Wertstoffhöfe:Guter Unrat ist teuer

Wertstoffhof Oberpframmern

Schlechte Zeiten für Sperrmüllsammler brechen nun auch in Oberpframmern an. Die Gemeinde hat strenge Regeln erlassen, wer künftig draußen bleiben muss.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Oberpframmern geht gegen übergriffige Müllsammler vor. Wie in vielen anderen Landkreiskommunen zuvor hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass geklauter Abfall ein Verlust fürs Recycling ist

Von Victor Sattler, Oberpframmern

In Oberpframmern hat die illegale Müllabfuhr nun eine Abfuhr erhalten: Drei Männer ungarischer Herkunft, die sich permanent auf dem örtlichen Wertstoffhof aufhielten und fleißig zur Hand gingen, wenn Besucher ihre Kofferräume entluden, wurden in der vergangenen Woche nach einem Gemeindebeschluss des Platzes verwiesen. "Nur einer der drei ist geblieben. Der steht jetzt auf der anderen Straßenseite", sagte Bürgermeister Andreas Lutz (CSU/Bürgerliche) auf der jüngsten Gemeindesitzung. Wenn dort noch ab und an ein alter Fernseher für ihn abfalle, könne man den Mann nicht mehr belangen. Immerhin handelt es sich hierbei um eine öffentliche Fläche.

Die Praktiken der Müllsammler sind bekannt und weitgehend verpönt. Ihnen geht es dabei nicht um Nostalgie, Vintage und Recycling - es geht nicht ums Retten und Einsammeln, sondern ums reine Ausschlachten und Weiterverkaufen. Die Sammler, die dafür oft aus dem Ausland - wie im Fall von Oberpframmern aus Ungarn - anreisen, nutzen den kurzen Moment, wenn das Gerümpel aus dem Privatbesitz in den der Gemeinde übergeht. Am Anfang wurde vielerorts noch ein Auge zugedrückt. Aber, so erinnern sich Abfallberater in allen Gemeinden des Landkreises, wo man den Sammlern den kleinen Finger reichte, sprach sich das innerhalb der Banden schnell herum und lockte immer größere Gruppen an. Irgendwann kam dann in jeder Kommune ein "Tag Null": Der Zeitpunkt, an dem das Müllsammeln so überhand nahm, dass dem Containerplündern ein Riegel vorgeschoben werden musste, mit ganz unterschiedlichen Ansätzen.

So gibt es zu Oberpframmerns Kehrtwende zum Thema Kehricht im Landkreis bereits Präzedenzfälle, von denen sich Bürgermeister Lutz noch etwas abschauen kann: In Grafing, dem Mekka langer Wertstoffhof-Öffnungszeiten (41 Stunden pro Woche), musste Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) etwa vor einem Jahr die Ärmel hochkrempeln - und die Schranken herunterlassen. "Seitdem hat hier nur noch Zutritt, wer auch etwas wegwirft - und nicht, wer professioneller Wertstoffsammler ist", sagt Obermayr. Als Kompromiss gibt es für Sammelfreunde die Regale der Güterbörse, in denen man gebrauchte Bücher, Geschirr und Kleinmöbel hinterlassen und finden könne. Damit begegnen die Grafinger dem Argument, dass nicht alles Müll ist, was weggeworfen wird. Die englische Sprache kennt hierfür ein Sprichwort, - dessen Gültigkeit zwar auf andere Lebensbereiche ausgeweitet wurde -, das seinen wortwörtlichen Ursprung aber in der Tonne hatte: "One man's trash is another man's treasure", des einen Müll, des andren Schatz.

Diese Güterbörse, obgleich sie nach einer zivilisierten Lösung klingen mag, führte bisweilen erneut zum Ellbogeneinsatz, erzählt Wolfgang Bilo, der Abfallberater der Stadt Grafing. Denn an der Börse gilt: Wer zuerst kommt, ramscht zuerst. "Und da haben sich die Leute wieder beschwert, dass sie gar nichts abbekommen, weil die Späher schon stundenlang darauf warten und alles abgreifen", sagt Bilo. Dabei solle die Güterbörse doch einer breiten Öffentlichkeit zugutekommen.

Heute ist der Grafinger Wertstoffhof eine kleine Festung geworden. Fingerabdruck-Scanner sind noch im Gespräch, spotten manche, Ausweiskontrollen sind hier aber bereits an der Tagesordnung: Stichprobenartig, wie Bilo sagt, immer mal wieder für einen halben Tag. Notfalls verweise man gemeindefremde Gäste auch des Platzes. Ähnlich wie bei den Anliegerstraßen erwiesen sich die Vorwände auch hier als durchaus kreativ. "Wenn sie sich rechtfertigen, merkt man meist schon an der Stimmlage, ob es eine Ausrede ist", sagt Bilo. "Die Leute mosern dann natürlich, wenn man sie wegschickt." Aber Ordnung muss sein. Fremde Autokennzeichen hätten im Grafinger Wertstoffhof schon von vornherein striktes Hausverbot.

Ein anderes Bild zeigt sich in Ebersberg, anstatt auf schwere Geschütze wie in Grafing setzt man hier darauf, das Müllsammeln schlichtweg unattraktiv zu machen. Die Sammler, sagt Agnes Lang, Abfallberaterin der Stadt Ebersberg, "die interessieren sich ursprünglich ja gar nicht für die Dinge, die in der Güterbörse landen könnten, sondern ausschließlich für Elektrogeräte." In Ebersberg dürfe Elektronik aber nur beim Wertstoffhofpersonal abgegeben werden, das dann auch die Zuordnung zum richtigen Container übernimmt. Als Resultat seien Müllsammler hier zwar zugegen, aber in harmlos kleinen Gruppen, weil ihre Tage wenig ertragreich blieben. "Das Personal hat das gut im Griff", versichert Lang - wer den Sammlern etwas Gutes tun wolle, könne höchstens noch sein altes Radio in die Güterbörse stellen.

Mit einem kleinen Trick wehrte sich seinerzeit Markt Schwaben, indem es vor zwei Jahren im Bereich vor dem Wertstoffhof ein absolutes Halteverbot erließ. Damit sei dem Kampf gegen die Sammler eine Rechtsgrundlage als "Mittel zum Zweck" gegeben worden, sagt Abfallberater Christian Fischl. "Davor wusste man nicht recht, mit welcher Begründung man sie wegschicken kann." Aber nachdem die Polizei wiederholt flott vor Ort war und das Halteverbot entschieden durchsetzte, habe sich die neue Regel bei den Banden schnell herumgesprochen.

So hat jede Gemeinde zwar ihren eigenen Ansatz, inhaltlich sind sie sich aber doch einig. Oberpframmern war gewissermaßen das Gallische Dorf für Müllsammler gewesen, aber nach wiederholten Bürgerbeschwerden weht auch hier ein neuer Wind. Abfallberater Franz Sporer machte in der Gemeindesitzung deutlich, warum das Müllsammeln nicht romantisch verklärt werden sollte. So ist für ihn das übergriffige Verhalten der Müllsammler nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Sporer kritisiert auch die Verschmutzung durch ausgeschlachtete Gerätehüllen, die danach auf der Straße oder in Wäldern gefunden würden, sowie dass Daten, die sich oft noch auf den Computern befinden, nicht in falsche Hände geraten sollten. Weiter droht er, dass wenn beim Entgegennehmen des Mülls Schäden an einem Auto entstünden, die Gemeinde am Ende dafür haften muss. Und in die Container hineinzusteigen, wie manche Sammler es tun, sei sowieso lebensgefährlich. Insgesamt sieht Sporer keine Grauzone, sondern "reinen Diebstahl".

Bürgermeister Lutz hatte zunächst noch einen Kompromiss erwogen, er habe dann aber eingesehen, dass die Müllsammler zum Recycling gar nicht beitragen, sondern es unterlaufen: Da nur wenige Einzelteile weiterverwendet werden, nie die ganzen Gerätschaften. "Die können ja keine 20 Rasenmäher gebrauchen", sagte Lutz.

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