Eheberatung:Fest des Streits

Warum es zwischen Weihnachten und Silvester so häufig zum Ehekrach kommt

Von Jakob Wetzel

Waren die Geschenke verkehrt? Hat sich der Partner nicht genügend gefreut? Nerven die Schwiegereltern? Oder musste wieder einer den ganzen Tag alleine und ohne Hilfe in der Küche stehen? Weihnachten, das viel beschworene Fest der Liebe und der Familie, bietet oft genug Anlass zum Streit: Miteinander feiern bedeute eben nicht immer nur Entspannung, sondern auch Stress, sagt Isabell Überall, Ehe- und Familienberaterin beim Erzbistum München und Freising. Und was jener Stress gerade zu Weihnachten bedeutet, das merkt sie ganz konkret: Nach den Feiertagen verzeichnet sie mehr Anmeldungen zur Eheberatung als sonst.

Verantwortlich macht die Psychologin dafür zweierlei. Zum einen gebe es an Weihnachten Zeit, um zu streiten. Im Alltag, auch in der Vorweihnachtszeit, würden viele Spannungen noch übergangen. An den freien Tagen aber kämen unausgesprochene Konflikte auf den Tisch. Wohl aus diesem Grund fragen auch nach den Sommerferien verstärkt Menschen nach einer Eheberatung. An Weihnachten aber komme ein weiteres Problem hinzu, sagt Überall: die hohen Erwartungen an das Fest und die freien Tage.

"Es gibt einerseits den Wunsch, sich endlich mehr zu sehen", sagt die Psychologin. Andererseits aber werde Weihnachten dadurch überhöht. Die ganze Familie soll harmonisch zusammensitzen, alles soll besonders schön und friedlich sein. Und dann knirscht es eben doch.

Worüber im Einzelnen gestritten wird, das sind laut Überall oft ganz einfache Dinge: Wie wird gefeiert und mit wem? Wann werden die Eltern des einen besucht, wann die des Partners? Geht es in die Kirche, wann ist Bescherung? Wie viel Zeit wird gemeinsam verbracht, wie viel bleibt jedem für sich, etwa für ein bisschen Sport? "Das Problem ist meist weniger, dass jemand mit der angeheirateten Familie nicht zurechtkommt", sagt Psychologin Überall. Es gehe mehr darum, dass die eigenen, individuellen Erwartungen nicht erfüllt werden. Und sei es, dass sich die Menschen vor allem Gedanken darüber machen, was sie tun können, damit es den anderen gut geht, und weniger über sich selbst.

Um Konflikte während der freien Tage zu vermeiden, rät Überall dazu, mehr miteinander zu sprechen - und zwar nicht erst, wenn es bereits zu spät ist. Oft helfe es, wenn die genauen Abläufe geklärt sind. Junge Paare etwa, die noch keine gemeinsamen Rituale gefunden haben, sollten vorab gemeinsam festlegen, wann mit wessen Eltern gefeiert wird. Aber auch Paaren, die schon lange zusammen sind und für die Weihnachten jedes Jahr ähnlich abläuft, rät Überall, gemeinsam zu planen. Essen, einkaufen, Geschenke verpacken, den Baum schmücken: Wenn vorher genau besprochen sei, wer sich worum kümmert, gebe es seltener Streit.

Schließlich rät die Psychologin dazu, es mit der Gemeinsamkeit nicht zu übertreiben. "Man sollte sich Tage freihalten und Zeit für sich selbst einplanen - und sich diese dann auch tatsächlich nehmen." Streit entstehe oft aus Druck heraus. Die Herausforderung sei, eine gute Mischung zu finden aus Beisammensein und Ruhe. "Weniger ist mehr", rät Überall. An Weihnachten dürfe man alles etwas herunterfahren.

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