Einbürgerung:Immer mehr Münchner wollen Deutsche werden

Einbürgerung: Gefragtes Dokument: Fast 4000 Menschen haben 2017 beim KVR erfolgreich einen deutschen Pass beantragt.

Gefragtes Dokument: Fast 4000 Menschen haben 2017 beim KVR erfolgreich einen deutschen Pass beantragt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Zahl der Münchner, die sich einbürgern lassen wollen, nimmt seit Jahren zu - vor allem Türken und Briten wollen den deutschen Pass haben. Zuvor gilt es aber einige Hürden zu überwinden.

Von Dominik Hutter

Die schlechte Nachricht ist: Man sollte schon wissen, dass man sich am Rosenmontag und nicht etwa zur Wiesn maskiert, dass das Europaparlament alle fünf Jahre gewählt wird und dass CDU nicht Club Deutscher Unternehmer bedeutet. Die gute lautet: Von den 33 Fragen, die beim Einbürgerungstest im Multiple-Choice-Verfahren gestellt werden, müssen nur 17 richtig beantwortet sein.

60 Minuten Zeit haben die Anwärter auf die deutsche Staatsbürgerschaft, um sich mit dem Land und seiner Grundordnung auseinanderzusetzen: Das Grundgesetz erlaubt keine Prügelstrafe, Hammer und Zirkel sind nicht Bestandteil des deutschen Wappens und für die Eröffnung eines Restaurants benötigt man eine Konzession der zuständigen Behörde. Deutschland im Schnelldurchgang. Es geht, das wird beim Durchlesen des Fragenkatalogs deutlich, vor allem ums Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat. Dazu noch ein klein wenig um Geografie, Brauchtum und Geschichte.

2243 Anwärter haben diesen Test seit Jahresbeginn schon bestanden - absolviert wird er in der Münchner Einbürgerungsstelle, die sich ein paar Hundert Meter abseits der Zentrale des Kreisverwaltungsreferats in einem Bürohaus in der Bavariastraße befindet. Das Interesse an der deutschen Staatsangehörigkeit steigt seit Langem an, und auch die Entwicklung im laufenden Jahr lässt neue Rekorde erwarten. 2017 haben insgesamt 3980 Ex-Ausländer die KVR-Außenstelle mit neuem Pass verlassen. Nur zwei Jahre zuvor hatte die Zahl der Interessenten gerade mal die 3000er-Marke überschritten, es geht also sprunghaft aufwärts.

Dazu trägt in erheblichem Maße eine Gruppe bei, deren Interesse an deutschen Papieren sich früher in sehr engen Grenzen hielt: die Briten. Gerade mal 20 wollten im Jahr 2015 Deutsche werden. 2017 waren es schon 241, und allein bis Mitte Mai dieses Jahres haben es schon 195 geschafft. Franz Hetzenegger, der Leiter der Einbürgerungsstelle, rechnet nahezu sicher mit einer neuen Höchstzahl. Der Grund für das neue Interesse am Deutschtum liegt auf der Hand: der Brexit.

Den Briten wird derzeit in den Münchner Behörden der rote Teppich ausgerollt. Es gibt fest reservierte Beratungstermine für die Noch-Europäer von der Insel, die Zeit drängt. Denn noch weiß niemand, welche Regelungen nach dem Brexit im März 2019 gelten. Bislang können EU-Bürger bei einer Einbürgerung nach Deutschland problemlos ihre bisherige Staatsangehörigkeit behalten. Ob das nach dem Brexit noch möglich ist, steht in den Sternen. Und den meisten Anwärtern auf einen deutschen Pass, so hat es Hetzenegger beobachtet, fällt der Verzicht auf die offizielle Bindung zum Heimatland schwer.

Dies gelte aber auch für Türken, die als Nicht-EU-Bürger nur unter bestimmten Voraussetzungen in den Genuss des "Doppelpasses" kommen. Türken bilden noch vor den Briten die größte Anwärtergruppe auf einen deutschen Pass. 283 wurden im vergangenen Jahr mit Erfolg an der Bavariastraße vorstellig. Die Zahl der türkischen Interessenten sei "konstant hoch", berichtet Hetzenegger, schließlich bilden sie die mit Abstand größte Ausländergruppe in München.

Eine Art Erdoğan-Effekt lasse sich dabei nicht beobachten, so Hetzenegger, der Andrang sei schon seit vielen Jahren groß. In der Einbürgerungsstatistik des Jahres 2017 folgen: Polen (216), Kroaten (198), Rumänen (191) und Bulgaren (187). Gerade aus Südosteuropa kämen auffallend viele Bewerber mit Hochschulabschluss. Die Motivation, Deutscher zu werden, ist bei den meisten Nationalitäten gleich: Es sind nicht zuletzt die guten Reisemöglichkeiten, die ein deutscher Pass in aller Welt ermöglicht. Und die Chance, endlich auch am Wohnort wählen zu dürfen.

Grundvoraussetzung ist ein mindestens achtjähriger rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland

Wer im Einbürgerungsbüro vorbeikommt, wird schon am Zugang zum Wartebereich erstmals befragt: Liegt der Wohnort in München oder etwa im Landkreis Ebersberg - dann muss man bitte dort vorsprechen. Im anschließenden Beratungsgespräch geht es um die Dauer des Aufenthalts, Ausbildung, Familienstand, Sprachkenntnisse, Vorstrafen und vieles mehr. Einige Hürden sind zu überwinden. Grundvoraussetzung ist ein mindestens achtjähriger rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland.

Die Kenntnis der deutschen Sprache muss mit einem Sprachzertifikat nachgewiesen werden - Stufe B 1, was laut Hetzenegger in etwa dem Niveau der vierten Klasse Grundschule entspricht. Wer einen deutschen Schulabschluss vorweisen kann, ist von weiteren Sprachnachweisen befreit. Wichtig ist auch, dass sich mit Dokumenten die wahre Identität des Antragstellers nachweisen lässt, notfalls müssen Verwandte, Bekannte oder ein Anwalt im Heimatland Geburtsurkunde oder Ausweispapiere organisieren.

Nur in Ausnahmen, etwa bei Krankheit, ist die direkte Einbürgerung ins deutsche Sozialsystem erlaubt. Normalerweise müssen Antragsteller nachweisen, dass sie für ihren Lebensunterhalt sorgen können und voraussichtlich auf absehbare Zeit keine Finanzhilfe vom Staat benötigen. Wer schon einmal ernsthaft mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist, braucht bei der Einbürgerungsstelle gar nicht erst vorbeizuschauen - lediglich kleinere Vergehen werden toleriert.

Zusätzlich muss jeder Anwärter ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterschreiben. Die Behörde fragt trotzdem bei Polizei und Verfassungsschutz nach, berichtet Hetzenegger. Wer schon als Hassprediger aufgetreten ist oder vehement für die Unterdrückung der Frau kämpft, muss mit einer genaueren Untersuchung und vielleicht auch einer Ablehnung rechnen.

Die Einbürgerung kostet 255 Euro. Plus 51 je Kind. Sobald das Verfahren einmal angelaufen ist, werden laut Hetzenegger 90 bis 95 Prozent anerkannt. Dank der intensiven Beratung. Chancenlose geben meist vorher auf - ein Nein kostet 191 Euro.

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