Zorneding:Pöringer befürchten ein "Ghetto" auf der Wimmer-Wiese

Baugebiet Georg-Münch-Str Zorneding

Anwohner in der Neubausiedlung an der Georg-Münch-Straße fürchten, dass auf der gegenüberliegenden Wiese eine "Messestadt light" gebaut wird. Dagegen wollen sie notfalls mit einem Bürgerentscheid vorgehen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zahlreiche Dorfbewohner wollen Änderungen für das geplante Quartier für 500 Neuebürger durchsetzen - notfalls mit einem Bürgerentscheid. So manchem schwant Böses.

Von Viktoria Spinrad, Zorneding

Ein verkommenes Wohngebäude, elf Stockwerke, Ventilatoren, vergitterte Fenster - über dem Bild prangt die Frage: "In the Ghetto?" Das Szenario, zu sehen auf einer kürzlich gegründeten Facebook-Seite, zeigt die wohl zentrale Befürchtung einiger Pöringer zur geplanten Bebauung der Wimmerwiese. Dort könnten vier Wohnquartiere mit etwa 200 Wohnungen für rund 500 Menschen entstehen. Pläne, die Anwohner wie Christian Baretti, der das Facebook-Foto gepostet hat, den Bau einer "Messestadt light" erahnen lassen.

Eine Sorge, die noch vor der öffentlichen Auslegung der Pläne im Rathaus so weit führt, dass rund zehn Familien nicht nur eine Liste von Gegenvorschlägen für das Areal erarbeitet haben, sondern auch von einem Bürgerentscheid sprechen, falls sie sich nicht durchsetzen können. "Wenn wir mit unseren Gegenvorschlägen nicht ernstgenommen werden, dann nehmen wir den Kampf auf", kündigt Baretti an.

Ein Kampf gegen ein Bauvorhaben auf Privatgrund, das seitens der Gemeinde unisono als "Vorzeigeprojekt" gelobt wird. Und als längst überfällige Maßnahme, endlich auch Wohnraum für Kita-Personal, Alleinerziehende, Rentner, Handwerker zu schaffen; für die Geschosswohnungen hatten - entgegen ursprünglicher Pläne für Doppel- und Einfamilienhäuser - schlussendlich alle Fraktionen gestimmt. Jetzt werden sich die Fraktionen voraussichtlich im Januar mit dem Sechs-Punkte-Plan der Anwohner beschäftigen. Dies hatte vor zwei Wochen die Bürgerversammlung als Antrag an den Gemeinderat beschlossen.

Im Fokus der Kritik stehen die Verdichtung und die Bauhöhe: Die Erdgeschosse der Wohnquartiere im Süden und Norden sollen sich zwar an den benachbarten Häusern orientieren. Im inneren Bereich des Bauquartiers soll aber ein viertes Terrassengeschoss laut Bauplan "eine maßvolle Verdichtung und damit zusätzlichen Wohnraum ermöglichen." Eine Idee, die auch Gabriel Trischler, der gleich an der Georg-Münch-Straße wohnt, nicht gefällt. Vom Balkon im zweiten Stock seines Hauses deutet der 54-Jährige auf das Feld: "Wir bauen hier ein Dorf in das Dorf rein, einen Herzogplatz light brauchen wir nicht."

Dem Einwand der Gemeinderäte, dass bezahlbarer Wohnraum, den die Gemeinde vom Bauträger abschöpfen will, ein viertes Stockwerk rechtfertige, kann auch Baretti, der in der anliegenden Rotwandstraße wohnt, nicht viel abgewinnen: "Die Gemeinde kann die Bedingungen doch diktieren." Diktieren will man im Rathaus aber schon ein wenig - etwa, wie die Grünen vorgeschlagen hatten - das Prinzip der sozialgerechten Bodennutzung. Demnach soll etwa ein Viertel der Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen zur Verfügung gestellt werden.

Der Bürgermeister weist die Vorwürfe zurück

"Wenn so gebaut wird wie geplant, entsteht hier ein ganz steriles Schlafstadtcarré", sagt Trischler. Wie in dem Sechs-Punkte-Plan festgehalten fordert auch er einen Park, einen Kindergarten und ein Café - und sorgt sich darum, dass die bestehende Infrastruktur nicht hinterherkommt, es gar keinen langfristigen Plan der Gemeinde gebe. Teil der Forderungen ist deshalb auch eine größere Grünfläche innerhalb des Neubaugebiets. Eine Idee, bei der die Gemeinderäte auf den nahegelegenen Weiher verweisen. Werner Hintze (SPD) sagt: "Das kann nicht ernsthaft gewollt sein, schließlich müssten wir die Fläche mit Steuergeldern kaufen".

Trischler aber deutet auf den Weg zwischen Wimmerwiese und dem anliegenden Grünstreifen, der Gemeindegrund ist: "Wenn man nur ein paar Meter von der Wiese abkauft und mit dem Grünstreifen der Gemeinde zusammenfügt, wäre es schon günstiger." Dafür auch Geld in der Nachbarschaft zu sammeln, sei eine Möglichkeit.

Helmut Obermaier (Grüne) sieht das kritisch: "Wir können den teuren Grund jetzt nicht für andere Ideen opfern." In dem Vorschlag der protestierenden Anwohner, mehr als die entlang der Innenhöfe geplanten oberirdischen Stellplätze zu schaffen, weil die neuen Anwohner die Tiefgaragenplätze nicht nutzen würden, sieht er gar einen Widerspruch: "Mehr oberirdische Stellflächen würden wieder von den Grünflächen in den Innenhöfen abgehen."

Als überflüssig sieht man auch andere Forderungen, etwa nach Kleingewerbe im Quartier. Der geforderte Ausbau der Grundschule entsprechend des Bedarfs "nach Massivbauweise", wie die Anlieger schreiben, werde ohnehin kommen. Genau wie das Café, dieses soll sich im 250 Meter entfernten Gewerbegebiet ansiedeln. "Vieles erübrigt sich, wenn man mehr Informationen hat", prognostiziert Obermaier.

Auch Bürgermeister Piet Mayr (CSU) verweist auf bereits geplante Projekte, etwa zusätzliche Kita-Plätze an der Lärchenstraße. "Natürlich muss die Infrastruktur mitkommen", sagt er. Auch der Angst der Anwohner, dass mit dem Neubau ein sozialer Brennpunkt geschaffen würde, tritt er entgegen: "Der Großteil der Wohnungen wird auf dem freien Markt vermietet und verkauft, hier werden ganz normale Leute hinziehen."

Den Vorwurf, die Informationspolitik der Gemeinde sei zu dünn und es fehle ein langfristiger Plan für den Ort, weist Mayr zurück. Es gebe einen öffentlich einsehbaren Flächennutzungsplan und die Vorgabe, das organische Wachstum beizubehalten. Das erkennt Beschwerdeführer Baretti an. "Grundsätzlich kann ich mit der Planung gut leben, der Bedarf ist schließlich da", sagt er. Man sorge sich aber darum, dass der dörfliche Charakter verloren gehe. "Wenn die behutsame Entwicklung bewahrt wird, dann sind wir die letzten, die die Tür zuknallen."

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