Woche der Büchereien:Songs mit Schlagkraft

Bernd Weber FlowerPower

Auf den Spuren der ganz Großen: Bernd Weber singt unter dem Motto "Flower-Power" Lieder, die zum Soundtrack einer ganzen Generation wurden.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bernd Weber führt in Vaterstetten souverän durch die Jahrzehnte: von Antikriegsliedern der Sechziger bis zum Lob auf die Freundschaft im 21. Jahrhundert

Von Annalena Ehrlicher, Vaterstetten

Man muss die Antikriegsstimmung der Sechziger nicht live miterlebt haben, um Gänsehaut zu bekommen, wenn man Lieder wie Barry McGuires "Eve of Destruction" hört. "Ihr seid alt genug zum Töten, aber nicht, um zu wählen" - "was für ein Satz, oder?" Der Münchener Musiker Bernd Weber blickt auffordernd in die überschaubare Runde, die sich am Dienstagabend in der Gemeindebücherei Vaterstetten eingefunden hat. "Die Zeilen sind natürlich krass - deswegen wurde das Lied ja auch von den meisten Radiostationen verbannt", erzählt Weber. "Hat alles nichts gebracht: Wurde trotzdem ein weltweiter Hit."

Unter dem Titel "Flower-Power: Mehr als blumige Musik" führt Weber, begleitet von seiner Gitarre, die Gäste durch die Jahrzehnte. Etwa zwei Dutzend Interessierte sind gekommen, die wenigsten dürften in den Sechzigern bereits im Disco-fähigen Alter gewesen sein. "Nachdem mittlerweile Musiker auch Literaturnobelpreise bekommen, bin ich hier ja gut aufgehoben", scherzt er zu Beginn der Veranstaltung, die im Rahmen der Ebersberger Woche der Büchereien stattfindet.

Seinen musikalischen Vortrag - zwischen den zwölf Liedern gibt Weber Hintergrundinformationen und erzählt Anekdoten - hat der 65-Jährige in drei thematische Einheiten gegliedert: Zerstörung, Glück und Freundschaft. Die Zerstörung und das Leid des Krieges ist, so sagt er, die Basis, von der aus man die Geschichte der größten Friedensbewegung des 20. Jahrhunderts erzählen kann. Die politischen Lieder, die im Kontext des Vietnamkrieges entstanden sind, bilden dementsprechend die Ausgangslage seines Programms. "Aber im Anschluss daran habe ich mir die Frage gestellt, was Frieden eigentlich bedeutet", sagt er. Und so haben es neben den ikonischen Antikriegssongs eben auch Lieder, die einen Tag an der Sonne (Lou Reeds "Perfect Day" etwa) oder eine dicke Freundschaft besingen, auf Webers Playliste geschafft, etwa James Taylors "You've Got a Friend".

Der Fokus des Abends liegt dennoch auf der politischen Schlagkraft von Musik. Das hat einen ebenso einfachen wie beunruhigenden Grund: "Diese Lieder sind heute wieder aktueller, als man sich wünschen kann", sagt Weber. "Auf- statt Abrüstung, diese Kalter-Krieg-Atmosphäre, da kann man nur hoffen, dass sich das wieder in eine andere Richtung entwickelt."

Dass Weber sich für seinen Vortrag die ganz großen Klassiker herausgesucht hat, birgt sicherlich Vor- und Nachteile: Während man bei einem mit "Flower-Power" betitelten Abend natürlich nur schwer an Scott McKenzies Hymne der Blumenkinder vorbeikommt, besteht für den Künstler gleichzeitig die Gefahr, im Schatten der ganz Großen zu verblassen. Hat der Zuschauer Axl Roses von Alkoholmissbrauch gefärbte Stimme im Ohr, wenn man die ersten Takte von "Knockin' on Heaven's Door" hört, ist Webers klare Stimme, die alles etwas nach Countrymusik klingen lässt, erst einmal eine Überraschung. Doch während man ihm noch einen kräftigen Schluck aus der Whiskypulle anbieten will, erwischt einen die Musik eben doch. Wie Weber selbst sagt: "Das Lied ist halt ein Meisterwerk."

Je mehr Freiheiten sich der 65-Jährige erlaubt, desto besser wird er: Pete Seegers "Where Have All the Flowers gone", deutsch besser bekannt in Marlene Dietrichs rauchiger Version, singt Weber kurzerhand in beiden Sprachen. Und das funktioniert! Im Publikum fließt die ein oder andere Träne.

Zum Schluss passiert etwas, das in so kleinem Rahmen doch bemerkenswert ist: Während das Mitklatschen bereits bei Webers letztem Stück ("Give Peace a Chance") einsetzt, singt das Publikum bei der Zugabe sogar mit: Textsicher bis zur letzten Strophe wird - wie könnte es anders sein - John Lennons Friedenshymne "Imagine" gemeinsam gesungen. So schließt ein Programm, das bereits mit der Rezitation von Lennons wohl bekanntestem Solostück begonnen hatte. Klischee hin oder her: Dass 2018 in Vaterstetten völlig ironiefrei ein Lied gesungen wird, das die Abschaffung von Grenzen und Privateigentum fordert, hätte den Helden von '68 ganz bestimmt gefallen.

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