Zorneding:Zeitreise durch das alte Zorneding

Zorneding Franz Hauser Vortrag

Franz Hauser dachte sich, dass es irgendwann interessant sein würde, alte Fotos anzuschauen - und sammelte hunderttausend.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Franz Hauser zeigt Fotos, die die Entwicklung der Gemeinde in den vergangenen Jahrzehnten dokumentieren

Von Anselm Schindler, Zorneding

Der große Saal des Gasthofes Neuwirt in Zorneding ist voll. Mehr als hundert Gäste drängen sich zwischen den Tischen, sie zerren Stühle aus anderen Räumen herbei, einige setzen sich auf den Boden. Stimmengewirr, dazwischen Bedienungen, die Tabletts durch die Menge balancieren. Mitten in dem Trubel sitzt Franz Hauser, er friemelt an der Fernbedienung des Beamers herum. Das Bild an der Leinwand ruckelt, wird mal mehr, mal weniger scharf. "Ich soll das heute hier machen", spricht Hauser ins Mikrofon und verschafft sich im herumwuselnden Publikum Gehör.

Hauser hat Fotos dabei, viele Fotos. Bei der Beamer-Präsentation zeigt er an diesem Mittwochabend, wie sich Zorneding in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt hat. Und Hauser hat Geschichten dabei, zu jedem Foto einen Schwank parat. Von Resi, der besten Schafkopferin des Ortes zum Beispiel oder davon, wie er und seine Spezln als Kinder auf der Wiese mit Überbleibseln aus dem Zweiten Weltkrieg spielten - und sich dafür Zuhause eine Watschn einfingen. Seit vielen Jahren ist Hauser im Heimatkundekreis Zornedings aktiv, der auch den Abend im Neuwirt organisiert. Das Motto dieses Abends: Zorneding gestern und heute. Die Bedienung bringt noch ein Bier, mit Hausers Stimme im Ohr begibt man sich auf eine Zeitreise.

Im Publikum sitzen neben alteingesessenen Zornedingern auch einige Zugezogene: "Ich finde das hier echt spannend", sagt eine Frau mittleren Alters. "Zu erfahren was diesen Ort ausmacht. Und wie er zu dem geworden ist was er heute ist." Ein halbes Jahrhundert Zorneding - "is scho da Wahnsinn, was sich da tan hat", murmelt eine Alteingesessene. Auf einem der ersten Bilder, die über die Leinwand flimmern, sieht man ein paar mit Stroh eingewickelte junge Burschen. "Die Strohmandl waren früher ganz üblich bei Hochzeiten", erzählt Hauser. In Schüsseln sammelten sie Spenden von den Hochzeitsgästen, "da hat dann ein jeder 50 Pfennig reingeschmissen oder ein paar Mark. Doch der Brauch ist schon seit dreißig, vierzig Jahren in Vergessenheit geraten".

Vor einem halben Jahrhundert begann Franz Hauser, mit Fotos zu dokumentieren, wie sich Zorneding verändert. "Weil ich mir dachte, dass das interessant wird, wenn man das Jahrzehnte später anschauen kann", sagt Hauser heute. Im November wird er 75 Jahre alt. Er hat große Teile seines Lebens in Zorneding verbracht, geboren ist er in Ingelsberg, einem Dorf, das zum Gemeindegebiet gehört. Dann ging Hauser in Zorneding zur Schule, dort bauten seine Eltern ein Haus. In den Siebzigerjahren zogen er, seine Frau und die Kinder schließlich in den Ortsteil Pöring.

Mehrere hunderttausend Fotos hat Hauser in den vergangenen Jahrzehnten gemacht, wie er sagt, nicht nur von Zorneding freilich, auch auf Reisen. Und Hauser hat auch Fotos von anderen Fotografen gesammelt, sie stammen teils aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, "damals musste man noch lange stehen bleiben, nachdem der Fotograf auf den Auslöser gedrückt hat - wegen der langen Belichtungszeit".

Bei der Zeitreise im Neuwirt sieht man, wie das historische Gebäude der Wirtschaft abgerissen wurde und die neue Wirtschaft entstand. Man sieht einige Männer auf einem zugefrorenen Weiher stehen. Sie schneiden große Blöcke aus dem Eis, mit denen man früher die Keller in den Wirtschaften kühlte, um Bier und Wein frisch zu halten, "das Eis schmolz vor sich hin, es hat bis in den Sommer gehalten", erinnert sich Hauser.

Die Fotos zeigen auch, wie ab den Sechzigern Neubaugebiete um den Zornedinger Ortskern herum entstanden. In den Siebzigerjahren etwa das Wohngebiet am Daxenberg, allein dort leben heute 2500 Menschen. Damals bestand auch die Idee, Zorneding zu einer Trabantenstadt von München auszubauen - mit 30 000 Einwohnern. Doch der Gemeinderat lehnte dieses Vorhaben mit knapper Mehrheit ab. Und so hat Zorneding bis heute einen Teil seiner Urtümlichkeit bewahrt, auch wenn viele alte Bauernhäuser modernen Wohnanlagen gewichen sind.

Je mehr Altes von Neuem geschluckt wird, desto mehr Interesse scheint zu bestehen an der Geschichte und den Fotos und Anekdoten von Franz Hauser. Es wird nicht der letzte Abend sein, an dem er das Publikum mit der Historie Zorneding unterhält.

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