Winterplan des Landkreises:Im Notfall bereit

Das Landratsamt informiert im Humboldt-Gymnasium Vaterstetten über die mögliche Unterbringung von Flüchtlingen in der Dreifachturnhalle. Eltern äußern ihre Bedenken, die Schüler haben bereits Aktionen geplant.

Von Isabel Meixner

Es war nach zwei Stunden, als sich Jan Nalivaika zu Wort meldete und deutlich machte, dass nicht nur der Landkreis für die Notaufnahme von bis zu 200 Asylbewerbern bereitsteht, sondern auch die Schüler. "Wir haben schon Pläne, was wir mit den Flüchtlingen machen. Es braucht keinerlei Vorurteile, wir müssen die nur kennenlernen", sagte der Schülersprecher des Humboldt-Gymnasiums. Die SMV wolle Musikabende und ein Fußballturnier veranstalten - sollte der Notfall eintreten.

Dass im Winter wirklich Menschen in der Dreifachturnhalle am Gymnasium unterkommen, ist indes längst nicht gewiss, sagte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) am Dienstag beim Informationsabend des Landkreises: "Wir stehen für den Notfall bereit, aber wir werden ihn bis zum letzten Tag abwehren." Eine Notsituation liege vor, wenn etwa die Bayernkaserne wegen eines Virus' geschlossen werden müsse oder unerwartet 1000 Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof stünden.

Winterplan des Landkreises: Volle Aula: Sogar im ersten Stock stehen die Zuhörer, um sich über die Notunterkunft am Humboldt-Gymnasium zu informieren.

Volle Aula: Sogar im ersten Stock stehen die Zuhörer, um sich über die Notunterkunft am Humboldt-Gymnasium zu informieren.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Jeder Landkreis muss im Winter eine Unterkunft bereithalten, in der sofort - Marion Wolinski, Sachgebietsleiterin der Sozialhilfeverwaltung, sprach in ihrem Vortrag von fünf bis sechs Stunden Vorlaufzeit - 200 Flüchtlinge für bis zu acht Wochen aufgenommen werden können. Dass der Landkreis dabei im Fall der Fälle auf eine Turnhalle zurückgreifen muss, sei nicht in seinem Sinn, sagte Niedergesäß. Das Gymnasium Vaterstetten sei aber der einzig denkbare Standort gewesen: In Poing und Ebersberg sind bereits Hallen in Beschlag genommen, in Grafing stehen Container neben dem Gymnasium, die Dreifachturnhalle am Markt Schwabener Franz-Marc-Gymnasium falle weg, weil die Sportstätte an der nahe gelegenen Realschule derzeit saniert wird.

Das Humboldt-Gymnasium kann zumindest in Teilen auf andere Hallen ausweichen, was Direktor Rüdiger Modell auf Nachfrage deutlich machte: Man sei mit der Mittelschule und dem TSV in Kontakt. Bei schönem Wetter soll im Freien gesportelt werden, im Keller wird ein Aufenthaltsraum für Gymnastikübungen umgebaut. "Wir werden Vorkehrungen treffen, dass der Unterricht für die Oberstufe auf jeden Fall stattfindet", sagte Modell.

Einige Eltern bezweifelten, dass die Notunterkunft nur vorübergehend genutzt wird. "Es ist tatsächlich nur als Provisorium gedacht. Nach sechs bis acht Wochen wird die Unterkunft aufgelöst", sagte Stefanie Geisler, Leiterin der Abteilung Soziales und Familie. Aber eine 100-prozentige Garantie? "Die kann ich Ihnen nicht geben", antwortete Niedergesäß einer Mutter. Die Flüchtlingssituation entwickle sich immer weiter, "wir stecken da nicht drin".

Kalt erwischt

Die Frage hat Georg Reitsberger überrascht. Ein Zuhörer wollte vom Vaterstettener Bürgermeister, der zur Infoveranstaltung des Landratsamtes nur als Gast gekommen war, wissen, was die Gemeinde für Flüchtlinge tut. Reitsberger setzte an: "Ich kann nur feststellen, dass die Stimmung in der Gemeinde positiv ist. Dafür bedanke ich mich." Nachfrage: Was macht die Gemeinde? "Was wir machen . . . Wir unterstützen den Landkreis . . . (Pause) . . .wo wir können." Konkret? "Konkret . . . erfahren wir noch, was alles ansteht." Dann fing sich Reitsberger. In Neukeferloh, wo 50 Flüchtlinge untergebracht werden, sei man "dabei". Und, ach ja, in Vaterstetten sollen Container für 100 Asylbewerber aufgestellt werden. Wann das der Fall sein wird, ist offen, Landkreis und Freistaat streiten darüber, wer die Kosten trägt. Reitsberger versichert: "Vaterstetten ist vorbereitet." Im Gegensatz zu ihm bei der Nachfrage. imei

Weitere Fragen drehten sich um die Sicherheit und den Umgang mit den Asylbewerbern. In der Turnhalle soll rund um die Uhr ein Sicherheitsdienst arbeiten, der die Unterkunft von der Schule abtrennt, kontrolliert, wer das Gebäude betritt, und den täglichen Ablauf im Notquartier organisiert. Einem Vater, dessen Tochter das Humboldt-Gymnasium besucht, erschien das nicht ausreichend: "Was ist mit den Bushaltestellen? Werden die Schulwege überwacht?" Das verneinte Niedergesäß: "Die Schulwege können wir nicht abdecken." Er warnte vor einer Vorverurteilung der Asylbewerber: "Wir wissen auch sonst nicht, wer alles in den Landkreis kommt."

Mehrere Nachfragen zeigten, dass die Hilfsbereitschaft unter den Vaterstettenern groß ist. "Wie können wir uns engagieren?", fragte ein Elftklässler Marion Wolinski. Deren Antwort: Vor allem Patenschaften erleichtern den Flüchtlingen die Integration. Der Vater einer Fünft- und einer Neuntklässlerin berichtete von Vorurteilen auf Seiten der Schüler: "Können wir die Flüchtlingssituation nicht positiv für den Unterricht nutzen?" Schulleiter Modell nickte. Er habe die Religions- und Ethiklehrer angewiesen, das Thema im Unterricht mit einzubinden. Unter all den Fragenden meldete sich auch ein Zornedinger zu Wort, der sich für die Minderjährigen im Eschenhof engagiert. Er habe in Zorneding anfangs gemischte Gefühle gehabt, gestand er. "Aber wenn man die Ängste überwindet, kommt man gestärkt heraus."

Ehrenamtliche, die sich für Asylbewerber engagieren wollen, treffen sich am Donnerstag, 27. November, um 18 Uhr im Rathaus zur Gründung eines Helferkreises.

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