Zorneding/Pliening:Über die grüne Grenze

Pliening und Zorneding fühlen sich von den bepflanzten Streifen, die ihre Gemeinden von den Nachbarn trennen, eingeschränkt. Dabei könnte man hier so schön Baugrund für Gewerbe und Wohnen schaffen

Von Carolin Fries und Alexandra Leuthner, Zorneding/Pliening

Betrachtet man den Landkreis Ebersberg im Regionalplan München, fallen die gezackten Linien (in der Grafik rot hervorgehoben, Anm, d. Red.) kaum auf. Im Norden zwischen Poing und Pliening sind sie eingezeichnet, im Westen zwischen Zorneding und seinen Nachbargemeinden Kirchseeon und Vaterstetten sowie im Süden zwischen Grafing und Grafing Bahnhof. Ein paar Zentimeter blasses Grün. In der Realität entpuppen sich diese Linien - Trenngrün benannt - als zumeist großflächige Landstriche, bestehend aus Hecken, Wäldern und Feldern. Ihre Aufgabe: Sie sollen sichtbar trennen, was nicht zusammengehört. Wo Vaterstetten aufhört und Zorneding beginnt, das soll nicht nur ein gelbes Ortsschild kenntlich machen, sondern auch ein Streifen Landschaft ohne Bebauung.

Im Dezember vergangenen Jahres hat der Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbandes München eine Gesamtfortschreibung des Regionalplans beschlossen und einen Entwurf vorgelegt. Zu einer derart umfangreichen Überarbeitung kommt es maximal alle zehn Jahre, zwischenzeitlich gehören Änderungen zur Regel. Akut wolle man mit der Fortschreibung auf das enorme Bevölkerungswachstum in der Region reagieren, erklärt Verbandsgeschäftsführer Christian Breu. Bis Ende Juli haben die 194 Mitglieder - alle Landkreise, kreisfreien Städte und kreisangehörigen Gemeinden in der Region - noch Gelegenheit, im ersten Anhörungsverfahren dazu Stellung zu nehmen. Etwa die Hälfte der Mitglieder hat laut Breu bereits Änderungswünsche angemeldet. "Ich weiß, dass im Landkreis Ebersberg das Trenngrün virulent ist", sagt er. Ausdrücklich hatte der Planungsverband hierzu um Stellungnahmen gebeten.

Die Gemeinden Pliening und Zorneding fühlen sich vom Trenngrün in ihren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt. Gegen die Stimmen der Grünen hat der Zornedinger Gemeinderat den Antrag auf Streichung beschlossen, um eine "moderate Erweiterung des bestehenden Gewerbegebietes zu ermöglichen. Sonst, so machte Zornedings Bürgermeister Piet Mayr (CSU) deutlich, müsste man an anderer Stelle im Ort Gewerbegrund ausweisen, was zu einem unschönen "Fleckerlteppich an Gewerbe" führen würde. Da wäre ihm eine Erweiterung des Pöringer Gewerbegebiets in Richtung Westen deutlich lieber.

Vor ein paar Jahren hat der Gemeinderat zugestimmt, dass das Entsorgungsunternehmen "Ammer" aus der Pöringer Ortsmitte auf die grüne Wiese westlich der Staatsstraße 2081 umsiedeln durfte. "Weiter westlich darf momentan aber nichts passieren", beklagt Mayr. Er würde dort gerne der einen oder anderen Firma eine Gewerbefläche anbieten können, "mehrere Firmen zeigen schon länger Interesse", sagt er. Mit den Grundstückseigentümern habe er noch nicht gesprochen. Er will zunächst mit dem Planungsverband klären, ob überhaupt eine Möglichkeit für eine Ausweisung von Baugrund besteht. Vielleicht könne man ja ein Stückchen näher ran. "Einmal habe ich schon eine Absage kassiert", erzählt er. Deshalb habe er sich dieses Mal Rückendeckung aus dem Gemeinderat geholt.

Helmut Obermaier (Grüne) sagt, Zorneding solle sich am regionalen Wettbewerb nach dem Motto "Wer weist am meisten Gewerbefläche aus?" nicht beteiligen. "Wir brauchen Wohnungen, keine Gewerbeflächen", sagt er. Außerdem lebe Zorneding von der Einkommensteuer, nicht von der Gewerbesteuer. Zumal man gar nicht wisse, ob die Firmen am Ende tatsächlich ihre Steuern in Zorneding zahlen. Ein Zusammenwachsen mit Baldham gelte es jedenfalls zu verhindern, vielmehr müsse man "den Charakter der Rodungsinsel Zorneding" bewahren.

Auch in Pliening hadert man mit den Vorgaben des Planungsverbands. Konkrete Anfragen von Firmen gibt es hier allerdings noch keine. Auch über Begehrlichkeiten von Grundstückseigentümern, die auf Bauland im Trenngrün oder im Regionalen Grünzug in Richtung Markt Schwaben spekulieren, den Pliening ebenfalls in Teilen zur Disposition stellen möchte, sei ihm nichts bekannt, sagt Bauamtsleiter Martin Schmidt-Roschow. Was die Plieninger aber ärgert, ist, dass sie sich seit Jahren schon in der Regionalplanung benachteiligt fühlen. Nur die sogenannten Wachstumsgemeinden, die an den S-Bahnhaltestellen liegen, dürften sich ausdehnen bis an ihre Gemeindegrenzen, hatte CSU-Gemeinderat Josef Bauer-Eberhart im Bauausschuss geschimpft.

Zorneding/Pliening: SZ-Grafik; Quelle: Regionaler Planungsverband

SZ-Grafik; Quelle: Regionaler Planungsverband

Und ein Blick auf die Karte zeigt: Die vier Trenngrünstreifen in Richtung Kirchheim und Poing liegen tatsächlich ausschließlich oder überwiegend auf Plieninger Flur. Die Stellungnahme zur Fortschreibung des Regionalplans sei "unsere Chance, das ein bisschen gerechter darzustellen", sagt Bürgermeister Roland Frick (CSU). Von einer "Gleichheit der Waffen" gar spricht der Bauamtsleiter. Nun plädiert Pliening also dafür, die Streifen zwischen den Gewerbegebieten Kirchheim und Landsham, Poing und Ottersberg sowie Landsham und Grub ganz zu streichen. Zwischen Pliening und Poing soll der 650-Meter-Streifen so verringert werden, dass beide Gemeinden jeweils die gleiche Breite von etwa 100 Metern hätten.

Ein Dorn im Auge ist dem Plieninger Gemeinderat, der seinen Forderungskatalog in der jüngsten Sitzung bereits gegen die Stimmen von SPD-Unabhängigen abgesegnet hat, auch die Ausdehnung des Regionalen Grünzugs zwischen Gelting und Markt Schwaben, der bis über die Flughafentangente (FTO) hinüber reicht und an der Markt Schwabener Ortsgrenze endet. Nun könnte die Nachbarkommune hier östlich der Staatsstraße Gewerbe ausweisen, zumindest ein Teil des Verkehrs würde, so die Befürchtung, auch über Plieninger Straßen fließen. Pliening aber könnte den Vorteil der Anbindung an die FTO nicht nutzen. Also will man hier den Grünzug von 1,5 Kilometer Breite auf etwa 800 Meter reduzieren. "Bis zum Waldrand etwa", sagt der Bauamtsleiter, "weiter bekommen wir es eh nicht durch."

Vor drei Jahren wurde der Regionale Grünzug zuletzt erweitert und verschoben, "da wollen wir generell nicht ran", sagt Planungsverbandschef Christian Breu. Das Trenngrün indes "stellen wir mal auf den Prüfstand". Sollte es hier zu Änderungen kommen, dann seien allerdings einheitliche Kriterien wichtig, die für alle gelten. "Dann muss es ein verbindliches System geben und eine vernünftige Begründung", sagt er. Klar sei aber, dass es "umso umstrittener wird, je näher eine Bebauung an das Trenngrün heranreicht." Und dass es je nach örtlichen Gegebenheiten weiter auch Einzelentscheidungen geben müsse.

Info

Die Regionalpläne werden aus dem Landesentwicklungsprogramm erarbeitet und konkretisieren die dortigen Festlegungen räumlich und inhaltlich für die 18 bayerischen Regionen. Sie werden von den Regionalen Planungsverbänden aufgestellt und bei Bedarf fortgeschrieben. Mit der Planung koordiniert der Regionale Planungsverband München die räumliche Entwicklung der Region und vertritt so die Interessen von rund 2,5 Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Die Regionalpläne enthalten Festlegungen zu überfachlichen und fachlichen Belangen wie zum Beispiel zur Siedlungs- und Freiraumentwicklung sowie gebietsscharfe Vorrang- und Vorbehaltsgebiete, zum Beispiel zur Sicherung und Gewinnung von Bodenschätzen. Die Regionalpläne bestehen jeweils aus einem Text mit Zielen und Grundsätzen und deren Begründung sowie aus Karten. frie

Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ist Mitglied der Kommission beim Regionalen Planungsverband, die die Schwerpunktthemen Mobilität, bezahlbarer Wohnraum und Energiewende für die Fortschreibung des Regionalplans festgelegt hat. "Beim Thema Trenngrün sind aus der Sicht des Landkreises keine Änderungen vorgesehen", sagt er. Dass es diese siedlungsfreien Bereiche zwischen den Kommunen beziehungsweise Ortschaften gebe, sei sinnvoll. Was die detaillierte Lage dieser Flächen angehe, "sollten die Gemeinden mitreden können, beziehungsweise sich untereinander abstimmen, falls das Trenngrün an der Gemeindegrenze liegt", sagt er. Der Landkreis werde sich hier aber nicht einmischen: "Das ist Sache der Gemeinden und wird im Verfahren im Einzelfall beurteilt werden müssen."

"Wir sammeln jetzt erst einmal alle Anregungen", sagt Christian Breu. Er geht davon aus, dass im Herbst ein zweites Anhörungsverfahren folgt, womöglich auch noch eine dritte Runde. Das sei nicht ungewöhnlich. "Schließlich soll der Plan dann wieder für zehn oder 15 Jahre Bestand haben."

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