Zorneding:Eine Träne Gottes

Peter Maicher über Steinsee

Referent Peter Maicher vor einer Luftaufnahme des Steinsees, der in einem Toteiskessel entstanden ist.

(Foto: Hinz-Rosin)

Peter Maicher erzählt von der Geschichte des Steinsees

Von Matthias Reinelt, Zorneding

"Es lächelt der See - er ladet zum Bade". Nicht selten folgen an heißen Sommertagen Hunderte Besucher Schillers Einladung und genießen die abkühlende Wirkung des gänzlich aus Quellwasser bestehenden Steinsees in Moosach. Sogar bis nach München reicht seine Beliebtheit. Eine Werbeveranstaltung für den See solle es also gar nicht werden, erklärt Peter Maicher, Geschichtsforscher und einst Direktor des Bayerischen Landtags, das habe dieser gar nicht nötig. Schillers Worte dienen ihm vielmehr als Einstieg in seinen Vortrag "Geschichte und Geschichten rund um den Steinsee". Den etwa hundert Zuhörern im Zorndinger Neuwirt gibt er Einblicke in die bewegte Vergangenheit des - nach dem Egglburger See - zweitgrößten Gewässers im Landkreis.

Heutzutage ist es ja ganz normal, sich in knapp bemessener Badekleidung zu zeigen. Vor etwa hundert Jahren aber sah das laut Maicher noch ganz anders aus: Im Jahre 1890 erließ Moosachs Bürgermeister eine Bekanntmachung, nach der es verboten war, nahe der Straße zu baden. Sich im See zu erfrischen war "nur an jenen Stellen erlaubt, welche hinreichend gegen die Blicke Vorübergehender geschützt" waren, so der Originaltext. Die Strafe bei Nichteinhaltung: neun Mark. Das sind, auf heutige Verhältnisse umgerechnet, 50 Euro.

Wie Maicher erklärt, ist der Steinsee in der jüngsten Eiszeit entstanden. Der ganze südliche Landkreis lag damals unter einer bis zu 80 Meter dicken Eisschicht. Als sich die Gletschermassen dann vor etwa 15 000 bis 10 000 Jahren zurückzogen, wurden große Eisblöcke abgetrennt - und schmolzen. Das Wasser sammelte sich in Wannen, so genannten Toteiskesseln. In einem davon bildete sich der Steinsee - "eine Träne Gottes", nennt ihn laut Maicher eine begeisterte Schwimmerin.

Durch die weitere Geschichte des Gewässers zieht sich ein ständiger Wechsel von Besitzern. Einer der ersten Herren am Steinsee war wohl ein verdienter römischer Legionär auf einem Landgut in Oberseeon. Das Gewässer lag damals nicht etwa weit ab von jeglicher Zivilisation, es war gut an das Straßennetz angebunden. In späteren Jahrhunderten besaßen der Abt von Tegernsee, der Wittelsbacher Herzog, die Herren von Pienzenau und Falkenberg, im späten 19. Jahrhundert eine ungarische Gräfin das Gewässer. Danach hatte laut Maicher ein "Schlotbaron" vom Rhein das Sagen. 1899 kaufte Adolf Bürsing-Orville das Schloss Zinneberg und das Gut in Niederseeon. Der Großindustrielle, der "Baron", wie er sich nennen ließ, wollte dazu dann auch noch den See in seinen Besitz bringen. Der gehörte damals dem Fischer Johann Petzinger, der "gegen ein kleines Entgeld Baden, Kahnfahren und Fischen gestattete", so Maicher. Bürsing aber drängte Penzinger zum Verkauf - und dieser gab schließlich nach.

Auch sonst gab es im Laufe der Zeit immer wieder Ärger um den See. Ebenjener Baron hatte das Baden verboten und den See mit einem Lattenzaun umgeben. In einem offenen Brief wird er von den Bürgern aufgefordert, das "Seebad der kleinen Leute" der Allgemeinheit zurückzugeben, was irgendwann auch geschah. Schließlich gelangte der See in Besitz der Familie von Wedelstaedt, die 40 edle Pferde vor der SS rettete. Deren einstiges Wohn- und Landhaus gelangte auf Umwegen - es wurde als Flüchtlingsunterkunft, Altenheim und Edel-Puff genutzt - wieder zu einer seriösen Existenz: Heute beherbergt es die Montessori-Schule.

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