Vortrag:Wenn Engel singen

Klaus König erläutert den interessanten Zusammenhang zwischen Komposition und Kathedralenbau

Von Carolin Schneider, Ebersberg

114 Meter ragt der Kirchturm in den toskanischen Himmel. Die rote Kuppel, nach 16 Jahren endlich fertig gebaut, glänzt im Sonnenlicht. Als die Kathedrale Santa Maria del Fiore in Florenz 1436 eingeweiht wird, ist alles perfekt: Papst Eugen IV ist Zeuge, als gregorianischer Gesang den großen Kirchenraum erfüllt, die Töne aufs Vollkommenste mit dem Bau harmonieren. Diese Vollkommenheit ist kein Zufall. Klaus König, der am Mittwochabend im evangelischen Gemeindehaus zum Thema "Musik und Kathedralenbau" referierte, hat sich eingehend mit dem Zusammenspiel aus Raum und Klang befasst. Der Komponist Guillaume Dufay habe seine Motette "Nuper rosarum flores" auf das florentinische Gotteshaus abgestimmt, erklärte König, selbst Musiker. Länge, Breite und Höhe der Kirche spiegelten sich in dem Musikstück wider. Der Komponist habe die Tonstufen im selben Verhältnis wie das des Bauwerk gewählt.

Die Abstimmung von Musik und Architektur ist zumindest in diesem Maß eine Besonderheit. In der Gotik hätten jedoch viele Komponisten ihre Stücke den Kirchenräumen angepasst, erzählte König. "Jede Kathedrale hat einen eigenen Ton." Deshalb seien in der Zeit, in der Noten erstmals verschriftlicht wurden, meistens nur Grundnoten notiert worden. Bögen um diese Noten bedeuteten, dass sie je nach Raum anders interpretiert werden sollten. Vor einer Aufführung wurde das Werk deshalb in der Kathedrale geprobt, um das Optimum an Klang heraus zu holen. Ein physikalischer Effekt, so König, sei verantwortlich für die wechselseitigen Auswirkungen von Schall und Raum. "Wenn die Länge der Schallwellen auf die Länge der Resonanzwellen treffen, entsteht eine sogenannte stehende Welle." Die Zuhörer könnten dann den Klang nicht verorten, denn der Raum gebe die Töne zurück. "Es klingt, als ob die Engel mitsingen."

Florenz 2017

Musikalisch nachempfunden: Die großartige Kathedrale Santa Maria del Fiore in Florenz.

(Foto: Natalie Neomi Isser)

Wenn der Musiker über Kathedralen, "diese fantastischen Bauwerke, die raketengleich in den Himmel schießen", spricht, ist ihm seine Begeisterung anzumerken. Er führt sein Publikum mit Leichtigkeit durch das komplizierte Thema. Der Kirchseeoner, der lange Jahre Oboist beim Bayerischen Staatsorchester war, hat schon viele Kathedralen besucht und sich von ihrer Größe und Erhabenheit überzeugt. Begeistert haben ihn alle. "Jede ist zwar anders, aber meiner Meinung nach trotzdem perfekt", sagt er. Die Bedeutung der Gotteshäuser habe sich allerdings über die Jahrhunderte geändert. Auf der Leinwand ist ein Bild in Schwarz-Weiß zu sehen: der Blick von einem Feld auf die Kathedrale von Chartres. Die Kirche ist von allen Seiten gut zu sehen. "Bis zum Bau des Eiffelturms waren die Kathedralen die höchsten Gebäude der Welt", sagt König, der Ort des Glaubens schon von weitem zu erkennen, heute versperrten oft Hochhäuser die freie Sicht auf so manche Kathedrale.

Vortrag: Klaus König aus Kirchseeon war mehr als 30 Jahre lang Oboist im Orchester der Bayerischen Staatsoper. Nun erklärt er, was gotische Kathedralen und gotische Musik miteinander verbindet.

Klaus König aus Kirchseeon war mehr als 30 Jahre lang Oboist im Orchester der Bayerischen Staatsoper. Nun erklärt er, was gotische Kathedralen und gotische Musik miteinander verbindet.

(Foto: Christian Endt)

Schon in der Gotik kam es zu einer richtungweisenden Veränderung in der Gestaltung der Sakralbauten. Der französische Kirchenfürst und Staatsmann Abt Suger war im 12. Jahrhundert Leiter der Abtei St. Denis bei Paris und baute die dortige Kathedrale so um, dass sie heller und freundlicher wurde - der Grundstein für den gotischen Baustil war gelegt. "Für ihn war der Glaube eine Erfahrung des Lichts", erklärte König. Suger ließ Stützwände entfernen und setzte große Fenster ein. Nur das Beste, so glaubte er, sei gut genug, um dem Glauben zu dienen - im 11. Jahrhundert eine neuartige Denkweise, waren die romanischen Kirchen bis dahin doch eher der Erde zugewandt gewesen. "Sie trugen das Leid in sich, die Kathedralen das Licht."

Schließlich machte König sein Publikum noch auf ein zeitgeschichtliches Phänomen aufmerksam, eine frühe Form der Eigenwerbung könnte man sagen. Auf der Leinwand ein buntes Glasfenster, typisch für die Gotik. Die Darstellung von Noah beim Bau der Arche "wurde von der Handwerkszunft gesponsert", so König. Oftmals hätten die Zünfte die Fenster bezahlt, um sicher zu gehen, dass ihr Fenster dann an einer möglichst gut sichtbaren Stelle eingebaut wurde.

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