Zorneding:Symbol für Liebe und Tapferkeit

In Zorneding eröffnet die Ausstellung zum 50-jährigen Bestehen der Interessengemeinschaft Maibaum. Der Brauch sollte in früherer Zeit vor Unglück, Blitzschlag und Hexerei schützen

Von Lea Weinberg, Zorneding

Oans, zwoa, drei, vier und o'zapft is - leider nicht. Bianka Poschenrieder, Zornedings Zweite Bürgermeisterin, und Michael Jörg, der erste Vorsitzende des Vereins IG Maibaum, stehen ein wenig ratlos vor dem Bierfass und dem angebrochenen Zapfhahn. Doch die anwesenden Mitglieder der Gemeinschaft nehmen das mit Humor. "Ja is des a Schnitzelklopfer", sagt ein Besucher der Ausstellung, die zum 50-jährigen Bestehen der IG Maibaum eröffnet wird, angesichts des kleinen Holzhammers und lacht. Auch Bianka Poschenrieder nimmt die Situation gelassen: "Es gibt ja noch Apfelschorle und Wasser", sagt sie, während sich einige Spezialisten ans Werk machen, um das Bierfass doch noch zu öffnen. "Eine Maibaumeinweihung ohne einen Tropfen Bier", sagt die zweite Bürgermeisterin und lacht. "Wo gibt's denn sowas ?"

Es ist eine gesellige Runde, die sich im Zornedinger Rathaus trifft, um alte Geschichten zu erzählen oder sich selbst und alte Freunde auf den ausgestellten Fotos wiederzuerkennen. "Da werden natürlich alte Filme abgerufen", erklärt Michael Jörg. Auf neun Schautafeln wird die Historie des Maibaums in der Gemeinde auf Fotos, alten Dokumenten, in Gedichten und Geschichten dokumentiert. Wastl Gruber, der seit 30 Jahren Schriftführer der Interessensgemeinschaft ist, hat die Ausstellung zusammen mit dem Heimatkundekreis liebevoll zusammengestellt.

Zorneding: Brotzeit im Wald: 1965 wurde er gefällt, der Maibaum des Jahres 1966, des ersten nach dem Zweiten Weltkrieg.

Brotzeit im Wald: 1965 wurde er gefällt, der Maibaum des Jahres 1966, des ersten nach dem Zweiten Weltkrieg.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auf jeder Tafel sind Fotos zu finden, die das Aufstellen des Maibaums in den zehn Zornedinger Maibaumjahren dokumentieren. Traditionell wird das mit Hilfe von langen Holzstangen und der Muskelkraft vieler Männer bewerkstelligt. Davor muss jedes Mal ein passender Baum gefunden werden, der entrindet, gehobelt, geschliffen, bemalt und lackiert wird, bis er die Dorfmitte verschönern darf. Auch die anschließenden rauschenden Maifeste sind dokumentiert. Ausgestellt sind ebenso alte Rechnungen, beispielsweise von Handwerkern, die zur Gestaltung eines Baumes beigetragen haben. Und viele Gedichte, Geschichten und Anekdoten aus den vergangenen 50 Jahren. So erzählt eine der Geschichten von dem Besuch eines Amerikaners, der von den Männern der Maibaumwache die Bedeutung der Redewendung "Schwein gehabt" lernte. Als er beim Maifest vom Gastgeber gefragt wurde, ob er schon mit dessen Tochter getanzt hätte, erwiderte der Amerikaner "das Schwein habe ich noch nicht gehabt", was sein Gegenüber natürlich weniger erfreute, aber zu großer Belustigung der anderen Gäste führte. Nik Pfluger, langjähriger IG Vorstand, wird auf einem Foto von 1979 zitiert: "Männer lasst's euch Zeit, aber schickt's euch", soll er den Maibaumaufstellern zugerufen haben. Doch zwischen den fröhlichen Gesichtern auf den Fotos der vielen Maifeste und Texte sind auch Nachrufe und Todesanzeigen verstorbener Mitglieder. "50 Jahre sind eben schon eine lange Zeit", sagt Vorsitzender Michael Jörg. Seit dem Gründungsjahr 1965 der IG Maibaum gab es in Zorneding zehn Maibäume. "Da gibt es viele Geschichten zu erzählen", sagt Bianka Poschenrieder. Kein einziges Mal sei es jedoch passiert, dass ein Zornedinger Maibaum gestohlen wurde.

Erstmalig urkundlich erwähnt wurde die Maibaum-Tradition im Jahr 1224, fast 700 Kilometer entfernt, in Aachen. Während einer Walpurgisnacht tanzten die Gemeindemitglieder um einen Maibaum. Das Fest wurde aber vom Aachener Pfarrer unterbrochen, der den Baum mit einer Axt fällte, weil ihm der Brauch missfiel. Solch aufbrausendes Temperament traue sie auch den Mitgliedern der IG Maibaum zu, erklärt Poschenrieder. Natürlich aus anderen Gründen. 1893 habe König Ludwig I. den Brauch in Bayern wieder gesellschaftsfähig gemacht, fährt die zweite Bürgermeisterin fort. Bis dahin sei die Tradition ein "unchristlich, unflätig Ding" gewesen. Seit 1965 wird der Brauch auch in Zorneding regelmäßig gepflegt. 1966 stand der erste Maibaum nach dem Krieg. Schützen soll er vor Unglück, Blitzschlag und Hexerei, so Poschenrieder. Für ihre Gemeinde habe der Brauch aber viele weitere Bedeutungen, erklärt sie. Ein wichtiger Aspekt sei der soziale Halt im Ort und das Verantwortungsbewusstsein in der Gemeinde. Heimatliebe, Muskelkraft, Tapferkeit und Gemeinschaftsgefühl, das seien alles Attribute für diese Tradition. Aber auch das Anbandeln in der Maibaumnacht sei alter Brauch. So wie der Frühlingsanfang die richtige Zeit sei für die Liebe, so stehe diese Jahreszeit auch für die Gerste, aus der später die flüssige Nahrung, das Bier, eines jeden Maibaumfestes gewonnen werde, so die zweite Bürgermeisterin.

Zorneding: 50 Jahre IG Maibaum im Rathaus Zorneding (von links): Wastl Gruber, Michael Jörg, Peter Ohlberger, Christian Krumpholz und Ferdinand Glasl.

50 Jahre IG Maibaum im Rathaus Zorneding (von links): Wastl Gruber, Michael Jörg, Peter Ohlberger, Christian Krumpholz und Ferdinand Glasl.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Anlässlich der Jubiläumsfeier am 31. Mai auf der Münchnerstraße wird auch eine neue Standarte geweiht. Neben dem Festzelt ist ein Festzug geplant. Begleitet wird das Fest vom Trachtenverein, den Goaßlschnoizern und der Musikkapelle Münsing. Wenn das Wetter mitspielt, werden die Exponate unter freiem Himmel gezeigt. "Aber da reden wir alle noch mal mit Petrus", sagt Bianka Poschenrieder.

Die Ausstellung kann von Montag bis Freitag, 8 Uhr bis 12 Uhr, mittwochs zusätzlich von 15 Uhr bis 18 Uhr im Rathaus Zorneding besichtigt werden.

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