Schauspieler Detlef Bothe:Der Teilzeitböse

Bond-Bösewicht Detlef Bothe

Der Münchner Schauspieler Detlef Bothe weiß, dass er in "Spectre" nur eine winzige Rolle ausfüllt. Doch die Welt kennt nun sein Gesicht.

(Foto: dpa)

Im neuen Bond-Film hat Detlef Bothe einen Kurzauftritt als Fiesling. Er arbeitet auch als Independent-Regisseur und Autor. Sein Motto: "Nur die Paranoiden überleben."

Von Bernhard Blöchl

Wenn Blicke töten könnten, hätte Q das neue James-Bond-Abenteuer nicht überlebt. Der Erfinder und Computerexperte, ohne den 007 nur 0815 wäre, sitzt in der Seilbahngondel der Gaislachkoglbahn und schaut in das Gesicht des Bösen. Es ist schmal, endet in einer Glatze, die Ohren laufen spitz zu.

Eine bedrohliche Mimik, ausdrucksstark in ihrer Seelenlosigkeit. Dieser Mann ist hinter Q her, dämmert es dem Zuschauer, und man ist tatsächlich kurz davor, Bonds Begleiter abzuschreiben, und mit ihm das Happy End des ganzen Films.

Nun sitzt das personifizierte Böse in der Goldenen Bar im Haus der Kunst und spricht über seinen Auftritt im Blockbuster des Herbstes. Sein Blick ist gütig, Detlef Bothe kann auch anders. Der Münchner Schauspieler weiß, dass er in "Spectre", so heißt der 24. Agenten-Thriller der Reihe, nur eine winzige Rolle ausfüllt, eine ohne Text noch dazu. Doch die Welt kennt nun sein Gesicht, und wer dieses Gesicht kennt, der vergisst es nie.

Alles vom Feinsten beim Bond-Dreh

Bothe ist einer der markantesten Glatzköpfe diesseits der Alpen, seit den Neunzigerjahren taucht er regelmäßig in TV- und Kinofilmen auf, vom "Tatort" über "Max Schmeling" bis "Anonymus".

"Ich passte in das Gesamtbild", erklärt der Bond-Bösewicht, der den Part bekam, weil er bei einem Casting in Berlin überzeugte und bei der Begegnung mit Sam Mendes, dem britischen Star-Regisseur. Im Januar drehte Bothe drei Tage in Sölden, saß mit Ben Whishaw (Q) in der Seilbahn und setzte seine Fieslingsmiene auf. "Ich wurde vier Stunden lang abgefilmt", erzählt der Münchner und schwärmt von den luxuriösen Produktionsbedingungen. S-Klasse-Chauffeur hier, Fünf-Sterne-Hotel da. Alles vom Feinsten.

"Unser Mann" in Spectre - neben Christoph Waltz

Ein schelmisches Grinsen lockert das kantige Gesicht auf, als er auf dem Sofa mit vollem Körpereinsatz imitiert, wie Mendes in der anderen Ecke der Gondel gekauert haben muss, die Kapuze über dem Kopf, den Blick auf den Computer mit den eben gedrehten Bildern. "Das waren intensive Momente." Am Ende sprangen noch zwei weitere Drehtage heraus, für die Außenaufnahmen. Danach erreichte ein offizielles Feedback Bothes Agentur: "Sam Mendes loved it!"

Seit Wochen nun geht der Name Bothe durch die Medien. Neben dem Oscar-Preisträger Christoph Waltz, der den Oberbösewicht der Terrororganisation "Spectre" spielt, wird Detlef Bothe im deutschsprachigen Raum als "unser Mann" gefeiert, der Teil dieses Riesenprojektes war. Er sagt dann Sätze wie "Die Bösen machen mehr Spaß" oder: "Ich bin ein exzessiver Schauspieler." Bothe, der Böse, das gab es zwar schon oft in seiner Theater- und Filmkarriere, nicht jedoch im XXL-Action-Format.

Ein Profi - und ein Getriebener

Daniel Craig

James Bond hat es diesmal mit einem Münchner Bösewicht zu tun.

(Foto: AP)

Dabei musste der Münchner bis zuletzt zittern, ob seine Szenen am Ende überhaupt im Film bleiben würden. Der Profi weiß: "Die Schere ist gnadenlos, wenn es beim Schnitt nicht stimmig ist." Erst bei der Deutschlandpremiere in Berlin sah er das Ergebnis - und war erleichtert. "Das ist mein Medien-Durchbruch", prophezeit Bothe und dreht sich eine Zigarette. Und während er so dahinerzählt, wird er von nahezu jedem gemustert, der an diesem Novembernachmittag die Bar betritt.

Aber das ist nur die schillerndste Farbe im Gesamtkunstwerk Detlef Bothe. Ihn als Bond-Typen und ewigen Bösewicht abzustempeln, ist lediglich die Viertelwahrheit. Höchstens. Bothe hat viele Gesichter, er kennt Höhen und Tiefen. Es gab Phasen, da lief es gut mit den Engagements, dann wieder wurde er fallen gelassen.

Er will nach Europa

Hin und wieder hadert er mit dem deutschen Filmmarkt, dem Schubladendenken, den starren Strukturen. "Ich liebe unser Land, aber das ist schnell abgearbeitet", sagt er. Nun träumt er davon, mit dem Schub durch Bond seine internationale Karriere fortführen zu dürfen. "Ich will in den europäischen Markt", sagt er.

Man traut es ihm zu, Detlef Bothe kann eine Urgewalt sein, ein Tausendsassa mit Erfahrung. Er ist nicht nur Schauspieler, er ist auch Filmemacher. Er dreht Independent-Werke, schreibt Drehbücher, entwickelt Stoffe. Er ist Kameramann, Produzent, Autor. Das meiste finanziert er selbst, kümmert sich um Schnitt, Marketing, Presse, Verleih. Er sagt: "Ich habe keine Hobbys, Filmemachen ist mein Ding."

Kein Stoff für Zartbesaitete

Vor wenigen Wochen stellte er "Eva S. - Die Nationalistin" bei den Hofer Filmtagen vor, ein rohes Drama über eine Schauspielerin, die als Prostituierte anschafft. Nebenbei arbeitet er daran, "Into The Suite" in die Kinos zu bringen, sein "Drogen-Musical", wie er sagt. Er hat noch andere Begriffe dafür: "deutsches Underground-Kino", "verspulter Flashtrash". Nazis, Nutten, nackte Haut - Bothes Stoffe sind nichts für Moralisten, nichts für Zartbesaitete, nichts fürs ZDF-Sonntagskino.

Im besten Falle sind seine Filme außergewöhnlich. "Mut, Innovation und Wahnsinn" wurde ihm 2002 bescheinigt, als er beim Filmfest München einen umstrittenen Sonderpreis für sein Debüt "Feiertag" erhielt. Dieser und weitere Filme schafften es ins Kino, andere nicht. An seiner filmischen Konsequenz will er aber nicht rütteln. "Ich bin einer, der ungern aufgibt", sagt er und schaut den Reporter mit festem Blick an. "Du machst einfach weiter, das ist deine Leidenschaft."

Nach Cannes auf den Campingplatz

Bothe ist ein Freak, einer, der sich durchbeißt. Er ist auch ein Mann der Gegensätze und scheinbaren Widersprüche. Als er kürzlich eines seiner Filmprojekte per Crowdfunding zu finanzieren versuchte, die Münchner Single-Komödie "Ü30 Paradiso", da kamen nur 250 Euro zusammen - ein Witz im Filmbusiness. Der neue Bond soll ein Budget von 300 Millionen US-Dollar gehabt haben, das nur zum Vergleich.

Kontraste wie diese gehören zu Bothes Leben, das vor 50 Jahren in Braunschweig begann und sich seit 25 Jahren hauptsächlich in München abspielt. Hier Bond, da Finanzierungslücke. Hier der Bösewicht, da der liebe Kerl. Hier Rummel, da Ruhe ("Ich feiere die Party in mir"). Hier Filmfestival, da Zeltplatz. "Ich fahre jedes Jahr nach Cannes", sagt er und schiebt hinterher, wie er es sich dort auf dem Campingplatz gemütlich macht. "Das ist mein Urlaub."

Ein langer Weg zum Film

Ungewöhnlich war sein Weg zur darstellenden Kunst. Der Ausbildung zum Kfz-Mechaniker folgten Jobs als Gebrauchtwagenhändler und Gastronom. Mit 24 ließ er sich am Zinner Studio in München zum Schauspieler formen, danach war er in Filmen und auf Theaterbühnen zu sehen, etwa an den Kammerspielen, in Augsburg, Göttingen und Berlin. Sein eigenes Stück "Pornostars mit Liebeskummer" hatte 2003 im Staatstheater Hannover Uraufführung. Davor und danach: immer wieder Filme. "Mein Gemischtwarenladen", so nennt er die Summe seiner Talente.

Wie es ihm gelingt, sich nicht zu verzetteln? Detlef Bothe nippt an seinem Kaffee und sagt: "Es gilt der Kernsatz: Nur die Paranoiden überleben." Er habe immer mehrere Stoffe in der Schublade, sei viel unterwegs. Filmtage hier, Bond-Premiere da, dazwischen Dreharbeiten in Braunschweig zum Nazi-Zombie-Trash-Horrorfilm "Sky Sharks". Ein verrücktes, aber stark wachsendes Underground-Projekt, von dem Bothe glaubt: "Das wird mein großer Durchbruch."

Bothe will wahrgenommen werden

Wie getrieben im positiven Sinne der 50-Jährige ist, wird auch darin deutlich, dass man schon mal eine E-Mail von ihm bekommt, die um 4.24 Uhr nachts abgeschickt wurde. "Ja, ja, eisenhart", kommentiert er, wenn man ihn auf die Uhrzeit anspricht, "aber hilft ja nix." Bothe ist gern "der Indie-Typ", gleichwohl spürt er eine Sehnsucht, dazuzugehören. "Die ist schon da", gibt er zu und sagt: "Ich warte darauf, dass die Leute sich für Detlef-Bothe-Filme interessieren, und arbeite daran."

Zunächst einmal hat der Bond-Bösewicht Gutes im Sinn. Nach zwei Stunden Interview setzt er sich seine Mütze auf, zieht seine Jacke an und geht. Mit seiner achtjährigen Tochter will er noch ins Nordbad. Kopfsprünge üben und abtauchen. Vielleicht auch vor dem Rummel.

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