Zorneding:Der neue Ton

Kammermusikzyklus Zorneding

Marc Danel (erste Violine), Gilles Millet (zweite Violine), Vlad Bogdanas (Viola) und Yovan Markovitch (Violoncello) sowie Oliver Triendl am Piano und künstlerischer Leiter der Reihe.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit Werken von Claude Debussy, Darius Milhaud und Louis Vierne, eindrucksvoll interpretiert vom Ensemble "Quatuor Danel", geht die Kammermusik-Saison in Zorneding zu Ende

Von Claus Regnault, Ebersberg

Sie haben für Frankreich den Weg zur Neuen Musik des 20. Jahrhunderts geöffnet: die Komponisten Claude Débussy, Darius Milhaud und Louis Vierne. Dabei zeichnet sich schon in dem frühen Streichquartett g-Moll des damals (1893) 30-jährigen Débussy der neue Ton ab, der kennzeichnend ist für seine Abkehr von seiner frühen Wagner-Begeisterung hin zu einer farbig kolorierten Musiksprache, die musikalisch umsetzt, was die Maler des Impressionismus und die Dichter des Symbolismus wie Mallarmé oder Maeterlinck in ihrem je eigenen Bereich vorgeformt haben. Milhaud wiederum, der lebensfrohe Provençale, hat seine außereuropäischen Erfahrungen als diplomatischer Assistent Paul Claudels in Brasilien und seine New Yorker Begegnung mit dem frühen Jazz zu teilweise frech-fröhlicher Musik umgesetzt, aus letzterer Begegnung die Ballettmusik "La Création du Monde" von 1923.

Louis Vierne fällt dabei aus dem Rahmen, könnte man ihn doch als Spätromantiker abtun, wäre sein Klavierquintett c-Moll opus 42 von 1917 nicht ein so außergewöhnliches, in seiner Emotionalität überwältigendes Werk. Sein Werk ist der Neuen Musik zuzurechnen, denn seine Art von "Spätromantik" ist weit entfernt von derjenigen, die zu der gefälligen melodiegesättigten Gefühlsmusik etwa eines Rachmaninow gehört. Abgesehen davon, dass der Begriff "Spätromantik" letztlich auch Komponisten wie Arnold Schönberg oder dem heutigen Zeitgenossen Wolfgang Rihm zugesprochen werden kann, bezeichnet er inhaltlich eine stark emotional geprägte ausdrucksstarke Komponierweise. Im Fall Viernes steht hinter der erschütternden Musik die bittere Erfahrung nicht nur eines seit Geburt Sehbehinderten, sondern vor allem der Tod seines Sohnes Jacques, der im November 1917 gegen die Gräuel des 1. Weltkrieges protestiert hatte und daraufhin erschossen wurde. Der Ausdruck, die "Expression", die Vierne für dieses maßlose Leid findet, erinnert vor allem im dritten Satz des Werks, einem marschartig punktiert rhythmisierten Wechselspiel zwischen gehämmerten Klavierakkorden und atemlosen Streichern, an die 6. Sinfonie von Gustav Mahler (1906) mit ihren Marsch-Exzessen.

Oliver Triendl, welcher diese fast vergessene Komposition sozusagen wiederentdeckt hat, leistete in dem schwierigen und maßgeblich gestalteten Klavierpart nicht nur Großes, sondern Überwältigendes. Gegenüber dieser Komposition trat der zarte Klang des Débussy-Quartetts, großartig verwirklichlicht vor allem in dem zauberhaft zärtlichen dritten Satz "Andantino", durch die Herren des "Quatuor Danel", das aus Marc Danel (erste Violine), Gilles Millet (zweite Violine), Vlad Bogdanas (Viola) und Yovan Markovitch (Violoncello), besteht, etwas in den Hintergrund. Dennoch war das Erlebnis großartig.

Insgesamt wurde jedes der drei interpretierten Werke durch das Danel-Quartett schlechthin perfekt dargeboten. Das gilt natürlich auch für den tänzerisch bewegten Milhaud, der in einer vom Meister selbst geschaffenen Fassung als "Suite de concert opus 81b (1926)", also in der reduzierten Besetzung für Klavier und Streich-quartett erklang. Dadurch kam der freche jazzige Charakter dieses Stücks besser als im Original zur Geltung, und die Danels, wiederum fulminant assistiert durch Oliver Triendl, erwiesen sich an ihren Instrumenten als überaus musikalische Jazz-Tänzer.

Merkwürdigerweise tanzte das Publikum, vielleicht aus Altersgründen, nicht mit, geriet aber dann bei dem anspruchsvollen Vierne doch noch aus dem Häuschen. Es wurde dann auch belohnt mit einer Zugabe aus der Feder des Lehrmeisters von Vierne, César Franck, dem zweiten Satz aus dessen grandiosem Klavierquintett f-Moll.

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