Zorneding:Unvergessliche Seelenstücke

Kammermusikzyklus Martinsstadl, Midori und Aydin

Geigerin Midori und Pianist Özgur Aydin beim Konzert des Kulturvereins im Zornedinger Martinstadl.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Geigerin Midori beweist im Martinstadl erlesenen Geschmack

Von Claus Regnault, Zorneding

Hier ist dieser leicht abgenützte Begriff einmal wirklich erlaubt: Das Konzert der Geigerin Midori und ihres Begleiters am Klavier Özgur Aydin im Martinstadl Zorneding war eine Sternstunde: Midori, die japanisch-amerikanische Violinistin, brachte ein denkwürdiges Konzert mit einem außergewöhnlichen Programm.

1982 wurde sie von Zubin Metha für ein Sylvesterkonzert in New York entdeckt und begann ihre Karriere als Wunderkind von elf Jahren. Die frühen Strapazen einer schon damals internationalen Karriere erzwangen eine große Pause, welche sie mit dem Studium der Psychologie an mehreren amerikanischen Universitäten füllte. Seit 2007 hat sie mehrere Professuren an amerikanischen und japanischen Universitäten und den Ehrendoktor der Yale University. Das Studium der Psychologie prägt auch die wieder aufgenommenen musikalischen Karriere: Midoris Spiel ist spürbar Ausdruck ihrer Seele.

Das Konzert begann mit einem virtuosen Stück, der Komposition "Soirée de Vienne Nr. 6", eine Transkription für Violine und Klavier von David Oistrach aus "Valse-Caprices d'après Franz Schubert" von Franz Liszt. Ein solches Virtuosenstück ist naturgemäß die eine Seite dieser großen Künstlerin. Die bedeutendere aber ist die der Interpretin und die ihres musikalischen Geschmacks, dessen Erlesenheit sie im weiteren Verlauf vorführte. Zunächst die gewichtige, in hiesigen Konzertsälen kaum anzutreffende "Violinsonate op. 82" des viktorianischen Engländers Edward Elgar. Das dreisätzige Stück ist im ersten Satz eher dramatisch, endend in einer großartigen Schlusssteigerung. Der Mittelsatz "Romance" bringt sehr verinnerlichten, zärtlichen Gesang und endet kraftvoll im dritten Satz. Elgar schreibt Musik von starker, aber gebändigter Emotion, spätromantisch zwar, aber von edler Faktur. Es ist "Gentleman-Musik". Im langsamen Satz zeigte Medori ihre besondere Kunst des zärtlichen Pianissimo, in welcher sie den Ton fast bis zum Hauch zurücknimmt.

Nach der Pause zunächst die kurz vor seinem Tod komponierte "Fantasie op. 47" von Arnold Schönberg. Das ist nun freilich noch immer als Hörerlebnis fordernde Zwölftonmusik, deren andersartige Strenge gewöhnungsbedürftig ist. Aber Midori brachte ihren Zuhörern diese Musik nahe, indem sie den auch hier spätromantisch emotionalen Hintergrund erfahrbar machte, den Wechsel zwischen Pathos und inniger Gestik hinreißend zum Erlebnis werden ließ. Schönberg hat für diese Fantasie zunächst die Violinstimme vollständig zu Papier gebracht, erst danach den mit deutlichen Akzenten stützenden Klavierpart. Hier, wie im ganzen Programm, erwies sich der Begleiter Aydin als fabelhafte, technisch makellose Stütze, als echter Mitwirkender.

Schlussstück die "Violinsonate Es-Dur op. 18" des 1887 erst 23-jährigen Richard Strauss, ein "Jugendwerk", dessen starker Ausdruckswille schon das kommende Genie ankündigt. Immerhin ist diese Sonate ein brillantes Werk mit starker, orchestral intendierter Wirkung, welches den Melodiker Strauss vor allem im innigen Gesang des Mittelsatzes berührend zur Geltung kommen lässt. Gerade dieser Satz war wieder ein wahres Seelenstück der großen Midori. Das Publikum geriet zunehmend in jubelnde Begeisterung mit der Folge, dass das Duo noch eines der wenigen auch bei uns populären Stücke Elgars, "Salut d'amour", zum Besten gab. Ein unvergessliches Konzert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: