Ein Jahr danach:Hochsaison für Grabtouristen

Ein Jahr nach dem Mord an Moshammer wird sein Mausoleum zur Attraktion. Oft ist es die Neugier, welche die Mosi-Touristen an die letzte Ruhestätte treibt.

Stefanie Adamczyk

Ihr Blick ist lang und prüfend, hinter der großen schwarzen Sonnenbrille immer noch zu erahnen. Gerichtet ist er auf das mächtige Mausoleum am Ostfriedhof: Die fünf Stufen mit den Grablichtern, rote und weiße. Die Gestecke darüber, große und kleine - Heidekraut, Tannenarrangements, riesige Schalen mit weißen Weihnachtssternen.

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(Foto: Foto: ddp)

Sogar ein Christbaum steht noch dort, bepudert mit Kunstschnee, die schiefen Kerzen noch nicht angebrannt. "Das hätt' dem Mosi gefallen", beschließt sie dann und stellt ihre Kerze, die sie gerade erst schräg gegenüber beim Toilettenhäuschen für 1,50 Euro aus einem Automaten gezogen hat, dazu.

Es ist Vormittag. Die Sonne scheint, der Schnee, der echte, glitzert. Beste Pilgerzeit, bestes Pilgerwetter. Und doch ist es eher ruhig am Grab von Rudolph Moshammer, gestorben in der Nacht des 14.Januar 2005. Nicht irgendein Mann, sondern ein stadtbekannter Modehändler. Nicht irgendein Tod, sondern Mord. Erika, die ihre Kerze jetzt angezündet hat, tritt vier Schritte zurück und scheint noch zufriedener als zuvor.

"Guck an, der Moshammer"

Warum sie hier ist? "Das Wetter ist heut' so schön, da wollten wir halt ein wenig raus", meint sie. Ihre sechs Kegelfreundinnen, ohne Sonnenbrillen, lachen. "Naja", windet sich eine von ihnen dann doch und Erika führt für sie fort: "Der Moshammer hat einfach zu München gehört - und irgendwie tut er das ja immer noch."

Tut er das? Die Besuche an seinem Grab jedenfalls wirken beiläufig. Oft so zufällig, als seien im Vorbeilaufen Erinnerungen wach geworden. Mausoleum? Zwölf Säulen, die äußeren eckig, die inneren rund? Hat man das nicht auf irgendeinem Bild, in irgendeinem Fernsehbericht schon mal gesehen?

Die Frau in Lodenmantel und Minipli, die fast schon vorbei gewesen wäre, ergreift ruckartig den Arm ihres Mannes, der in einer rosa Trainingsjacke steckt. Neugierig verlassen sie kurz den Hauptweg, weichen aus zur Parzelle 60. "Guck an, der Moshammer", freut sie sich - "Ach Gott" grummelt er. Neugier gestillt. Weiter geht's.

Extra für Moshammer aus Norddeutschland angereist

Eine Musterszene. Dafür hat Moshammer selbst gesorgt. Hat eines der drei Mausoleen des Ostfriedhofes erworben, direkt gegenüber der großen Kapelle. Wer das Gelände durch den Haupteingang betritt, kann ihm quasi kaum aus dem Weg gehen. Was bei den Wartenden somit wechselt, sind das Outfit, das Alter, die Personenkonstellation. Was etwa gleich bleibt, ist die Verweildauer.

Zehn Grablichter stehen auf den Stufen. Nur eines von ihnen, das von Erika, brennt noch, als zwei Männer ein wenig länger bleiben. Der eine groß und hager, etwa Mitte Dreißig, in schwarzer Lederjacke, die ein wenig zu dünn für die Jahreszeit wirkt. Der andere etwas kleiner, etwas älter, sehr elegant. Martin und Klaus.

Die beiden sind eigentlich aus Norddeutschland, nur für das Wochenende in der Stadt und extra wegen Moshammer gekommen. Nicht nach München, aber auf den Ostfriedhof. "Weil das ganz furchtbar traurig war und der Mosi eigentlich nie wirkliche Freunde hatte, oder Martin?", fragt Klaus seinen Martin zur Begründung und Martin nickt. Die beiden schweigen einen Augenblick, zwei, drei Minuten, machen zwei Fotos - eines von Martin und eines von Klaus - dann gehen auch sie wieder.

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