Wahlnachlese:Absetzbewegungen

Bundestagswahl - Features Grafing.

Erfreulich ist die respektable Wahlbeteiligung im Landkreis. In Grafing, wo das Gymnasium als Wahllokal diente, lag diese mit knapp 85 Prozent sogar noch ein bisschen über dem Ebersberger Durchschnitt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Traurige Gewinner: Die CSU verzeichnet bei der Bundestagswahl im Landkreis ein historisches Tief. Besonders auf dem Land sind die Wählerwanderungen groß, bis zu 16 Prozent machen ihr Kreuzchen woanders

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die Wähler im Landkreis sind in Bewegung. Klassische Parteibindungen scheinen immer mehr an Bedeutung zu verlieren, wie das Ergebnis der Bundestagswahl am Sonntag zeigt. Besonders hart trifft diese Entwicklung die CSU, sie verliert fast überall zweistellig: In 19 von 21 Kommunen sowie im Gesamtergebnis des Landkreises sind Verluste von mehr als zehn Prozent zu verzeichnen.

Insgesamt haben am vergangenen Sonntag zwar die meisten Ebersberger ihre Stimme der CSU gegeben, wie auch bei den Wahlen zuvor. Allerdings ist deren Anteil mit 38,4 Prozent auf den niedrigsten Wert gefallen, den die Christsozialen im Landkreis Ebersberg bei einer Bundestagswahl jemals erreicht haben. Parallel dazu näherten sich die Ergebnisse der übrigen Parteien stärker an als je zuvor. Weniger als drei Prozentpunkte liegen zwischen der FDP, die mit 13,2 Prozent auf Platz zwei kam, und der AfD, die mit 10,3 Prozent den fünften Platz machte. Dazwischen liegen die SPD mit 12,8 und die Grünen knapp dahinter mit 12,5 Prozent.

Im Gegensatz zu früheren Wahlen, bei denen sich die Christsozialen zumindest auf dem Land der Loyalität ihrer Wähler sicher sein konnten, sind die Verluste diesmal dort besonders hoch. Profitieren kann davon einerseits die AfD: In sechs Landkreiskommunen - Aßling, Bruck, Emmering, Forstinning, Frauenneuharting und Hohenlinden - kommt die Partei auf den zweiten Platz, in insgesamt 13 Gemeinden erreichen die Rechtspopulisten ein zweistelliges Ergebnis. Dass es landkreisweit dann doch nur für Platz fünf reicht, liegt daran, dass es vor allem kleinere Gemeinden sind, in denen sich die Wähler für die AfD entschieden haben. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums scheint es die FDP zu sein, welche der CSU die Wähler abspenstig macht: 17 Mal erreichen die Liberalen ein zweistelliges Ergebnis, in sechs Kommunen - darunter die größte Landkreisgemeinde Vaterstetten, wo die FDP mit 17,2 Prozent ihr bestes Ergebnis erzielt - kommen die Liberalen auf Platz zwei. Neben Vaterstetten und Pliening gelang dies in Glonn, Egmating und Baiern - dort hatte die CSU 2013 noch 61,9 Prozent, heuer nur mehr 45,3.

Eine Entwicklung, die man auch im Kreisvorstand der CSU mit Sorge betrachtet, wie Vorsitzender Thomas Huber sagt. "Es gibt nichts schönzureden, das Ergebnis ist für uns als CSU schon eine Enttäuschung." Eine Ursache für das schlechte Abschneiden sei sicher die Flüchtlingskrise gewesen, "die Wahl war auch eine nachgeholte Volksabstimmung zur Asylpolitik". In vielen Gesprächen habe er in den vergangenen Monaten "überall mitbekommen: Die Menschen haben Ängste". Zwar ist auch Huber der Meinung, "es geht uns so gut wie nie zuvor", besonders im Landkreis Ebersberg, "aber die Stimmung ist nicht gut". Die Gesellschaft sei schon lange nicht mehr so polarisiert gewesen wie heute: "Die einen haben uns nicht gewählt, weil wir ihnen zu wenig rechts waren, den anderen waren wir zu rechts", so Huber.

Das beste Mittel dagegen sei nun "ein klarer Kurs", auch und gerade in der Asylpolitik. Dabei wolle man aber "nicht mit der AfD konkurrieren" um die härtesten Forderungen, sondern Probleme ernsthaft lösen - und zwar auch jenseits der Flüchtlingspolitik. Denn die Festlegung auf das Thema Asyl habe der AfD geholfen,dagegen seien im Wahlkampf "andere Themen zu kurz gekommen". Genau hierin sieht Huber die Strategie gegen die Rechtspopulisten: einerseits das Flüchtlingsproblem zu lösen und sich andererseits thematisch breiter aufzustellen, damit die Wähler sehen "dass die AfD nur ein Thema hat".

Den Mangel an Themen - oder deren wahlkampfgerechte Aufarbeitung - hatte man am Sonntagabend auch beim zweiten Verlierer der Wahl, der SPD, beklagt. Kreisgeschäftsführer Daniel Kalteis warnte, andernfalls drohe die Politikverdrossenheit oder eine Abwanderung zu Protestparteien wie der AfD. Wobei beides bei dieser Wahl auf die SPD und den Landkreis nicht zuzutreffen scheint: Bei einer Wahlbeteiligung von 84,1 Prozent fällt es doch sehr schwer, von Politikverdrossenheit zu sprechen. Und auch die Wählerwanderung scheint bei der SPD eher in Richtung der altbekannten Konkurrenz zu verlaufen.

Denn während die CSU nach ganz rechts und in die Mitte Stimmen verliert, scheinen viele enttäuschte SPD-Wähler ihr Kreuzchen bei den Grünen gemacht zu haben. Diese legten im Landkreisschnitt um 2,9 Prozentpunkte zu, etwas mehr als die Hälfte dessen, was die Sozialdemokraten verloren. Der Rest der SPD-Verluste entspricht ungefähr den Gewinnen der Linkspartei. Mancherorts können die Grünen und vielleicht sogar die Linken offenbar auch von der Schwäche der CSU profitieren. So fallen etwa in Anzing, Aßling, Ebersberg, Moosach und Steinhöring die Verluste der SPD niedriger aus als die Gewinne von Grünen und Linken. In Baiern - wo die CSU 16,6 Prozent verlor - konnten sogar SPD, Grüne und Linkspartei zulegen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: