Wasserburg:Gefährliches Allmachtsgefühl

Theater Wasserburg "Superman ist tot"

Nik Mayr und Anett Segerer vom neuen Wasserburger Kinder- und Jugendtheater in Action.

(Foto: Christian Flamm/oh)

Das neue Jugendtheater Wasserburg überzeugt mit seinem ersten Stück über Liebe, Drogen und die Unsicherheit Heranwachsender

Von Anselm Schindler, Wasserburg

Zusammengekrümmt kauert Karl auf einem Holzquader. Schlaff hängt sein Oberkörper nach unten, so als hätte jemand einen nassen Waschlappen liegen gelassen. Dann springt Karl, authentisch verkörpert durch Schauspieler Nik Mayr, auf, fängt an, irgend etwas über Comic-Helden zu brabbeln. Der Zusammenhang erschließt sich, wenn man den Titel des Theaterstücks kennt, das am Samstag am Theater Wasserburg das erste Mal aufgeführt wurde: "Superman ist tot" von Holger Schober.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Comicladen-Verkäufer Karl ist drogenabhängig, Apothekerin Luisa, die einzige weitere Figur in dem Stück, relativ unschuldig. Aus Liebe zu ihm gerät jedoch auch sie, gespielt von Anett Segerer, in den Drogensumpf. Wenn die beiden "drauf" sind, fühlen sie sich unverwundbar, noch viel stärker als Superman. Im Hintergrund schwingen allerdings die Familiengeschichten mit. Die verkorkste Kindheit von Karl wird zwar nur angeschnitten, doch manchmal verrät ein Schweigen genug. . .

Es sind bei dieser Premiere mehr jugendliche Menschen da, als man das sonst vom Theater gewöhnt ist. Kein Wunder, "Superman ist tot" ist schließlich die erste Inszenierung der neuen Jugendtheater-Sparte an der Wasserburger Bühne. Dafür allerdings sind die Reihen bei der Premiere erstaunlich licht. Was die Reichweite betrifft, ist das neue Angebot also bislang kein großer Wurf. Schauspieler Nik Mayr lässt sich von so etwas aber nicht aus der Ruhe bringen: "Erst mal ist es ein Projekt, mal schauen, ob genug Leute kommen", sagt er nach der Vorstellung über das neue Jugendtheater. An der künstlerischen Darbietung des Ensembles liegt es jedenfalls nicht, denn dieses schafft es, sogar aus einem etwas abgegriffenen Thema wie dem Drogenkonsum junger Menschen viel herauszuholen - wenn auch die Handlung nicht die originellste ist. Natürlich erfordere ein Jugendtheater auch "Abstriche bei der Komplexität", sagt Mayr, flach allerdings ist das Stück keineswegs.

Im Tilidin-Rausch springen die beiden Schauspieler auf den weißen Holzquadern herum, die das Bühnenbild dominieren, die Inszenierung kommt mit einem Minimum an Requisiten aus. Luisa und Karl schreien sich an, tasten einander ab. "Es geht da um viel mehr als nur um Drogen", betont Mayr. Das Stück ist auch Ausdruck jugendlicher Unsicherheit, vor allem der Unsicherheit heranwachsender Männer, die dem Druck ausgesetzt sind, sich beweisen zu müssen. Was freilich oft misslingt. Karl jedenfalls ist ein klassischer, aus Pizza-Kartons essender Anti-Held, das glatte Gegenteil eines Superman.

Die Scheinwerfer flackern, Luisa und Karl kämpfen auf der Bühne, das Blitzen des Lichtes gibt der Szenerie etwas schemenhaft Unwirkliches. Aus den Musikboxen dröhnt der abgedrehte Sound der Indie-Band System Of A Down. Dass ein Jugendtheater auch modern und aufmüpfig wirken will, ja muss, ist klar. Doch dieser Inszenierung gelingt dies, ohne anbiedernd zu sein. Außerdem erheben die Wasserburger den belehrenden Zeigefinger nicht zu sehr, stellen die Drogenprobleme ihrer Figuren nicht didaktisch aus. Dass der verführerische Sog dieses Allmachtsgefühls lebensgefährlich enden muss, macht das Stück am Ende trotzdem schmerzhaft deutlich.

Dass das Theater, wohl die älteste Form der künstlerischen Unterhaltung, dringend Nachwuchs braucht, ist eine Binsenweisheit. Doch: Woher nehmen? Das Potenzial, die Zuschauerränge des Jugendtheaters mit jungen Menschen zu füllen, wäre durchaus da, davon ist Mayr überzeugt. "Es muss sich halt rumsprechen", sagt er betont lässig und zieht an seiner selbst gedrehten Zigarette. Mayr kann mit dem Publikum, passt in die Welt des Theaters: langer Bart, lange Haare, Augenringe. Seit 2003 arbeitet er schon auf der Bühne, zunächst in Burghausen, seit einigen Jahren in Wasserburg. Ein Bohémien in einer Stadt, die schon immer Rückzugsort war für Künstler aus der Region. Und eine Stadt, die für einen überbordenden Drogenmissbrauch bekannt ist - gemessen an bayerische Verhältnissen freilich. Es ist daher kein Zufall, dass sich der Leiter des neuen Kinder- und Jugendtheaters, Jörg Herwegh, für sein erstes Stück genau diese Problematik ausgesucht hat.

Als zum Ende des Stücks applaudiert wird, kommt auch Regisseur Herwegh auf die Bühne. Er sieht kurz ins Publikum, dann umarmt er Nik Mayr und Anett Segerer, sichtbar begeistert vom Gelingen des Stücks. Völlig zu Recht.

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