Wohnen:Zuflucht im Ursprung

Flüchtlingswohnungen in Ursprung

In diesem oberbayerischen Idyll könnten bis zu 20 Menschen vorübergehend eine neue Heimat finden.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Familie Schneider aus Glonn vermietet zwei Stockwerke ihres Zweiseithofes an die Gemeinde. Bald könnten dort anerkannte Asylbewerber mit ihren Familien den bayerischen Winter erleben

Von Theresa Parstorfer, Glonn

Der Glonner Skilift ist durch die Fenster auf der Nordseite des alten Bauernhauses in Ursprung 4 zu sehen. Auf der anderen Seite, irgendwo in der Ferne, wird eine majestätische Alpenkette in rötlich goldenen Winterdunst getaucht. Generationen von Glonnern hätten hier schon Skifahren gelernt, sagt Josef Schneider, während er strumpfsockig die glatt polierte, steile Holztreppe in den dritten Stock des Bauernhauses hochsteigt, in dem er mit seiner Frau Johanna wohnt.

Bald könnten auf diesem Hof auch anerkannte Asylbewerber und deren Familien ihren ersten bayerischen Winter erleben. Denn die Familie Schneider aus Glonn hat die beiden unteren Stockwerke des Zweiseithofes an die Gemeinde vermietet, um dort übergangsweise ein Zuhause für Geflüchtete bereitstellen zu können, deren Familien nach Deutschland kommen dürfen. "Nach einer positiven Entscheidung geht der Familiennachzug oft sehr schnell", sagt Bürgermeister Josef Oswald, der diese Zusammenarbeit initiiert hat. Innerhalb einer Woche säßen die Angehörigen mitunter im Flugzeug und sähen sich dann mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, in so kurzer Zeit eine Bleibe in Deutschland zu finden.

Ursprung 4 ist der Bauernhof der Familie von Josef Schneiders Frau, und auch wenn das Ehepaar zusammen mit dem Schwager nach wie vor sowohl die Land- als auch die Forstwirtschaft betreibt, stehen seit einigen Jahren, seit die Schwiegereltern verstorben und die Kinder beim Studieren sind, mehr als zwei Drittel der gesamten Wohnfläche leer. "Da hatten wir schon vor zwei Jahren, 2015, als die Situation mit Geflüchteten in der Gemeinde akut sehr drängend war, darüber nachgedacht, hier eine Pension einzurichten", sagt Schneider. Einiges an Energie und Geld hatte das Ehepaar in Renovierungsarbeiten gesteckt. Das Vorhaben sei jedoch an behördlichen Vorgaben und Formalitäten gescheitert, wie sie berichten.

Seit zwei Jahren sind die Zimmer zum Einzug bereit. Es riecht noch ein wenig nach Farbe, und der frisch eingelassene, dunkelbraune Parkettboden weist noch keine einzige Kerbe, keinen einzigen Schmutzfleck auf. "Es war schade, dass es damals nicht geklappt hat", sagt Josef Schneider und sieht sich in den noch recht kahlen Räumen um. Er ist ein ruhiger Mann, Ende 50. Er spricht von der "sozialen Verantwortung", die man habe, angesichts der Situation geflüchteter Menschen. "Da kann man so viel Wohnraum nicht einfach leer stehen lassen", sagt er. Bürgermeister Oswald wusste von dem gescheiterten Vorhaben einer Pension für Geflüchtete und als es "schon vor einiger Zeit um die Frage des Familiennachzugs bei erfolgreichen Asylverfahren ging", fragte er die Familie Schneider, ob sie bereit wäre, die Zimmer an die Gemeinde zu vermieten. Diese wiederum würde dann die Räume, die insgesamt Platz für 20 Menschen bieten, an die Familien untervermieten.

"Das haben wir gerne angenommen", sagt Schneider, und auch wenn noch kein aktueller Fall von Familiennachzug ansteht, sei er jederzeit bereit. Angst vor potenziellen Problemen hat er keine. Erstens könne es in jeder Mietsituation zu Schwierigkeiten kommen und zweitens sehe er Integration und den Kontakt zu Menschen aus anderen Kultur- und Sprachkreisen als Chance. Freilich, da gäbe es schon auch Leute in der Gemeinde, die sähen das nicht so, "aber daran störe ich mich gar nicht", sagt Schneider. Außerdem können nicht nur Familien, denen Asyl gewährt wurde, in Ursprung untergebracht werden, sondern auch von Obdachlosigkeit bedrohte deutsche Staatsbürger. "Damit beugt man auch ein wenig dem Argument vor, es gäbe doch genügend Deutsche in Not", sagt Schneider.

Für zwei Jahre wurde der Mietvertrag mit der Gemeinde Glonn bisher unterzeichnet, das sei ein guter Zeitraum, um herauszufinden, ob und wie sich dieses Modell der Unterbringung bewährt. "Wie ein Puffer" solle es funktionieren, erklärt Oswald, denn auch wenn der Bauernhof an sich kaum idyllischer sein könnte, mit den Bergen im Hintergrund und dem Skilift quasi im Garten, "ist es nicht ideal für frisch angekommene Familien", so der Bürgermeister. Einen Kilometer muss man an der gewundenen Straße ohne Fußgängerweg entlang laufen, um in den Ort zu gelangen und auch sonst gäbe es auf dem Hof natürlich nicht viel, findet auch Schneider, aber "als Übergangslösung ist es bestimmt nicht verkehrt." Josef Schneider ist schon gespannt, "was für unterschiedliche Leute" er bald kennenlernen wird. Er spreche zwar weder Farsi noch Arabisch, aber "wer weiß, was sich da noch alles tun kann".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: