deutschen Hilfsorganisation Cap Anamur nach Sierra Leone zu gehen. In das einzige Kinderkrankenhaus des Landes.

Und wenn da ihre afrikanische Kollegin erst das Essen an die übrigen Patienten austeilen wollte, anstatt ihr bei der Reanimation eines Kindes zu helfen, dann wurde Sabine Hasenöhrl schon auch einmal laut. "Das kann man ihr aber nicht böse nehmen", sagt sie. In Sierra Leone sterben so viele Kinder. Jeden Tag. "Wahrscheinlich ist das eine Art Selbstschutz. Für die Schwestern dort war das nie so schlimm wie für mich beziehungsweise gehen sie damit anders um."

Nur jeden zweiten Tag fließendes Wasser

Vieles ist anders in Sierra Leone, einem Dritte-Welt-Land, das seit Jahren mit den Folgen eines verheerenden Bürgerkrieges zu kämpfen hat. Die Slums in der Hauptstadt Freetown sind auf Müll erbaut, es gibt nur jeden zweiten Tag fließendes Wasser. Strom unter Umständen gar nicht.

Und Ende Dezember 2013 brach die bis zu diesem Zeitpunkt schlimmste Ebola-Epidemie aus. Zu Beginn der Seuche starben 90 Prozent aller Infizierten, bis heute sind es mehr als 3500 Tote. Trotzdem hat sich Hasenöhrl in das Land verliebt. Vor allem in die Menschen. "Dieser unglaubliche Lebensmut beeindruckt mich immer wieder. Jammern gibt es da nicht." Immer seien die Leute fröhlich, immer lächelnd, immer gastfreundlich.

Zu sehen, wie gut wir es hier in Deutschland haben und zu wissen, wie schlecht es den Menschen dort geht, ist hart für Sabine Hasenöhrl. Vor allem kurz nach ihrer Rückkehr nach Deutschland komme ihr der volle Kleiderschrank dekadent vor. Aber mit der Zeit müsse man sich auch an dieses Leben wieder gewöhnen.

Nur eine Sache, die mache sie - nein, auch diesmal nicht einmal wütend, vielleicht eher traurig oder beschämt: zu sehen, wie Kinder sich hier in Deutschland nicht mehr selbst beschäftigen könnten, nur noch vor ihrem iPad säßen. Wie sie gar nicht wüssten, wie glücklich sie sich eigentlich schätzen können. Sie haben ein Zuhause und genügend zu essen, dürfen in die Schule gehen, werden nicht geschlagen. Und sie sind am Leben.

In Afrika hätten sich die Ebola-Waisen, die in einem weiteren Projekt von Cap Anamur in einem Haus aufgenommen werden, an Weihnachten schon allein über einen Softdrink und ein bisschen Fleisch gefreut. Diese "starken Kinder", die alles aushalten, haben es Hasenöhrl sichtlich angetan.

Viele Kinder mit Ebola-Symptomen

Als Sabine Hasenöhrl das erste Mal 2013 für einen siebenmonatigen Einsatz in Sierra Leone war, wurden die ersten vereinzelten Ebola-Fälle eingeliefert, jetzt, 2015, waren es hoffentlich vorerst die letzten, da die schlimmste Phase der Epidemie als überstanden angesehen wird. In der Einheit des Krankenhauses, die vor allem Sabine Hasenöhrls Vorgängerin aufgebaut hatte, werden Kinder eingeliefert, die Ebola-Symptome aufweisen.

"Oft ist es dann aber Malaria. Das hat sehr ähnliche Symptome wie Ebola und darum müssen alle getestet werden", sagt Hasenöhrl. 6000 Tests wurden während ihrer Zeit dort vorgenommen, zwei Kinder hatten tatsächlich Ebola und wurden in ein speziell dafür ausgestattetes Behandlungszentrum verlegt. 81 starben an anderen schweren Erkrankungen.

Von oben bis unten in Plastik und Schutzkleidung eingepackt, müssen die Ärzte und Krankenschwestern in den isolierten Raum, um sich um die Verdachtsfälle zu kümmern. Unendlich heiß ist es dort drin, 40 Grad. Aus den Gummistiefeln könne man nach einer Behandlung den eigenen Schweiß kippen wie aus einer Gießkanne, erzählt Sabine Hasenöhrl.

Zwei Kinder mit Ebola

Und länger als zwei Stunden darf man auch nicht drin sein, weil es einfach zu anstrengend für den Körper ist. Niemand muss jeden Tag "rein", aber Sabine Hasenöhrl wollte. "Mir macht die Arbeit Spaß, und ich wollte das, auch wenn es nicht immer leicht ist."

Aber man lerne viel, sammle viele Eindrücke, viele neue Erfahrungen, und für das Leid, das sie gesehen hat, für all die Kinder, die nicht mehr gerettet werden konnten, gibt es auch schöne Momente. Von denen erzählt sie, immer mit diesem lebensfrohen Lächeln im Gesicht.

An Weihnachten habe der ebenfalls deutsche Arzt der Station ein Neugeborenes nach stundenlangen Reanimationsversuchen schon für tot erklärt, auch wenn die Atmung immer wieder einsetzte. Sie hätten es der Mutter zurückgegeben, um Abschied zu nehmen, aber am nächsten Morgen habe es dann doch auf einmal wieder gelebt.

Als sie jubelnd durch die Station gelaufen sei und gerufen habe, dass sie das schönste Weihnachtsgeschenk bekommen habe, hätten die afrikanischen Schwestern erwartet, sie würde von etwas Materiellem reden. "Das konnten sie nicht so wirklich nachvollziehen," sagt Hasenöhrl.

Ob sie wieder nach Afrika zurückkehrt?

Angst davor, sich selbst anzustecken, habe sie nicht gehabt. "Es gibt ja Regeln, wie man sich anziehen muss, step by step, wie man desinfiziert", sagt sie. "Und wenn man beim Arbeiten ist, dann hat man keine Zeit, darüber nachzudenken. Aber klar, man wird vorsichtiger mit Körperkontakt." Was sie in Sierra Leone gelernt hat, ist, dass es in ihrem Job auf der Ebola-Station "keinen Notfall" gibt. Sicherheit kommt immer zuerst. Egal wie dringend man in den Behandlungsraum musste, wie dringend ein Kind Blut oder Medikamente brauchte, man musste sich immer erst richtig anziehen, weil davon die eigene Gesundheit abhing.

Nur einmal, da sei sie abends auf der Straße von einem Betrunkenen direkt angerempelt worden und ihr sei plötzlich ganz klar vor Augen gestanden: "Wenn der das jetzt hatte und ich mich anstecke, dann war's das wohl. Dann habe ich es jetzt auch."

Wie Ebola das Zusammenleben der Menschen verändert

Die Menschen in Sierra Leone und das Zusammenleben haben sich verändert durch die Krankheit, sagt Hasenöhrl. Die Krankenschwestern hätten sich zur Begrüßung nur noch leicht mit ihren Ellenbogen berührt, weil sich dort die wenigsten Keime befinden. Und auch die "Surviver", die Ebola überstanden haben und nun immun dagegen sind, können nicht einfach wie vor der Krankheit mit ihrem Leben weitermachen. Entweder die restlichen Familienmitglieder sind schon tot oder aber sie wollen die Überlebenden nicht wieder aufnehmen, weil sie zu viel Angst davor haben, dass doch noch Gefahr besteht.

Obwohl Sabine Hasenöhrl vor allem ihre Freunde und die anderen Menschen dort vermisst, weiß sie im Moment noch nicht, ob sie bald wieder nach Afrika zurückkehren wird. Zunächst wird sie von Oktober an wieder auf der Kinderkrebsstation in Schwabing arbeiten. Aber dann wird es sie bestimmt wieder ins Ausland ziehen. Vielleicht geht sie diesmal nach Nepal oder in die Ukraine, wo Cap Anamur auch einige Projekte aufgebaut hat.

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