Ehrung:Das NS-Dokuzentrum liegt jetzt am Max-Mannheimer-Platz

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Auf dem Grundstück des NS-Dokuzentrums hatte einst die Parteizentrale der Nazis gestanden. (Foto: Florian Peljak)
  • Die Stadt München hat mit einem Festakt den bislang namenlosen Platz vor dem NS-Dokuzentrum nach dem Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer benannt.
  • Mannheimer war bis zu seinem Tod am 23. September 2016 einer der bekanntesten Zeitzeugen in Deutschland.
  • Er hatte sich stark für den Bau des NS-Dokuzentrums in München eingesetzt.

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Max Mannheimer hat sich nie einschüchtern lassen. Der Holocaust-Überlebende wandte sich an die Jugend: Jahrzehntelang ist er in Schulen und Universitäten gegangen oder hat in Vorträgen von dem Ungeheuerlichen erzählt, das er als junger Mann überstanden hatte. Bis zu seinem Tod am 23. September 2016 war er einer der bekanntesten Zeitzeugen in Deutschland.

Er hielt die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis wach, und er steckte auch nicht zurück, wenn er antisemitische Droh- und Schmähanrufe erhielt. Und doch liege in seinem Tod auch ein Trost, sagt sein Sohn Ernst Mannheimer: So habe er wenigstens die unheilvollen Entwicklungen nicht mehr miterleben müssen, die in den vergangenen Monaten immer schlimmer würden.

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Ernst Mannheimer spricht an diesem Dienstag im Münchner NS-Dokumentationszentrum, und der Anlass ist eigentlich ein freudiger: Die Stadt hat mit einem Festakt den bislang namenlosen Platz vor dem Zentrum nach seinem Vater Max Mannheimer benannt. Der Tag ist bewusst gewählt: Der Geehrte wäre am 6. Februar 98 Jahre alt geworden. Familienmitglieder sind gekommen, auch Charlotte Knobloch ist da, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, die evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler und die beiden früheren Bundesminister Theo Waigel und Alt-OB Hans-Jochen Vogel, die das Kuratorium des NS-Dokuzentrums leiten.

Ernst Mannheimer spricht bei dem Festakt als Letzter. Schwester Elija Boßler vom Karmelitinnen-Kloster Heilig Blut in Dachau, eine langjährige Wegbegleiterin Max Mannheimers, hat bereits davon berichtet, wie aus dem jungen Überlebenden, dessen Familie fast gänzlich von den Nazis ermordet worden war und der eigentlich nie wieder einen Fuß nach Deutschland setzen wollte, wegen der Liebe zu seiner deutschen Frau Elfriede letztlich doch ein Münchner wurde.

Sie hat erzählt, wie sich Mannheimer davon befreite, bei jeder Begegnung darüber nachzudenken, was sein Gegenüber wohl in der Nazizeit getan und über Juden gedacht hatte. Und Oberbürgermeister Dieter Reiter hat gesagt, Mannheimer sei ein großer Mahner gewesen, aber auch ein Versöhner. Das NS-Dokumentationszentrum könne man auch als sein persönliches Vermächtnis sehen.

Tatsächlich ist es ein Ort, den viel mit Mannheimer verbindet. Der KZ-Überlebende hatte sich stark für den Bau des Zentrums eingesetzt, auf dem Grundstück, auf dem einst das "Braune Haus" gestanden hatte, die Parteizentrale der Nazis. Mannheimer war Mitglied des Kuratoriums des Dokuzentrums gewesen, und bei der Grundsteinlegung wurde in einer Schatulle unter anderem sein "Appell an die Jugend in Deutschland" vergraben. "Lernt aus der Geschichte", heißt es darin.

Die Jugendlichen sollten wachsam bleiben, wenn die Demokratie und die Menschenrechte in Gefahr gerieten und die Verbrechen der Nazis verharmlost würden. Sie sollten alles tun, damit deren Ungeist "nie mehr einkehrt in die Köpfe der Menschen, weder in Deutschland noch anderswo in der Welt".

"Mein Vater hätte sich über die Ehrung gefreut"

Max Mannheimer hat diese Zeilen im März 2012 geschrieben. Fast sechs Jahre später spricht nun sein Sohn Ernst im fertigen Dokuzentrum, und es schwingt die Sorge mit, dass der Appell des Vaters verhallt. Nationalistische Kräfte seien in Deutschland wieder stark geworden, klagt Ernst Mannheimer. Besonders seit der Flüchtlingsdebatte von 2015 an kämen rassistische und antisemitische Reflexe immer deutlicher zum Vorschein. Deutsche und Zuwanderer nähmen Juden für den Nahost-Konflikt in Sippenhaft. Und jüdische Münchner hätten wieder Angst, ihre Religion offen zu leben.

Mit dem Max-Mannheimer-Platz werde nun aber am richtigen Ort an seinen Vater erinnert, sagt Mannheimer. "Mein Vater hätte sich über die Ehrung gefreut", und er wolle sich auch im Namen seiner Schwester dafür bedanken.

Der Max-Mannheimer-Platz reicht nun vom NS-Dokuzentrum bis zu den Resten eines der "Ehrentempel", mit denen die Nazis einst die getöteten Putschisten von 1923 verherrlichten, und von der Brienner Straße bis zur Musikhochschule, dem früheren "Führerbau" Hitlers. Das NS-Dokuzentrum, das sich so wie Mannheimer die Aufklärung über das Regime der Nazis auf die Fahnen geschrieben hat, trägt nun als einziges Gebäude mit dieser Anschrift die Hausnummer 1.

Die Ehrung für Mannheimer geht auf die Initiative des Oberbürgermeisters zurück; der Stadtrat hat sie im Oktober 2016 beschlossen. Verglichen mit Mannheimers Einsatz sei die Benennung des Platzes ein eher profaner Akt, sagte Reiter am Dienstag. Doch wenn künftig einer die neue Adresse ausspreche, dann schwinge hoffentlich auch der Appell des Namensgebers mit.

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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