Zirkus:Traumwelt unter Druck

Reportage Zirkus Busch in Vaterstetten

Gitano Frank schmust mit dem kleinen Baby-Kamel. Einen Zirkus ohne Tiere kann er sich nicht vorstellen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Zirkus Paul Busch, der in Vaterstetten gastiert, kämpft nicht nur gegen sinkende Zuschauerzahlen. Auch die Protestaktionen von Tierschützern und Auftrittsverbote machen dem Familienunternehmen zu schaffen

Von Alexandra Leuthner, Vaterstetten

Vor ein paar Wochen war unliebsamer Besuch nachts zwischen den Wohnwagen des Zirkus' Busch unterwegs gewesen. Ein Fuchs hatte sich über Enten und Gänse her gemacht. Mit so was hat keiner gerechnet, erzählt einer der Zirkusleute, der an diesem Donnerstagmorgen auf dem Vaterstettener Dorfplatz dabei ist, die Pferde zu füttern, die vor dem Regen geschützt in geräumigen Boxen stehen und auf ihrem Heu herumkauen. Von unliebsamen Gästen können die Mitglieder der Familie Frank allerdings ein Lied singen, die kommen aber meist auf zwei Beinen.

Die Tierschutzorganisationen Vier Pfoten und Peta, die regelmäßig gegen die Tierhaltung in Zirkussen demonstrieren, sind es vor allem, auf die Georg Frank, der Grand Seigneur des Zirkusunternehmens, wütend ist. Auch vor den Toren des Zirkus Paul Busch haben sie immer wieder demonstriert, und der Pressebeauftragte des Unternehmens verschickt mittlerweile zusammen mit der Einladung zu den Vorstellungen seitenlange Stellungnahmen zu den Vorwürfen, Zirkusse seien nicht in der Lage, Tiere artgerecht zu halten und verstießen mit ihrer Dressur gegen die Würde der Tiere. Immer mehr Städte und Gemeinden erlassen inzwischen Auftrittsverbote. Um sich zu wehren, hat das Münchner Traditionshaus Circus Krone Anfang des Jahres eine Petition gestartet und sie mit über 50 000 Unterschriften an Landtagspräsidentin Barbara Stamm übergeben. Als Zirkus mit Gewicht und Namen übernimmt er die Vorreiterrolle im Kampf der über 200 kleineren Unternehmen in Deutschland, die sich in ihrer Existenz bedroht sehen. Klagen gegen einzelne Kommunen hat Circus Krone auch gewonnen.

Die Mittel für einen juristischen Kampf stehen einem Zirkus wie Paul Busch nicht zur Verfügung, obwohl der Zirkus zu den wenigen Großzirkussen gehört, die sich noch gegen den Zeitgeist stemmen. Mehr als 900 Zuschauer passen unter die blaue Zeltkuppel, wenn sie voll bestuhlt ist, doch meistens betreiben die Kinder, Enkel, Neffen und Kindeskinder von Georg Frank nicht den Aufwand, alles aufzubauen. Oft genug säßen dann nicht mehr als 30, 40 Leute in den Stuhlreihen, erzählt Enkel Gitano, und das, obwohl man päckchenweise Freikarten verschicke, in der Hoffnung, dass die Besucher dann über den Kauf von Getränken oder das Ponyreiten doch noch ein bisschen Geld in die Kasse bringen.

Am Donnerstagvormittag ist der 28-Jährige damit beschäftigt, die großen Leuchtbuchstaben zu montieren, die zur ersten Vorstellung am heutigen Freitag um 16 Uhr in einem Halbkreis über dem Eingang erstrahlen sollen. In der Mitte der Zirkuskuppel schwebt das amerikanische Todesrad, in dem Gitano hoch über dem Manegenrund balancieren wird. Auf einem Stückchen Wiese neben der Manege rennt derweil sein zweijähriger Sohn immer im Kreis, bis er die Ente Daisy entdeckt und beginnt, hinter ihr herzulaufen. "Er ist verrückt nach allen Tieren", erklärt der Papa, "und auch nach Zirkus." Wenn man in den Zirkus hineingeboren ist, wie er selbst, wie sein Vater, Zirkusdirektor Henry Frank, oder auch der Opa Georg, dann kann man sich nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Die schulpflichtigen Kinder - drei sind es derzeit - besuchen jede Woche eine andere Schule, aber sie kennen es nicht anders. "Zirkus wird immer überleben", sagt Georg Frank, der schon mit seinem Vater und dessen Zirkus Frankello durch Europa zog, durch Spanien, Portugal, Frankreich, "damals, als ich ein kleiner Bub war, war Zirkus noch schön". Heute hörten sich die Erzählungen vom Leben auf der Straße nur noch romantisch an. "Letztendlich aber geht es nur noch ums Geld, und das ist kaum mehr zu verdienen", sagt Gitano und veranlasst, dass einer seiner Cousins dem Paketboten 300 Euro übergibt. "Das ist für die Werbung für die nächste Stadt." Nach dem Wochenende ziehen die vier Familien, die zum Zirkus gehören, nach Ingolstadt weiter. "Allein die Gebühren für die Plakatwerbung kosten uns dort 800 Euro. Und dann ist es vielleicht brütend heiß, und keiner kommt."

Außer den Tierschützern vielleicht. "Sie wollen eine andere Welt", schimpft Opa Georg und bekommt einen ganz roten Kopf, als er weiter redet. Wildtiere so wie früher einmal gebe es in seinem Zirkus ja längst nicht mehr, viel zu schwierig. "Aber diese Tierschützer, die wollten ja, dass wir die Tiere einfach freilassen. Die würden keine drei Tage überleben." Pferde, Esel, einige Longhorn-Rinder, Ziegen, vier Kamele und zwei Zebras transportiert der Zirkus mit sich, auf großen Plätzen stehen sie in einem größeren Auslauf, auf kleineren in Paddocks. "Klar reisen wir mit den Tieren, aber die sind das gewöhnt. Was meinen Sie, was passiert, wenn die plötzlich in einem Zoo vor einer Wand stünden?" Die beiden Zebras, die exotischsten Tiere, die der Zirkus aufbietet, hat Gitano mit der Flasche aufgezogen. "So viel Betreuung wie bei uns bekommen die Tiere in keinem Zoo", sagt Georg Frank. Und so stark von den Veterinärämtern überwacht wie ein Zirkus werde auch kein anderer Tierhalter. "Diese so genannten Tierschützer sollten mal gegen die langen Transporte zu den Schlachthöfen demonstrieren, auf den Fernstraßen, da sehe ich sie nie", schimpft Georg Frank.

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