Zorneding:Europa als Musikerlebnis

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Olivier Doise (Oboe), Laura Ruiz Ferreres (Klarinette), Olivier Darbellay (Horn), Diego Chenna (Fagott) und Oliver Triendl (Klavier) im Martinstadl. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Pianist Oliver Triendl schart beim Kammermusikzyklus des Kulturvereins hochkarätige Bläser um sich

Von Claus Regnault, Zorneding

Es war ein Abend, der sich in die Annalen eingeprägt hat: das Kammerkonzert vier europäischer Bläser mit Oliver Triendl vom Kulturverein Zorneding-Baldham als souveränem Kopf des Ensembles. Europäisch die Besetzung mit dem Pariser Oboisten Olivier Doise, der Spanierin Laura Ruiz Ferreres, Klarinette, dem Westschweizer Olivier Darbellay, Horn, und dem Italiener Diego Chenna, Fagott. Europäisch war auch das Programm aus dem frühen "Quintett für Klavier und Bläser op. 16" von Beethoven, mehreren Werken des Franzosen Francis Poulenc und einem "Quintett für Bläser und Klavier" des Finnen Kalevi Aho. Und auch der Österreicher Mozart war vertreten, mit der Zugabe seines bezaubernden Larghettos aus dem Bläserquintett KV 452. Für Musiker und Publikum im Zornedinger Martinstadl war es in diesen schweren Zeiten Europas spürbar eine Begegnung mit Zusammengehörigkeit und Reichtum des Kontinents.

Beethoven hat sein Quintett in zwei Fassungen, für Streicher und für Bläser, komponiert, mit deutlich reicher Ausgestaltung des Klavierparts, mit dem er das Publikum von seiner Virtuosität zu überzeugen hoffte. Juwel dieses Stücks ist das Andante cantabile, in welchem der 26-Jährige das berührende Thema aus einer absteigenden Tonleiter entwickelt. Schon hier erlebte man die erstaunliche Homogenität, das Miteinander eines schönen Gesprächs des Zornedinger Ensembles.

Poulenc, der frühe Lausbub der antiromantisch gesinnten "Groupe des Six", der Komponistenjugend Frankreichs in den 20er Jahren, ist bis ins hohe Alter der wohl französischste Musiker geblieben, zu dessen Charakterisierung man zwei auch in die deutsche Sprache eingegangenen Begriffe anwenden kann: Esprit und Elegance. Die Leichtigkeit und Unbekümmertheit, mit denen er frühklassische Modelle übernimmt und humorvoll ins 20. Jahrhundert überträgt, sind seine Charakteristika. Musik, die nicht weh tut und keine andere als eine spielerisch-heitere Botschaft hat. Das gilt vor allem für das "Trio für Klavier, Oboe und Fagott FP 43", das die sprachliche Virtuosität des Französischen in muntere Allegro-Beweglichkeit zu übertragen scheint, geistreich witzig und im Andante-Mittelsatz berührend zärtlich. Da konnte man die wunderbar romanische Tongebung von Doise und Chenna genießen, von ihrer fraglosen technischen Brillanz ganz zu schweigen. Ähnlich die späte Sonate für Klarinette und Klavier "FP 184", von Ferreres hingebungsvoll und tonschön gestaltet und im letzten Satz von Triendl in atemberaubender Virtuosität bewältigt.

Aber auch Poulenc kann Trauer und tief mitfühlende Berührung in seiner Musik verwirklichen, so in der "Elegie für Horn und Klavier FP 168", dem Gedenken an seinen bereits 1955 verstorbenen Kollegen Arthur Honnegger gewidmet und im Jahr vor seinem eigenen Tod komponiert. Ein Stück, welches unter die Haut geht und von Darbellay in seiner expressiven dynamischen Wechselgestalt hinreißend verwirklicht wurde.

Zum Abschluss das 2013 komponierte "Quintett für Bläser und Klavier" des Finnen Kalevi Aho. Er ist in Zorneding schon von einem sympathischen Auftritt mit seinem Quintett für Streicher und Klavier bekannt, er gehört zu jenen "Fundstücken", die Triendl auf seinen musikalischen Welterkundungen entdeckt hat. Ahos neues Quintett empfindet man in seiner Mischung aus nordischer Melancholie und Wildheit als Transposition des großen Erbes von Jan Sibelius ins 21. Jahrhundert, nicht modernistisch, aber sehr ausdrucksstark in einer Sprache, die spätromantisches Erbe in das Idiom unserer Gegenwart anverwandelt. Die sehr engagierte Aufführung durch das Quintett, wiederum ein Vehikel für die staunenswerte Brillanz Triendls, fegte im Schlusssatz wie ein eisiger nordiger Wirbelsturm in das fast erschrockene Publikum, welches sich in frenetischem Beifall selbst erwärmte. Europa als Grenzerlebnis der Zugehörigkeit - ein großer Abend.

© SZ vom 30.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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