S-Bahn-Taktung:Wegen zweiter Stammstrecke: Protest in Vaterstetten, Haar und Zorneding

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Wegen angeblich "vergleichsweise wenig Verkehrsaufkommens" auf der S4 und S6 fahren dort künftig kürzere Züge in längeren Abständen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wenn der Bau fertig ist, soll es mit dem Zehn-Minuten-Takt der S 4 und der S 6 vorbei sein. Nun wehren sich die Bürgermeister.

Von Wieland Bögel und Bernhard Lohr, Vaterstetten/Zorneding/Haar

Im Münchner Osten formiert sich breiter Protest gegen Verschlechterungen bei der S-Bahnanbindung. Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) hat nun in einem Schreiben ans bayerische Verkehrsministerium beklagt, dass nach dem Ausbau der Stammstrecke auf dem Ostast der S 4 und S 6 ein Abschied vom Zehn-Minutentakt vorgesehen ist. Sie pocht auf Langzüge und ein besseres Angebot auch nachts. Damit trifft sie offenkundig einen Nerv. Auch in Vaterstetten und Zorneding ist der Unmut groß.

Der Weckruf aus Haar kommt in einer Zeit, in der alles über den dringend notwendigen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) spricht. Mehr S-Bahnen sollen verkehren, in dichteren Takten und viele neue Buslinien auf Tangentialrouten sollen die Bevölkerung dazu bringen, auf den ÖPNV umzusteigen. Fahrrad-Leihsysteme werden an den Bahnhöfen aufgebaut. Nun ruft Müller in Erinnerung, dass das größte Infrastrukturprojekt im Großraum München schon immer Kritik auf sich zog, weil es nicht für alle S-Bahnäste Verbesserungen versprach.

Was die Kritiker der Milliardeninvestition seit langem anführen, wird jetzt konkreter: Der Betriebsplan für die S 4 und S 6 sieht vor, mit Eröffnung der zweiten Stammstrecke im Jahr 2026 vom jetzt zumindest im Berufsverkehr bestehenden Zehn-Minuten-Takt auf einen durchgängigen 15-Minuten-Takt umzustellen. Müller hält das für inakzeptabel und unzeitgemäß. Gerade der Münchner Osten erlebe eine dynamische Siedlungsentwicklung. An die 9000 Arbeitsplätze befänden sich alleine im Umkreis des Haarer Bahnhofs. Unternehmen legten großen Wert auf eine gute Anbindung an die Stadt, sagt Müller und fordert Korrekturen an den Plänen.

Ebenfalls auf Unverständnis stößt, dass auf Langzüge auf dem Ostast der S 4 und S 6 verzichtet werden soll, mit dem Argument, dort herrsche "vergleichsweise wenig Verkehrsaufkommen". Der Bezirksausschuss Trudering hat bereits im Dezember eine Protestnote an die Stadtverwaltung geschickt, verbunden mit der Aufforderung zu erläutern, wie man dazu komme, dass dort weniger Fahrgäste unterwegs seien als im Durchschnitt im MVV-Gebiet.

Auch für Zorneding ist eine gute Bahnverbindung wichtig

Haars Bürgermeisterin hält die S 4/S 6 für eine der "am stärksten frequentierten S-Bahnstrecken". Gerade Haar sei ein Knotenpunkt. Als letzte Haltestelle des Innenraums weise der Bahnhof Haar hohe Ein- und Aussteigezahlen auf. Wichtige tangentiale Buslinien endeten in Haar.

Bei Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) hat es seit Bekanntwerden der geplante Taktänderung bereits Anfragen von Bürgern gegeben, sich für eine Beibehaltung des aktuellen Fahrplanes einzusetzen. Die Gemeinde habe sich an den Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU) gewandt, der Sprecher der MVV-Landkreise ist. Leider, so Reitsberger, bisher ohne Erfolg. "Wir wurden immer nur vertröstet."

Zornedings Bürgermeister Piet Mayr (CSU) sagt, gerade die schnell wachsenden Gemeinden wie Zorneding seien auf eine gute Bahnverbindung angewiesen. Um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, schlägt Mayr vor, dass sich alle von der Taktänderung betroffenen Gemeinden zusammenschließen. Ähnlich wie beim Lärmschutz könnten die Kommunen eine gemeinsame Petition an die Zuständigen, etwa im Verkehrsministerium, schicken. Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) begrüßt das. Gemeinsam müsse man vorgehen, sagt er.

Auch wenn die Defizite der zweiten Stammstrecke lange bekannt sind, hält Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller Verbesserungen für möglich. Müller fordert auch Korrekturen am derzeitigen Fahrplan. Viele Klagen hätten das Rathaus erreicht. So seien seit Dezember die Abstände in der Zugfolge größer geworden. Gerade Schüler hätten darunter zu leiden. Fahrgäste müssten länger warten, Anschlüsse an die Busse passten nicht mehr. Ein großes Ärgernis sei der 40-Minuten-Takt bereits von 23.30 Uhr an, der viele Fahrgäste betreffe, die abends in München unterwegs seien. Der 20-Minuten-Takt solle bis 0.30 Uhr ausgeweitet werden. Ein weiteres Anliegen sei ein durchgängiger Nachtbetrieb der S-Bahn zumindest im Stundentakt.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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