Zorneding:Pilot des Herrn

Neuer Pfarrer für Zorneding

Noch ist Mathias Häusl als Pfarrvikar in Höhenkirchen tätig, doch bald wird er ein paar Kilometer weiter ziehen. Er beginnt, wie er sagt, seine Arbeit in Zorneding unvoreingenommen.

(Foto: Anselm Schindler)

Im September wird Mathias Häusl neuer Pfarrer in Zorneding. Damit ist für die Gemeinde die Zeit der Übergangslösungen nach dem Weggang von Olivier Ndjimbi-Tshiende endlich vorbei

Von Anselm Schindler, Zorneding

Pilot hätte er werden können oder Arzt, diese Berufe zumindest kamen in seine engere Auswahl. Doch Mathias Häusl entschied sich dazu, Pfarrer zu werden. Er hängte nach der Ausbildung zum Technischen Zeichner ein Theologiestudium dran. Anfang September wird der 53-Jährige seinen Dienst in der Zornedinger Pfarrgemeinde antreten, er füllt damit eine Lücke in der Gemeinde, endlich, nach zwei Interims-Pfarrern, die jeweils nur wenige Monate einsprangen. Seit Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende wegen rassistischer Morddrohungen gegen ihn den Job wechselte - er arbeitet jetzt an der Universität in Eichstätt -, ist im Pfarramt keine Ruhe eingekehrt. Mit Häusl gibt es vom 1. September an endlich eine langfristige Lösung.

Häusl setzt sich auf die Couch in seinem derzeitigen Amtssitz, dem Pfarrheim in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, einer kleinen Gemeinde, die nur ein Waldstück von der Ebersberger Landkreisgrenze entfernt liegt. Die Kartons sind teilweise schon gepackt, für Häusl steht bald auch der Umzug an. Bevor er sein Hab und Gut aber im Zornedinger Pfarrheim unterbringt, muss dieses erst noch renoviert werden.

Er freue sich auf das neue Zuhause, sagt der künftige Zornedinger Geistliche; auf das Pfarrheim, "ein schönes altes Haus", und auf die Arbeit in der Gemeinde. Von den vielen Streitigkeiten um rassistische Äußerungen, die darin mündeten, dass einer seiner Vorgänger die Gemeinde verließ, wisse er auch nur aus den Medien. "Ich gehe unvoreingenommen in die Gemeinde.

Bereits seit seiner Jugend ist Häusl, gebürtiger Bad Reichenhaller, im Dienste des Glaubens unterwegs, "wenn Gott einen im Visier hat, dann findet er auch einen Weg, wie er einen bekommt und trägt", sagt der 53-Jährige und lacht. Schon als Kind hat er Gottesdienst gespielt mit seinen beiden Schwestern. Die beiden waren die Kirchgänger, er freilich der Pfarrer. Doch es sollte noch einige Zeit dauern, bis er sich entschied, das Amt, das für ihn "eine Berufung ist, nicht ein Beruf", anzutreten. Als er noch im Hinterland von Ingolstadt für die Kirche Jugendliche betreute, da habe einer der Jungs gesagt: "Schade, dass ich bei dir nicht beichten kann." 1999 ließ sich Häusl in Freising zum Priester weihen - heute nimmt er auch Beichten ab.

2013 verließ er den Pfarrverband in Chieming, einer kleinen Gemeinde am östlichen Ufer des Chiemsees. Recht überstürzt, das zumindest war die Außenwirkung - die örtliche Lokalpresse schrieb von "Irritationen" und enttäuschten Gläubigen. Er habe damals eine Auszeit gebraucht, erklärt der Pfarrer, von "gesundheitlichen Problemen" schrieb das Regionalblatt. Häusl will darauf eigentlich nicht näher eingehen und tut es dann doch.

"Wissen Sie, so ein Pfarrverband mit vier Einzelpfarreien, mit zwei Kindergärten und Hort ist richtig viel Arbeit. Ich hatte irgendwann das Gefühl, dass ich Personalchef bin, oder Verwalter oder Manager - aber immer weniger Seelsorger." Die Problematik, dass Pfarrer vor lauter Verwaltungskram kaum noch ihrer eigentlichen Aufgabe - Menschen zuzuhören und Trost zu spenden -, nachkommen könnten, sei weit verbreitet, berichtet Häusl.

Die Überforderung, die in den Pfarrämtern vielerorts vorherrscht, hat vor allem damit zu tun, dass in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viele Pfarrgemeinden zusammengelegt wurden. Zorneding ist noch eine eigenständige Pfarrei; 5464 Menschen mit katholischer Glaubenszugehörigkeit fallen in ihren Bereich. Nicht wenige, doch viele Pfarrämter müssen weit mehr Menschen betreuen. Doch die Kirche sei, was das betrifft, schon dabei, Abhilfe zu schaffen. Gerade in größeren Pfarrverbänden würden in Zukunft auch Stellen für Verwaltungsleiter geplant. Damit sei, so Häusl, die Verwaltung in kompetenten Händen, und die Seelsorger könnten effektiv entlastet werden.

Die Umstrukturierungen in der Kirche haben freilich auch einen Grund: Wie in fast allen postindustriellen Gesellschaften hat die Kirche in Deutschland die Deutungshoheit über das Leben in vielen Bereichen verloren. Immer weniger Menschen besuchen die Gottesdienste, hinzu kommen viele Kirchenaustritte. Nur noch zehn bis fünfzehn Prozent der Katholiken besuchten regelmäßig einen Gottesdienst, berichtet Häusl. Aus der Ruhe bringen lassen werde er sich davon aber nicht: "Die Kirche wird bestehen, wenn auch vielleicht in anderen, neuen Erscheinungs- und Organisationsformen. Christus ist das Haupt der Kirche, und er wird sich um sie kümmern."

Erneuern müsse sich die Kirche aber freilich trotzdem: "Wir haben jetzt eine ganz andere Situation als noch vor ein paar Jahrzehnten, die Menschen hinterfragen heute die Kirche - und wir müssen Antworten geben." Häusl gehört, das merkt man recht schnell, eher zum liberalen Teil der katholischen Kirche, sein Auftreten ist locker, offen. Erst vor einigen Wochen war Häusl auf einem Fernwanderweg am nepalesischen Annapurna-Pass unterwegs. Als er anderen Wanderern erzählt habe, dass er katholischer Pfarrer sei, hätten die erstaunt reagiert: "Katholisch, das sieht man dir gar nicht an", berichtet Häusl und lacht.

"Ich hoffe, dass die Menschen in Zorneding genauso neugierig sind wie ich", sagt der Geistliche. Er komme unvoreingenommen in seine neue Gemeinde, "ohne Generalplan im Koffer". Häusl setzt auf einen eigenständigen Pfarrverband, "wir müssen weg von der versorgten Gemeinde, hin zur selbstversorgenden Gemeinde", so der Pfarrer. Was Zorneding betrifft, ist Häusl da zuversichtlich, schließlich hätten sich viele engagierte Pfarreimitglieder, wie auch der Pfarrgemeinderat, der Pastoralreferent und viele andere in den vergangenen Monaten oft genug selbst helfen müssen.

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