Ehefrau erstochen:Rechtsanwalt soll lebenslang in Haft

Affären, Erektionsstörungen, Eifersucht: Ein Ehepaar aus Schäftlarn hielt die Fassade der perfekten Familie aufrecht, bis der Ehemann seine Frau mit einer Vielzahl von Messerstichen tötete. Die Staatsanwältin wertet die Tat als Mord - und plädiert auf besondere Schwere der Schuld.

Von Christian Rost

Das Ehepaar aus Schäftlarn hielt die Fassade der perfekten Familie aufrecht, so lange es ging. Tatsächlich lebten der 47-jährige Rechtsanwalt Michael N. und seine 37-jährige Frau schon seit Jahren in einer völlig zerrütteten Beziehung. Sie hatte Liebhaber, er erging sich in Selbstmitleid und fiel mit Wutausbrüchen aus der Rolle.

Am 25. Juni 2012 eskalierte die Situation: N. tötete seine Frau in der gemeinsam gemieteten Doppelhaushälfte mit einer Vielzahl von Messerstichen. Zurück blieben vier Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren, die heute quasi Vollwaisen sind, weil der Vater im Gefängnis sitzt. Wie lange er in Haft bleibt, entscheidet kommende Woche das Münchner Schwurgericht. Die Staatsanwaltschaft forderte am Montag für N. wegen heimtückischen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Anklägerin Nicole Selzam ließ kein gutes Haar an N. in ihrem Schlussvortrag und beantragte auch die besondere Schwere der Schuld. Damit könnte der Angeklagte nach 15 Jahren Haft nicht vorzeitig auf Bewährung entlassen werden. Selzam zeichnete das Bild eines überehrgeizigen Juristen, dem ein hohes Einkommen wichtiger war als seine Familie, für die er keine Zeit hatte. 10.000 Euro netto habe N. zuletzt in München in einer großen Kanzlei verdient, was ihn nicht zufriedengestellt habe, während seine Frau "keinen Hang zum Luxus hatte. Sie kaufte auch bei Aldi ein".

Auch in sexueller Hinsicht verstand sich das Paar seit dem Jahr 2011 nicht mehr. Der Angeklagte litt an Erektionsstörungen, für die sich keine organische Ursache finden ließ. "Er definierte sich über seine Potenz", sagte Selzam, und weil er dafür nicht das gewünschte Verständnis seitens seiner Frau bekommen habe, sei er mit seinem VW-Käfer-Cabrio auf der Garmischer Autobahn absichtlich in die Leitplanke gerast. Doch auch nach diesem Unfall, den N. unverletzt überstand, bemitleidete ihn seine Frau nicht. "Sie ging stattdessen andere Wege, suchte sich in einem Fitnessstudio einen Liebhaber ", so die Staatsanwältin. Für Michael N. habe konkret die Gefahr bestanden, dass sie sich von ihm trennen werde.

In den folgenden Monaten habe er noch auf seine Frau eingeredet, um sie zurückzugewinnen. "In endlosen Gesprächen hat er alles zerredet", so die Staatsanwältin. Seine Frau hörte ihm schließlich nicht mehr zu und hielt die Ehe nur noch für die Kinder aufrecht. Als der Angeklagte am Tattag eine neuerliche Aussprache verlangte und dabei eine SMS-Nachricht auf ihrem Handy von einem Liebhaber entdeckte, sei er ausgerastet, obwohl er selbst längst Affären gehabt habe. Mit einem Küchenmesser stach er 18 Mal auf seine Frau ein, vor den Augen der erst vier Jahre alten Tochter. Der erste Stich traf die Frau laut Anklage von hinten in den Rücken, was das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllen würde.

Als Tatmotiv nannte Selzam "krasse Eigensucht": N. habe es nicht akzeptieren können, dass seine Frau sich von ihm trennen wollte. Dabei habe er das Bild vor Augen gehabt: "Sie sitzt mit Freundinnen Prosecco-trinkend auf der Terrasse ihres Hauses, während er in ein Ein-Zimmer-Appartement ausquartiert wird und weiter im Job für die ganze Familie schuften muss."

Verteidiger Frank Eckstein reagierte sichtlich ungehalten auf die "vielen Vermutungen" der Staatsanwältin. So gebe es keinen Beweis dafür, dass der Angeklagte hinterrücks auf seine Frau eingestochen habe. N. selbst hatte beteuert, er habe zu einem Küchenmesser gegriffen, als er dem Opfer "von Angesicht zu Angesicht" gegenüber gestanden sei. Eckstein betonte mehrfach, dass die Konflikte in der Ehe von der Frau ausgegangen seien.

Während der Mann bis zur Erschöpfung gearbeitet habe, um seiner Familie alles zu bieten, habe sie ihn fortlaufend gedemütigt und sich über seine Erektionsstörungen lustig gemacht. "Schlappschwanz" habe sie ihn genannt, so der Verteidiger. Er beantragte eine Verurteilung wegen Totschlags zu acht Jahren Haft mit der Begründung, es habe sich um eine "lupenreine Affekttat gehandelt".

Überraschend Unterstützung erhielt Eckstein von der Nebenklage, die die Mutter des Opfers vertritt. Deren Anwalt Derek Setz plädierte ebenfalls auf Totschlag, weil ein heimtückischer Mord nicht nachgewiesen sei. Die Mutter der Getöteten, so Setz, wolle keine Maximalstrafe für den Angeklagten, sondern eine "angemessene Strafe". Die Nebenklage-Anwältin, die die vier Kinder vertritt, schloss sich hingegen der Staatsanwältin an.

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