Wahlkampf:Strategien für eine wackelige Welt

Wahlkampf: "Die Alternative zu Schmidt heißt Hofreiter", verkündet der Minister und will damit ein bisschen Schrecken verbreiten.

"Die Alternative zu Schmidt heißt Hofreiter", verkündet der Minister und will damit ein bisschen Schrecken verbreiten.

(Foto: Christian Endt)

Landwirtschaftsminister Christian Schmidt wirbt beim Frühschoppen der Vaterstettener CSU für Europa

Von Anja Blum, Vaterstetten

Mit einem Plädoyer für Europa ist Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, am Sonntag beim politischen Frühschoppen der Vaterstettener CSU aufgetreten. Und das, obwohl die europäische Agrarpolitik den Landwirten viel abverlange, wie er einräumte. Die derzeitige außenpolitische Situation aber mache Europa als Zusammenschluss unerlässlich: "Einer alleine gilt doch nichts mehr in dieser wackeligen Welt", so Schmidt. Das Publikum in der gut gefüllten Remise des Neufarner Gasthofs Stangl zeigte sich mit der Wahlkampfrede des Ministers aus Berlin durchaus einverstanden, er erntete allenthalben wohlwollendes Nicken, doch Begeisterung sieht wohl anders aus. Zwischenapplaus jedenfalls gab es nur selten.

"Ich weiß, angesichts der vielen und teils widersprüchlichen Gesetze raufen sich viele Landwirte die Haare", sagte Schmidt - auch wenn Absurditäten wie Bestimmungen zum Krümmungsradius der Gurke längst passé seien. Gerade in Bayern, wo die Verwaltungen sehr gut arbeiteten und demnach auch meist sehr streng seien bei der Umsetzung von Regelungen, führe die Agrarpolitik zu großem Ärger. In diesem Sinne versprach der Bundesminister, sich in Brüssel weiterhin für eine Reduzierung der Bürokratie einzusetzen, gerade in Bezug auf die Landwirtschaft. "Wir bleiben da beim Einzelfall und haben damit immer wieder kleine Erfolge gefeiert." Und klar sei auch, dass die Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe erhalten bleiben müssten, um Strukturprobleme abzufedern.

Sich deswegen aber von der EU abzuwenden, sei der völlig falsche Weg. "Ich denke, in England werden sich jetzt viele verzweifelt fragen, wohin man sich nun orientieren soll", so Schmidt. Ein Aussteig aus der Staatengemeinschaft oder den Handelsabkommen schadeten auch der Landwirtschaft enorm: "50 Prozent unserer Milch gehen ins Ausland, gäbe es diesen Export nicht mehr, müssten zahlreiche Betriebe zusperren", warnte der Minister. Die Exportsubventionen allerdings seien abgeschafft: "Die Milch geht nicht nach Afrika, auch wenn das manche immer noch nicht mitbekommen haben!", echauffierte sich Schmidt. Für Europa sprächen aber nicht nur wirtschaftliche Überlegungen, sondern vor allem auch außenpolitische: Nordkorea, Türkei, Russland - "die Welt ist wieder unsicher geworden", so Schmidt. Und wenn man sich frage, wer denn nun den Frieden erhalte, "so komme ich sofort zu Europa". Das aber bedeute auch, dass alle Mitglieder Verantwortung übernehmen müssten, sagte der Minister mit Blick auf Ungarn. Auch in Brüssel brauche es eine "Politik der Vernunft", denn wenn erst einmal Länder wie Italien oder Frankreich ökonomische Probleme hätten, "dann geht's ans Eingemachte", warnte Schmidt.

Aber auch innenpolitisch hatte der CSU-Minister ein Schreckensszenario parat, jedenfalls in seiner eigenen Wahrnehmung: "Die Alternative zu Schmidt heißt Hofreiter", sagte er, und dass der Veggie Day noch nicht vom Tisch sei. Er selbst hingegen wolle niemandem vorschreiben, was er zu essen habe, doch solle sich, in Kita oder Schule zum Beispiel, die Mehrheit nicht nach einer Minderheit richten müssen: "Kein Schwein für alle - das geht nicht!" Den Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, griff Schmidt ebenfalls an: Dieser fordere nun, auf europäischer Ebene zu diskutieren und zu entscheiden - "dabei hat er doch selbst in Brüssel lange an einem ziemlich großen Rad gedreht!". Die Anhänger der AfD betitelte der Minister als Schreihälse. "Und wer Antisemitismus oder Rechtsextremismus hoffähig machen will, der hat nichts gelernt aus der Geschichte. Mit solchen Menschen will ich nichts zu tun haben."

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